Am liebsten wäre ich nie wieder aus der Kajüte gegangen und hätte mich dort drinnen zusammen mit Jack verschanzt. Doch natürlich wusste ich, dass das nicht funktionieren konnte. Als wir an Deck gingen hing der Nebel in der Luft. Die Schiffe der Piratenfürsten hatten sich nebeneinander aufgereiht. Bereit ihrem Feind gegenüber zu stehen. Ich stellte mich zwischen die Menge. Schweigend. Spührte Jacks Anwesenheit neben mir, mied allerdings seinen Blick.
Alle sahen durch den Nebel, warteten auf die East India Trading Company.
„Der Feind ist da, greifen wir an!", rief Marty.
Alle hoben ihre Gewehre oder Schwerter und stießen einen jubelnden Kampfgeschrei aus.
Ich stellte mich auf die Zehenspitzen und sah den Umriss eines Schiffes aus dem Nebel auftauchen. Dicht gefolgt von mehreren anderen Schiffen. Mir viel der Mund auf. Es waren viel zu viele. Das bemerkten auch bald alle anderen und die Schreie verstummten. Ängstliches, ungläubiges, feiges Schweigen machte platz.
Ein paar Das-war-deine-bescheuerte-Idee-Blicke flogen neben mich zu Jack. Dieser versuchte ein Grinsen und murmelte: „Parley?"
Ich stand noch immer schweigend da. Auch als es hieß sie wollten sich auf einer kleinen Insel treffen. Und Jack sich zusammen mit Barbossa und Lizzy in ein Beiboot setzte, schwieg ich. Bemerkte seinen Blick auf mir. Nur flüchtig sah ich ihn Norrington und... Will!!
Neugierig verfolgte ich das Geschehen. Hätte liebend gerne verstanden über was sie sich unterhielten. Dann hielt Norrington einen Gegenstand nach oben. Erst auf den zweiten Blick erkannte ich Jacks Kompass. Ich runzelte irritiert die Stirn. Jack fing seinen Kompass auf und steckte ihn wahrscheinlich wieder ein. Dann unterhielten sie sich weiter. Aber über was. Und mit einemmal zog Barbossa sein Schwert und schlug in richtung Jack aus. Ich schnappte nach Luft. Hilflos an der Reling stehend beobachtete ich das treiben und sah wie Will und Jack die Plätze tauschten. Die Seiten wechselten...
„Was...", murmelte ich fassungslos. Was war denn jetzt los? Wieso hatten sie das gemacht? Über was haben sie gesprochen?
Sobald der erste aus dem Beiboot wieder an Bord angekommen war überfiel ich ihn mit fragen.
„Wo ist Jack? Über was habt ihr geredet? Was ist passiert?", warf ich Barbossa all die Fragen an den Kopf.
Er warf mir einen kurzen verächtlichen Blick zu und ohne auf meine Fragen einzugehen, sagte er etwas zu einem Crewmitglied. Ich schnaubte.
Lizzy tauchte zusammen mit Will an Deck auf. Will funkelte ich an. Lizzy bekam einen auffordernden Blick.
„Wo ist Jack?", fragte ich erneut. „Wieso ist er auf der anderen Seite?"
Er will das Herz erstechen.... Antwortete mir eine Innere Stimme.
„Er wird wiederkommen.", meinte Lizzy und wandte sich zu Barbossa. Nein, nicht wenn er das blöde Herz ersticht.
„Die Black Pearl wird unser Flaggschiff sein wenn wir angreifen.", bestimmte Lizzy.
„Ouh, wird sie das?", fragte Barbossa fast schon spöttisch.
„Barbossa, ihr dürft sie nicht befreien.", sagte Will eindringlich.
Erst jetzt sah ich Tia Dalma. Wie sie gefesselt von großen Seilen an Deck geführt wurde. Gleichzeitig zu dieser Erkenntnis hörte ich mehrere Pistolen klicken die sich auf mich, Will und Lizzy richteten. Verdammtes Piraten Pack, jeder verfolgt nur seinen eigenen Plan...
„Wir müssen Jack eine Chance geben.", meinte Lizzy.
„Ich bitte um Verzeihung, Majestät. Viel zu lange hatte ich keinen Einfluss auf das Schicksal. Das hat ein Ende." Mit diesen Worten riss Barbossa ihr eine Kette vom Hals. Die Realismünze von Sao Feng.
„Was ist mit Jack?" Ich wollte einen Schritt auf Barbossa zu machen, doch eine Hand um meinen Arm hielt mich zurück.
Barbossa ignorierte mich wieder.
„Er hat irgendeinen Plan. Und vielleicht sogar einen guten.", raunte Will mir zu.
Toll, wenn dieser Plan bedeutet sich an die Dutchman zu binden... Ich sah auf den Boden. Bemerkte Wills Blick und ließ meinen auf seinen treffen. Er wusste an was ich dachte. Immerhin wusste er, das ich das Gespräch zwischen den beiden mitbekommen hatte.
Ich konzentrierte mich auf das hier und jetzt und beobachtete wieder Barbossa, der zwei weitere Gegenstände in die Schale mit jetzt anscheinend allen Realismünzen fallen ließ.
„Gibt es dafür eine Art Ritus – so eine Beschwörungsformel?", fragte Gibbs.
„Aye.", nickte Barbossa. „Die Objekte wurden zusammengetragen. Erledigt. Die Objekte müssen verbrannt werden. Und jemand muss die Worte sprechen: Calypso, ich erlöse dich von deinem Menschlichen Bande."
„Das ist alles?", hakte Pintel nach.
„Es heißt, die Worte müssen mit Liebe gesprochen werden.", fügte Barbossa hinzu. Er hob einen rauchenden Stab in die Luft und sagte laut: „Calypso, ich erlöse dich von deinem menschlichen Bande."
Dann hielt er den Rauchenden Stab in die Schale, doch nichts passierte. Mit großen Augen sah ich zu Tia Dalma. Auch hier keine Veränderung.
„War's das jetzt?", fragte Pintel.
„Nein nein nein. Er hat's nichts richtig gesagt.", meinte Ragetti.
Barbossa sah ihn schweigend an.
„Er hat-", sprach Ragetti weiter. „Er hat- es muss richtig gesagt werden." Er drehte sich zu Tia Damla. „Ca-Calypso..." Er beugte sich näher zu ihr. „Ich erlöse dich von deinem Menschlichen Bande."
Tia Dalma warf den Kopf zurück. Mit einemmal entflammte ein Feuer in der Schale. Lilaner Dunst welcher aufstieg, sog Tia Dalma durch die Nase ein wie ein Überlebenselexsier. Was es für Calypso ja auch irgendwie ist.
Neben mir kam bewegung ins Spiel. Will kämpfte sich einen Weg nach vorn. „Tia Dalma!"
Keine Reaktion. Eine Pistole neben Wills Kopf. Ich hielt die Luft an.
„Calypso.", hauchte er.
Calypso's Kopf ruckte zu uns herüber. Die Schale viel auf den Boden. „Als dich damals der Hohe Rat der Bruderschaft bannte, wer war es der ihnen dabei half?" Will sprach schnell. Als hätte er Angst bald nichts mehr sagen zu können. „Wer war es der dich verraten hat?"
„Von wem sprichst du?", fauchte sie. Ihre Stimme klang verzerrt. Ich zuckte zurück.
„Davy Jones.", sprach es Will aus.
Tia Dalmas Gesicht verzerrte sich, es sah aus als müsste sie weinen. Gleichzeitig wuchs sie. Wurde zu einem Menschlichen Riesen. Ich wich einen Schritt zurück, doch wieder war die Hand auf meinem Arm. Die Crew versuchte die Seile fest zu halten. Ich legte den Kopf in den Nacken.
„Calypso!", rief Barbossa. „Ich trete als dein Diener vor dich."
Mit einemmal hatten sich alle neben mir hingekniet und ich folgte ihrem Beispiel schnell.
„Demütig und voller Reue. Ich erfüllte Treu meinen Schwur. Und jetzt erflehe ich deine Gunst. Verschone mich, mein Schiff, meine Crew. Aber entlade deinen Zorn über jene die sich anmaßen dich beherrschen zu wollen. Oder mich."
Stille. Erwartend blickte ich hoch zu Tia Dalma. Und dann begann sie zu schreien. Brüllen. Unverständliche Echote Wörter. Ich stand schnell auf und wich weiter zurück, schlug die Hand an meinem Arm ab. Fassungslos beobachtete ich wie sich Tia Dlama langsam in mehrere tausende Krabben auflöste die ins Meer und auf das Deck flogen. Der Kraken war ja schon etwas gewesen was man in meinem Jahrhundert nur aus Filmen und Büchern kannte, aber das hier war noch extremer. Und ich hielt die echte Tia Dalma schon für Gruselig.
Lautes gekreische Begleitete die Krabben. Ich rettete mich hoch zum Steuerrad. Als auch die letzten Krabben im Meer gelandet waren sah ich mich um, suchte Will und Lizzy. Alle standen an der Reling. Ein Wind zog auf, ein Hut flog nach oben in den Himmel. Warte mal, nach oben? Der Wind kam von unten?!
Eine mysteriöse Stille machte sich breit. Nur der Wind rauschte durch die Mäste und Segel.
„Es ist noch nicht vorbei.", stellte Lizzy fest.
Will stellte sich dazu. „Uns steht noch der große Kampf bevor."
„Wir haben eine große Armee gegen uns. Und auch gegen die Dutchman haben wir keine Chance.", meinte Gibbs.
„Eine geschwindend geringe Chance.", kommentierte Lizzy.
„Rache bringt Euren Vater nicht wieder zurück, Miss Swann. Und ich habe nicht vor mein Leben dafür zu lassen.", mischte sich auch Barbossa ein.
Ich stand schweigend an der Reling und sah hinüber zur Dutchman.
„Ihr habt recht, wofür ist es denn wert zu sterben?", drang Lizzys Stimme an mein Ohr. „Ihr werdet mir jetzt zuhören. Hört zu!" Sei stellte sich auf die Reling, hielt sich mit einer Hand an einem der Seile fest. „Die Bruderschaft hat sich versammelt und wartet auf uns, darauf das die Black Pearl uns anführt. Und was werden sie sehen? Verängstigte Kielratten an Bord eines varoten Schiffs? Nein! Sie werden freie Männer sehen. Und Freiheit! Und der Feind wird das Feuer unserer Kanonen sehen. Er wird das rasseln unserer Schwerter hören. Und er wird wissen wozu wir fähig sind! Mit aller Kraft die wir aufbringen und im Schweiße unseres Angesichts, und mit Mut in unseren Herzen! Gentleman, hisst die Flaggen."
Jubel. Schwerter in der Luft. Lizzys Ruf zu den anderen Schiffen. „Hisst die Flaggen!"
Es ging los.