Pistazieneis zum Frühstück

By KnownAsTheUnknown

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„Wieso isst du jeden Tag Pistazieneis?", fragte ich (...). „Ich mag keine andere Sorte", sagte sie, als wär... More

Prolog
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Kapitel 32
Kapitel 33
Kapitel 34
Kapitel 35
Kapitel 36
Kapitel 37
Kapitel 38
Kapitel 39
Kapitel 40
Kapitel 41
Kapitel 42
Kapitel 43
Epilog
Nachwort

Kapitel 12

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By KnownAsTheUnknown

Die nächste Woche verging so gähnend langsam, als hätte jemand die Slow-Motion-Taste in meinem Leben betätigt. Mein Kontakt zu Ally beschränkte sich auf ein paar Nachrichten und einen Anruf von mir, den sie gekonnt abgewimmelt hatte, weil sie ja lernen musste. Ansonsten herrschte ziemliche Funkstille.

Aber als ich am Donnerstag mit meiner Kamera in der Tasche mit der Straßenbahn Richtung Stadtpark fuhr, weil das Wetter zu schön war, um nur in der Wohnung zu hocken, sah ich Liz. Sie stand ein paar Meter von mir entfernt Hand in Hand mit einem Kerl, der vielleicht einen oder zwei Zentimeter größer war als sie selbst. Falls sie mich auch entdeckt hatte, zeigte sie es nicht. Ihr Blick triefte wie immer vor Abneigung gegen die ganze Welt und die Sünder, die sie besiedelten – oder so ähnlich. Dann begann ihr Freund zu reden. Irgendwas völlig Unbedeutendes, absolut nicht Weltenveränderndes. Aber sie drehte ihren Kopf in seine Richtung und lächelte. In diesem Moment verlor sie all ihre Kratzbürstigkeit, all die Negativität hatte keinen Platz mehr in ihr.

Ich schätze, das muss Liebe sein.

-

„Das war bis jetzt deine beste Definition von Liebe", meinte Nicky. Schon ironisch, dass sie gar nicht von Ben und Ally selbst handelte – fand zumindest Nicky. Aber vermutlich war es häufig einfacher, die Gefühle anderer in Worte zu fassen als die eigenen.

-

Nach Hause zu kommen, hatte immer etwas Tröstliches an sich. Es fühlte sich ein wenig so an, als würde man am kältesten Wintertag von draußen in einen warmen, windgeschützten Raum treten. Plötzlich spürt man seine Beine und Arme wieder und man kann die Hände aus den Jackentaschen nehmen, ohne dass sie sofort abfallen.

So fühlte ich mich auch an diesem Wochenende, als ich – frisch in unserer Kleinstadt angekommen – durch die Türen der Bäckerei trat, die direkt mit unserem Haus verbunden war. Ich ging weiter in die Küche, wo schon eine halbe Erdbeercremetorte und eine Kanne Kaffee bereit standen. Und meine wenig begeistert dreinschauende Mutter.

„Das wird aber auch Zeit! Du warst wirklich schon mal pünktlicher, Ben." Ihr Blick ruhte demonstrativ auf der Uhr statt auf mir.

„Tut mir leid, dass der Bus eine Verspätung hatte?" Ich sagte es mehr als Frage. Voller Vorsicht, versteht sich. In diesem nervösen Zustand durfte man Mums Nerven nicht noch mehr strapazieren.

„Gut, setz dich." Endlich sah sie mich an und ein kleines Lächeln huschte auf ihre Lippen. „Schön, dass du mal wieder da bist. Es ist nur..."

„Die Inspiration?" Ich verkniff mir den Ausdruck „Muse", weil ich wusste, dass meine Mutter dieses Wort hasste.

„Genau. Inspiration."

Mum war Künstlerin und soweit ich das neulich am Telefon verstanden hatte, versuchte sie sich gerade an Bildhauerei. Aber seit ein paar Tagen ging einfach nichts mehr voran – allerdings wies ihr jetziger Zustand darauf hin, dass sie einen Einfall gehabt hatte, den sie meinetwegen noch nicht umgesetzt hatte. Kein Wunder, dass sie gestresst war. Sie wollte so schnell wie möglich zurück in ihr Atelier und am besten die ganze Nacht lang durcharbeiten. Ihr heimgekehrter Sohn – ich – war verhältnismäßig keine große Sache.

„Fiona, komm runter! Ben ist da", rief sie meiner Schwester in den oberen Stock zu.

Wenig später hörte man ihre leisen Schritte auf der Treppe. „Hey, kleiner Bruder", sagte sie und wuschelte mir durchs Haar. „Uhhhhh. Es gibt noch was von der Erdbeercreme?" Und schon war ich vergessen.

Wie schön es zuhause doch sein konnte.

Aber die fantastische Torte und eine große Tasse Kaffee ließen mich über die äußerst nette Begrüßung hinwegkommen. Fiona erzählte währenddessen von dem Konzert, auf dem sie vor zwei Wochen war. Zu fragen, ob es ihr gefallen hatte, war gar nicht nötig. Ihre Augen sprachen Bände. „Als sie dann ‚For Fiona' gespielt haben, hab ich absolut alles andere vergessen. ‚No Use For A Name' ist die beste Band der Welt!", schwärmte sie weiter.

„Du magst sie doch nur, weil dein Name in dem Lied vorkommt", warf ich ein, um sie zu ärgern.

„Gar nicht wahr! Hast du jemals was von ihnen gehört? Sie sind wirklich WIRKLICH gut. Du hast einfach keine Ahnung." Als sie auch noch die Zunge rausstreckte, war das Bild eines zwölfjährigen Groupies perfekt.

„Ja, klar. Und weil das deine Meinung ist, machen sie natürlich als einzige Band überhaupt gute Musik."

„Versucht Ben schon wieder über Musik zu reden, obwohl jeder weiß, dass er sich damit nicht auskennt?", mischte sich plötzlich mein Vater ein, der gerade erst die Küche betreten hatte. Die beiden waren Verbündete im Familienkrieg – ich hatte da mit Mum eher weniger Unterstützung. Sie war wohl so was wie die Schweiz, während Fiona und Dad an der Front auf mich losgingen.

„Du hast es erfasst, Dad", stimmte ihm Fiona zu.

„Bleib bei dem, was du kannst, Ben", riet mir mein Vater.

„Und das wäre?", kam es sofort von Fiona.

„Hm... Also naja. Er kann... ähhh... du weißt schon, er ist gut in... Ähm."

„Danke, Dad." Ich lachte, stopfte mir einen weiteren Bissen Erdbeercremetorte in den Mund und unterdrückte ein Seufzen.

So ging das noch eine Weile weiter, bevor Mum aufsprang, wie ein kopfloses Huhn im Kreis rannte und Zeug zusammenkramte, dass sie mit in ihr Atelier nehmen wollte. Ich verzog mich in mein Zimmer und schmiss mich auf mein Bett. Die durchgelegene Matratze gab unter meinem Gewicht viel mehr nach, als ich es gewohnt war. Mein Blick glitt über die Wände, an denen einige Fotos hingen, über das Regal, das mit DVDs vollgestopft war und zu meinem Schreibtisch, den ich kaum benutzt hatte. Schon komisch, wie sehr man sich von solchen Dingen entfernen kann, aber kaum ist man zurück, kommt auch ein Haufen Erinnerungen wieder.

Das Handy in meiner Hosentasche vibrierte und mein Puls beschleunigte sich sofort, als ich Allys Namen am Display las. Einmal tief ein- und ausatmen.

„Hey?" Wahrscheinlich konnte man mein Grinsen allein in diesem einen Wort hören.

„Hey, Hunter. Wie geht's?" Ganz egal, von welcher Band mich Fiona auch überzeugen wöllte, ich hätte Allys Stimme jeder anderen vorgezogen.

„Gull." Hatte ich das gerade wirklich gesagt? „Ich meine... Gut. Und Toll." Sie lachte. „Ja... Dir?"

„Auch gull. Die Prüfung heute war gull, denke ich", meinte sie.

„Was hab ich dir gesagt? Du hättest dir also ruhig ein wenig Freizeit gönnen können."

„Vielleicht nächstes Mal. Hast du Lust, heute noch was zu unternehmen? Ich muss meinen Sieg doch irgendwie feiern."

Verdammt. Verdammt, verdammt, verdammt.

„Wenn du nicht zufällig Lust hast, nach Seening zu fahren, befürchte ich, daraus wird nichts." Ich presste die Lippen aufeinander und schloss die Augen. Wieso konnte man sich noch nicht teleportieren? Scheiß Technik.

„Was machst du in Seening?" Sie runzelte die Stirn – so stellte ich sie mir zumindest vor.

„Meine geheime Geliebte besuchen, von der du nichts wissen sollst", antwortete ich sarkastisch. „Deshalb erzähle ich dir auch gerade von ihr."

„Sehr clever, Hunter. Ich gratuliere zu deiner Strategie. Du wärst sicher kein guter Ninja."

„Wie kannst du so was sagen?" Gespielt empört schnappte ich nach Luft.

„Das geht ganz leicht, wenn man den Mund mal offen hat."

Ich schnaubte amüsiert. „Ich bin eigentlich aus Seening – hab ich dir das nicht erzählt? Also jetzt im Moment besuche ich meine Eltern und meine Schwester."

„Oh." War das Enttäuschung? Wirkliche ehrliche Enttäuschung darüber, dass ich mich nicht in derselben Stadt wie Ally aufhielt? „Ich schätze, dann müssen wir das verschieben. Und ich will dich gar nicht länger aufhalten..."

„Tust du nicht", warf ich sofort ein.

„Trotzdem. Ich will nicht, dass deine Familie meinetwegen weniger von dir hat. Sie sollen mich doch mögen, oder? Also... würde ich sagen, wir legen auf?"

„Sie würden dich wahrscheinlich mehr mögen als mich, wenn sie dich kennen würden." Wieder nur ein Lachen als Antwort. Obwohl nur nicht richtig ausgedrückt war. Ihr Lachen war mehr wert als die meisten Worte. „Aber wir holen das definitiv nach, darauf kannst du dich verlassen."

„Was hab ich mir da eigentlich wieder eingebrockt, Hunter?" Ally seufzte theatralisch. „Bis irgendwann."

„Bis irgendwann."

Damit beendeten wir das Gespräch.

„Wer war das?" Fiona stand in meinem Türrahmen. Oh Gott. „Ich kenne diesen Blick! Du willst mir eigentlich irgendwas erzählen, hast aber die dumme Angst, dass du es bereuen wirst, wenn ich es mal weiß. Was ist es?" Damit begann wohl das Verhör.

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Ich hab euch mal den Link zu "For Fiona" hinzugefügt, falls es irgendjemanden interessiert ^^ Ich mag "No Use For A Name" wirklich gerne - auch wenn ich sie erst seit heute richtig kenne und auch wenn sie nicht mehr aktiv sind, weil der Frontmann nicht mehr lebt. Sie verdienen in meinen Augen mehr Aufmerksamkeit. 

Wie immer danke fürs Lesen! :)

~KnownAsTheUnknown

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