"Auf der Mädchentoilette"

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Ganz langsam und vorsichtig, hebe ich meinen Kopf und sehe in ein paar wunderschöne, blaue Augen.

"Melanie" sagt Luke leise und sieht mich an. "E-es t-tut m-mir l-leid" bekomme ich gerade so heraus. "Es ist egal" sagt Luke und klingt ruhig. Ich meinte damit nicht, weil ich ihn gerade fast umgerannt hab. Ich wollte mich für gestern entschuldigen. Ich bin mir sicher, dass Luke es auch so verstanden hat. Dennoch finde ich nicht, dass es egal ist.

Luke ist der erste, der sich aus unserer Starre löst und aufsteht. Er hält mir seine Hand hin um mir aufzuhelfen. Ich schaffe es jedoch nicht sie zu nehmen. Ich stehe alleine auf und gehe weg. Zuerst langsam, doch als ich merke, dass Luke mir folgt, renne ich.

"Melanie bleib stehen!" ruft Luke mir hinterher. Ich höre nicht auf seine Worte und laufe weiter. Damit höre ich erst auf, als ich in der Mädchentoilette angekommen bin und mich in einer der Kabine eingeschlossen habe. Ich setze mich auf das Klo, winkele meine Beine an und lege meinen Kopf auf meine Knie.

Ich bin mir sicher, dass Luke hier nicht reinkommen wird, da es eine Mädchentoilette ist und wir uns in der Schule befinden. Aber was macht Luke überhaupt hier? Er geht hier nicht zur Schule, er wird während der Tour unterrichtet und hat im Moment "Ferien".

Ich werde aus meinen Gedanken gerissen als die Türe sich öffnet und kein Geringerer als Luke hereinkommt. "Melanie! Komm raus, ich weiß, dass du hier drinnen bist" sagt er. Ich gebe keinen Mucks von mir. Ich will nicht raus. Ich kann ihm nicht gegenübertreten. Nicht nachdem, was ich gestern gemacht habe. Und auch nicht nach dem gerade.

Wenn ich ihn ansehe, vergesse ich alles um mich herum. Ich bin bedingungslos in diesen Jungen verliebt und kann nichts dagegen tun. Er wiederum hasst mich. Bevor ich das aus seinem Mund hören und ihn dabei noch ansehen muss, halte ich mich lieber von ihm fern. Zu groß ist meine Angst verletzt zu werden.

"Melanie, bitte" versucht Luke mich zu überzeugen und die verschlossene Türe zu öffnen. Ich bleibe immer noch stumm sitzen und rühre mich nicht vom Fleck. "Was ist denn los?" fragt Luke. Eine Träne kullert mir die Wange herunter. Ich bin in dich verliebt. Das ist los. "Was ist das Problem?" will er wissen. Du bist nicht in mich verliebt. Das ist das Problem. Mein Problem.

Alles, was ich kann, ist ihm in meinen Gedanken zu antworten. Ich schaffe es nicht ihm wirklich zu antworten. Egal wie sehr ich es auch versuche. Es kommen einfach keine Laute aus meinem Mund.

"Ok, wenn du nicht redest, dann rede ich jetzt" sagt Luke schließlich. Wie es sich abhört, hat er sich auf den Boden gesetzt. Es ist ihm wohl ziemlich egal, dass er gerade mit mir in dem Mädchenklo der Schule ist. "Ich weiß nicht, was gestern los war, ich weiß nur, dass es ein wirklich beschissener Tag war. Für uns beide" beginnt Luke.

Ich höre ihm zu und schiebe für den Moment alle Gedanken beiseite. Das einzige, was ich nicht abstellen kann, sind die Tränen die wie auf einem Laufband aus meinem Augenwinkel kullern.

"Die zwei Tage davor waren einfach nur schön, toll und einfach unvergesslich. Wir kannten uns bis vor vier Tagen noch gar nicht und bis vor zwei Tagen war alles perfekt. Es hätte nicht besser laufen können. Wir haben uns auf Anhieb super verstanden und soweit ich es aus meiner Sicht beurteilen kann, sind wir in so kurzer Zeit Freunde geworden" sagt Luke und macht daraufhin eine kurze Pause. Für mich bist du mehr als nur ein Freund, Luke. So schnell sind meine Gedanken wieder da und machen mich verrückt.

"Um ehrlich zu sein, bist du mehr als eine gute Freundin. Du bist das tollste Mädchen, das ich je kennengelernt habe. Du bist wunderschön, du hast einen unbeschreiblichen Charakter und einen tollen Geschmack. Deine Art ist einzigartig. Ein Mädchen wie dich findet man kein zweites Mal auf dieser Welt. Du bist so süß, wenn du lächelst und noch süßer, wenn du dich schämst und rot wirst" redet Luke weiter. Ich beginne nur noch mehr zu weinen. Es ist kein stummes weinen mehr, man hört mich schluchzen.

"Mel, bitte mach diese beschissene Türe auf" sagt Luke erneut. Mel. Die ganze Zeit hat er Melanie gesagt. Jetzt hat er mich wieder Mel genannt. Aus seinem Mund klingt es so besonders. Bei allem, was Luke sagt, fühle ich mich besonders. Er ist Besonders. Für mich.

Ohne viel nachzudenken, lehne ich mich nach vorne und drehe das Schloss. Mit einem 'Klick' ist die Türe offen. Ich höre wie Luke aufsteht und die Türe langsam öffnet. Dann sieht er mich wie ich wie ein Wrack auf dem Klo sitze, verheult und mit verschmierter Schminke. Einfach nur scheußlich.

Dieses Mal hält Luke mir nicht die Hand hin und sagt auch nichts. Er kommt einfach auf mich zu und zieht mich sanft hoch. Er legt mich gewissermaßen in seine Arme. Als er sich sicher ist, dass ich nicht zurückzucke, legt er seine Arme um mich und hält mich einfach nur fest. Ich habe meinen Kopf gegen seine Brust gedreht und weine einfach nur.

Auf einmal höre ich, wie die Türe aufgeht. Ich verkriche mich nur noch weiter und verstecke mich gewissermaßen in Lukes Armen. Luke sorgt dafür, dass man mein Gesicht nicht sieht. "Boah, ernsthaft? Sucht euch nen anderen Ort zum rummachen!" sagt eine weibliche Stimme. Ich kenne die Stimme gut genug. Es ist die Klassenbitch Nummer eins. Mit diesen Worten knallt die Türe zum Glück auch wieder zu.

"Mel?" fragt Luke vorsichtig, als mein Schluchzen leiser wird. Langsam hebe ich meinen Kopf und sehe wieder in diese zwei blauen Augen, in denen ich mich verlieren kann. "Was ist mit dir? Ich kann nicht aufhören darüber nachzudenken, was ich falsch gemacht habe" sagt Luke leise und wendet seinen Blick keine Sekunde von mir.

Er hat doch gar nichts falsch gemacht. Ich bin diejenige, die alles falsch gemacht hat. "Du...hasst...mich...be-estimmt" gebe ich von mir. Es klingt wie ein Flüstern, doch Luke hat mich verstanden. "Wieso sollte ich dich hassen? Ich hasse dich nicht. Ich könnte dich niemals hassen" sagt er sofort und sieht mich besorgt an. Wie habe ich so jemanden verdient? Wie?

"Komm, wir gehen woanders hin" sagt Luke und will mich an der Hand nehmen. Als er mich nicht mehr festhält, merke ich wie wacklig ich auf meinen Beinen bin. Ich bin kurz davor zusammenzubrechen. So fühle ich mich zumindest. Irgendwie spüre ich keinen Boden unter meinen Füßen. Luke muss dies gemerkt haben, denn plötzlich nimmt er mich im Brautstyle hoch und trägt mich aus der Mädchentoilette.

Erst da merke ich, dass mittlerweile schon die erste Pause ist und überall im Gebäude Schülerinnen und Schüler sind. Ich verstecke sofort mein Gesicht in Lukes Armen. Ich will nicht, dass mich jemand so sieht. Es reicht mir schon, überall Getuschel darüber zu hören, dass der Luke Hemmings ein Mädchen herumträgt. Für einen Moment versuche ich alles auszublenden und an nichts zu denken. Und dieses Mal schaffe ich es. Solange bis wir an Lukes Auto ankommen und dieser mich vorsichtig auf seinem Rücksitz absetzt, die Türe zumacht und sich neben mich setzt.

Der Bruder meiner besten Freundin ~ Luke HemmingsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt