Morgenwind - die fliegende St...

By dell_a_story

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Die 25-jährige Emma arbeitet in einer Boutique, kümmert sich um ihre kranke Mutter und hat die Hoffnung auf e... More

1. Späte Kundschaft [1]
1. Späte Kundschaft [2]
2. Oben
3. Jäger in der Nacht [1]
3. Jäger in der Nacht [2]
4. Neue Freunde, alte Feinde [1]
4. Neue Freunde, alte Feinde [2]
5. Das Mädchen und der Dämon
6. Die Legende der Morgenwind
7. Die Prinzessin [1]
7. Die Prinzessin [2]
8. In den Untergrund
9. Die Last der Verantwortung [2]
10. Freundinnen [1]
10. Freundinnen [2]
11. Der Tod und die Morgenwind
12. Mein Lehrer, der Werwolf [1]
12. Mein Lehrer, der Werwolf [2]
13. E-Doppel-M-A [1]
13. E-Doppel-M-A [2]
14. Die dämonische Kränkung [1]
14. Die dämonische Kränkung [2]
15. Das Lebkuchenhaus [1]
15. Das Lebkuchenhaus [2]
16. Familienbande
17. Ein Date mit dem Baron
18. Das Lichterfest [1]
18. Das Lichterfest [2]
19. Wasser
20. Feuer
21. In Ungnade gefallen [1]
21. In Ungnade gefallen [2]
22. Über den Regenbogen [1]
22. Über den Regenbogen [2]
23. Plutos [1]
23. Plutos [2]
24. General Orel Erelis [1]
24. General Orel Erelis [2]
25. Der Untergang der Morgenwind
26. Kriegsopfer
27. Der Einäscherer [1]
27. Der Einäscherer [2]
28. Schlaflos [1]
28. Schlaflos [2]
29. Die Bestimmung [1]
29. Die Bestimmung [2]
30. Noblesse oblige [1]
30. Noblesse oblige [2]
31. Die Zukunft der Morgenwind [1]
31. Die Zukunft der Morgenwind [2]

9. Die Last der Verantwortung [1]

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By dell_a_story

Emma trat an Derrick vorbei und öffnete die Tür. Dahinter lag eine große Halle, die wie ein Abfluss geformt war. Der Boden im Zentrum der Halle und auch die Decke über ihren Köpfen bestanden aus einem engmaschigen Metallgitter. Wasserflecken hatten wellenartige Muster an die Wände gemalt. Alles war noch feuchter und rostiger als im Rest der Unterstadt.

Auf dem Boden, der sich zur Mitte der Halle hin neigte, hockten zahlreiche Menschen und Wesen. Alle redeten wild durcheinander. Es war wie bei einer Schulklasse, die auf ihren Lehrer wartete. Kilian und Kamilla standen im Zentrum der Halle und sprachen leise miteinander. Eigentlich war es Kamilla, die sprach. Kilian stand nur dabei und starrte mit düsterem Blick an die gegenüberliegende Wand. Karel und Klarissa saßen ganz in der Nähe ihrer Geschwister. Sie hatten die Köpfe zusammengesteckt und achteten kaum auf das Geschehen um sie herum.

»Komm mit«, sagte Derrick und zog Emma am Rand der Halle entlang.

Schließlich fanden sie einen freien Platz und setzten sich auf den abschüssigen Boden. Ein paar Meter weiter saßen Joseph und Laurent. Nach kurzem Schnuppern hatte Laurent ihre Anwesenheit bemerkt, drehte sich um und winkte ihnen zu. Emma erwiderte den Gruß.

»Was hat es eigentlich mit Joseph auf sich?«, fragte sie, während sie beobachtete, wie sich Joseph mit einem ihr unbekannten Mann in Zeichensprache unterhielt. Es war schon das zweite Mal, dass sie sah, wie Joseph mit den Händen kommunizierte.

»Joseph ist ein wenig blind und taub«, antwortete Derrick. »Als Kanonier gehört das zum Berufsrisiko«. Er nahm einen Schluck aus seinem Flachmann. »Normalerweise hört und sieht er ganz gut, aber wenn es um ihn herum sehr hell oder sehr laut ist, versagen seine Sinne.« Derrick deutete mit einem Kopfnicken auf Josephs Gesprächspartner. Der Mann war von schmächtiger Statur und wirkte rundherum unauffällig. Mit seiner Topf-Frisur und der dicken Brille erinnerte er Emma an ein Bild ihres Vaters aus den 70er Jahren. »Das ist Sebastian«, erklärte Derrick. »Er ist so etwas wie unser Geistlicher.«

»Du meinst, ein Priester?«

»Nein«, antwortete Derrick und nahm einen weiteren Schluck. »Jedenfalls nicht nur. Er ist gleichzeitig auch Pfarrer, Rabbi, Imam ... eben ein geistlicher Lehrer für alle Lebens- und Glaubenslagen.«

»Weil es auf der Morgenwind so viele verschiedene Gläubige gibt?«

Derrick klopfte ihr auf die Schulter. »Ganz genau. Sieh dich doch einfach mal um.« Er deutete auf Savannah und Rasputin, die am gegenüberliegenden Ende der Halle auf dem Boden hockten. Savannah wiegte ihr schlafendes Kind im Arm. Rasputin unterhielt sich mit einer etwas molligen Frau, die in eine weiße Toga gehüllt war. »Savannah ist Mormonin«, sagte Derrick. »Rasputin ist katholisch.«

»Er ist ein Dämon«, grollte Emma.

»Nun, er nimmt das mit der Religion eben sehr ernst«, erwiderte Derrick. »Du wärst vermutlich überrascht.«

Emma schnaubte. »Oh ja, besonders das sechste Gebot. Das nimmt er sehr ernst.«

»Wie gesagt«, seufzte Derrick. »Du wärst wahrscheinlich überrascht.« Dann deutete er auf die Frau in der Toga. »Das ist Lusine, ein Wassergeist. Sie glaubt an die alten Götter ihrer Zeit.«

Derricks Blick wanderte zu einer asiatisch aussehenden Frau, die Emma als Masumi aus der Boutique wiedererkannte. Neben ihr saß Belle, die noch genauso puppenhaft aussah, wie bei ihrer ersten Begegnung. »Masumi glaubt an alle möglichen Naturgottheiten oder Kami

Neben Belle hockte ein kleiner, bärtiger Mann, eher ein Zwerg, der mehrere funkelnde Goldketten um den Hals trug. Auf seinem Kopf saß eine Kappe, die er verkehrt herum aufgesetzt hatte. »Das ist Harrod. Er glaubt an Gold und Edelsteine. Und an 2Pac.«

Bevor Emma etwas einwenden konnte, fuhr Derrick auch schon fort: »Die Frau da vorne, die mit den kupferroten Haaren, das ist Anoushka. Sie meinte mal, dass sie früher der russisch-orthodoxen Kirche angehört hätte, aber ich bin mir nicht sicher, ob das heute noch der Fall ist. Könnte mir vorstellen, dass die da sehr strenge Regeln im Umgang mit Hexen haben.«

»Schon gut«, sagte Emma. »Ich habe verstanden, worauf du hinauswillst.« Aus den Augenwinkeln sah sie, wie Hilde, Titus und Nori die Halle betraten. Sie setzten sich zu Miragel, der in ein Gespräch mit einem älteren Mann vertieft war. Der fremde Mann hatte einen langen, weißen Rauschebart.

»Was ist eigentlich mit der Prinzessin?«, fragte Emma.

Derrick schüttelte den Kopf. »Sie verlässt die Villa nicht. Niemals.«

»Aber was, wenn ihr Leben in Gefahr wäre?«

»Dann müsste Kilian sie wohl an den Haaren in den Untergrund zerren«, erwiderte Derrick achselzuckend. »Im Grunde wäre das dann seine Pflicht als Baron.« Er grinste. »Das würde ich zu gerne mal sehen.«

Emmas Blick suchte Kilian. Sie beneidete ihn kein Stück um seine Position als Baron. Nicht nur das Leben der Prinzessin lastete auf seinen Schultern, sondern auch die Leben aller Anwesenden - und natürlich die Leben all der Menschen und Wesen, die sich in den Schutzräumen versteckten. Trotz dieser schrecklichen Last stand er im Mittelpunkt der Halle, allen Befürchtungen und Hoffnungen ausgesetzt, und zeigte kein Anzeichen von Schwäche. Sein Vater musste ihn gut auf die Rolle als Baron vorbereitet haben. Wahrscheinlich schon von klein auf.

»Ich bitte um Ruhe«, sagte Kilian und die Gespräche in der Halle wurden leiser. Nach einigen Sekunden verstummten sie vollständig. Alle Augen richteten sich auf ihn.

»Vielen Dank«, ergänzte Kilian. Sein Blick schweifte über die Gesichter der Anwesenden. »Ihr alle seid Diejenigen, denen mein Vater am meisten vertraut hat - und denen auch ich am meisten vertraue.«

Emma presste die Lippen zusammen. Es musste schon etwas Besonderes sein, das Vertrauen des Barons gewonnen zu haben. Sie fragte sich, was die Einzelnen getan hatten, um sich diese Ehre zu verdienen. Vor allem Rasputin.

Der Dämon verfolgte Kilians Ansprache wie ein Unbeteiligter. Seine Miene war kaum zu deuten. Was Emma dagegen umso besser deuten konnte, waren Savannahs anhimmelnde Blicke. Man konnte wirklich meinen, sie wäre Hals über Kopf in ihn verknallt. Es sah jedoch nicht so aus, als würde Rasputin diese Gefühle erwidern. Er beachtete Savannah und sein Kind kaum.

»Deswegen sollt ihr auch die Ersten sein, mit denen ich die Ereignisse des heutigen Tages bespreche«, fuhr Kilian fort. »Wie ihr sicher gesehen oder gehört habt, hat es einen Brand gegeben.«

Leises Gemurmel erhob sich. Derrick nahm einen geräuschvollen Schluck aus seinem Flachmann. Bei den Mengen, die er konsumierte, war es wohl ein Wunder, dass er noch nicht lallte oder alte Seemanns-Schmonzetten von sich gab, sofern er welche kannte.

»Ich kann euch jedoch beruhigen«, sagte Kilian. »Bei dem Feuer wurde zum Glück niemand verletzt.« Sein Blick traf den von Emma. Sie lächelte, aber er erwiderte es nicht. Wenn sie genauer darüber nachdachte, hatte sie ihn noch nie lächeln gesehen. »Allerdings wurde eines unserer Oberflächen-Lager schwer beschädigt«, ergänzte Kilian. »Um nicht zu sagen, es wurde vollständig zerstört.«

»Die Samen für einen ganzen Monat«, murmelte Derrick neben ihr und stöhnte leise.

Kilian erhob seine Stimme, um das lauter werdende Gemurmel zu übertönen. Anders als sein kleiner Bruder schien er kein Problem damit zu haben, vor größeren Gruppen zu sprechen. »Das bedeutet, wir werden vorerst noch nicht in höhere Sphären aufsteigen können. Stattdessen werde ich mich mit Derrick und Miragel darüber beraten, ob und wie wir diesen Verlust wieder gutmachen können.«

»Heißt das, wir müssen zurück in die untere Welt?«, fragte Savannah besorgt.

»Da kannst du drauf wetten!«, antwortete Belle an Kilians Stelle.

»Aber das ist v-viel zu gefährlich«, wandte Sebastian, der Priester, ein. »Die Megamon werden uns mit S-Sicherheit erneut aufspüren.«

»Wir haben noch Samen-Vorräte für zwei Pflanzintervalle«, sagte Miragel. »Aber dann können wir unseren ursprünglichen Plan, für mehrere Monate in die höheren Sphären aufzusteigen, vergessen.«

»Außerdem gibt es da noch Emma«, bemerkte Kilian mit Blick in ihre Richtung. »Ich habe ihr versprochen, sie so bald wie möglich wieder nach Hause zu bringen.«

Emma hielt den Atem an, als sich alle Augen ihr zuwandten.

»Dann bleiben wir hier«, schloss Derrick. »Wir bleiben hier, stocken unsere Vorräte auf, bringen Emma zurück nach Hause und verschwinden dann, ein paar Wochen später als geplant, in die höheren Sphären.«

Wochen?, dachte Emma. Sie hatte keine Wochen. Sie musste sich spätestens nach den Feiertagen wieder auf der Arbeit und bei ihren Freunden blicken lassen.

»Das bringt alles durcheinander«, sagte Miragel zerknirscht.

»Mir macht vielmehr Sorgen, dass wir nicht wissen, wer dieses Feuer gelegt hat«, bemerkte Laurent. »Es wurde doch gelegt, oder?«

»Das wissen wir noch nicht«, antwortete Derrick. »Es könnte auch einen Kurzschluss am zweiten Luftabwehrgeschütz gegeben haben.«

»Kann mir nicht vorstellen, dass es ein Kurzschluss war«, brummte Harrod, der Zwerg.

Kilian wandte sich an Laurent: »Es wäre sicher gut, wenn du dir die Gegend rund um das Lager mal ansehen könntest.«

Laurent nickte zustimmend. »Natürlich.«

»Die Unfälle häufen sich in letzter Zeit, nicht wahr?«, fragte Anoushka und legte eine Hand an ihr Kinn. Ihre langen Fingernägel waren blutrot lackiert. Sie trug einen Umhang aus glänzendem Satin, der sie vom Hals bis zu den spitzen Schuhen verhüllte.

Emma konnte sehen, wie sich Kilians Kiefer anspannte, doch noch bevor er etwas sagen konnte, mischte sich Rasputin in die Unterhaltung ein.

»Was willst du damit sagen?«, fragte er. Seine Stimme war tief und dröhnend - und ganz klar nicht menschlich.

Die Hexe klimperte affektiert mit den Wimpern. »Das sollte dir doch klar sein, oder?«

Rasputin setzte sich auf. Seine Augen funkelten angriffslustig. »Willst du mich etwa beschuldigen?«

»Lass es gut sein, Schatz«, flüsterte Savannah und legte ihm beruhigend eine Hand auf die Schulter, aber Rasputin ignorierte sie einfach.

»Wenn, dann hoffe ich, dass deine Anschuldigungen auf mehr beruhen, als auf einer albernen Glaskugeln oder ein paar billigen Kartentricks.«

Anoushka schlug ihren Umhang zurück und zückte einen kleinen Holzstock. Den Reaktionen aller Anwesenden nach zu urteilen, handelte es sich bei dem Stöckchen um einen echten Zauberstab. Beim Anblick des Stabs traten Kilian und Kamilla schützend vor ihre jüngeren Geschwister. Nori suchte hinter Hilde und Miragel Schutz, während Hilde eine Hand auf das Schwert an ihrem Gürtel legte und Miragel genervt mit den Augen rollte. Sebastian sprang auf und hob beide Arme, als wollte er einen wilden Löwen bändigen. Savannah drückte das Kind an ihre Brust und klammerte sich an Rasputin.

Derrick lehnte sich mit dem Rücken an die Wand und nahm einen weiteren Schluck aus seinem Flachmann. »Immer das Gleiche«, murmelte er.

»Ich werde dir noch zeigen, wie albern meine Glaskugel und wie billig meine Kartentricks sind«, zischte Anouska und richtete ihren Zauberstab auf Rasputin.

»Nicht!«, riefen Sebastian und Savannah gleichzeitig.

Rasputin wirkte nicht besonders beeindruckt. Er ballte eine Hand zur Faust und Emma glaubte zu sehen, wie Flammen zwischen seinen Fingern hervorzüngelten. Die Situation drohte endgültig zu eskalieren.

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