Winterfrost

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„Du wirst frei sein."
Lokis Stimme glich einem Flüstern. Seine eine Hand hatte er um das Kinn des ehemaligen Winter Soldiers gelegt, der erstaunlich ruhig und entspannt vor ihm kniete.
Seine andere Hand umklammerte sein Messer, welches auf Buckys Hals gerichtet war.
„Du wirst frei sein.", wiederholte Loki, leiser als zuvor.
In seinem Kopf wiederholten sich die Worte.
Er sagte sie auf wie ein Mantra.
Er wird frei sein.
Dennoch zögerte er.
Er wusste alles über Bucky, er kannte sein ganzes Leben, von Geburt an bis zu genau diesem Moment.
Aber er wusste nicht, warum er dem Braunhaarigen angeboten hatte, ihn zu erlösen.
Die andere Sache war natürlich, dass Bucky angenommen hatte, sonst wären sie ja nicht hier.
Loki schüttelte leicht den Kopf.
Einfach zustechen.
Zwei einfache Worte, eine einfache Tat. Er versuchte, das leichte Zittern in seiner Hand zu unterdrücken und holte aus, aber wenige Zentimeter vor Buckys Hals blieb die Klinge wie erstarrt stehen. Loki blinzelte.
Warum konnte er nicht einfach zustechen?
Er merkte, dass er seine Finger tief in die Haut am Kinn des vor ihm Knieenden gebohrt hatte, als wollte er ihn festhalten, obwohl er sich kein Stück bewegt hatte.
Eilig lockerte er seinen Griff.
Bucky fuhr sich vorsichtig über die langsam rot werdenden Stellen.
„Was ist?"
„Ich kann es nicht.", stellte Loki fest. Bucky stand auf und drehte sich zu ihm um.
Nachdenklich musterte er den etwas größeren schwarzhaarigen.
„Warum nicht?", fragte er leise.
„Weil du mir seltsamerweise ziemlich wichtig bist.", gab Loki ebenso leise zurück.
An dem verwirrten Blick aus den blauen Augen seines Gegenübers bemerkte er, dass er diesen Gedanken tatsächlich laut ausgesprochen hatte.
Bucky sagte dazu nichts, er blickte ihn nur schweigend an.
Loki hingegen schaute weg.
Überall hin, nur nicht zu ihm.
Er kam sich schwach vor in diesem Moment, weil er nicht den Mut aufbringen konnte, um zuzustechen. „Ich muss verrückt sein.", hörte er plötzlich Bucky murmeln und spürte im gleichen Augenblick etwas Kaltes an seiner Wange.
Nicht dass es ihn störte, er mochte die Kälte.
Verwirrt blickte er zu dem Mann vor ihm, dessen Gesicht auf einmal sehr nah war.
Dann beugte Bucky sich vorsichtig vor und legte seine Lippen auf Lokis, die Metallhand immer noch auf dessen Wange.
Es war nur eine ganz leichte Berührung, nur ein Hauch auf seinen Lippen, aber es jagte dem Schwarzhaarigen reihenweise Schauer über den Rücken. Als Bucky sich nach wenigen Sekunden wieder löste, ergriff er Lokis Messer und drückte es ihm wieder in die Hand.
„Tu es, bitte."
Loki nickte langsam und Bucky kniete sich erneut vor ihn.
Als der Schwarzhaarige aber erneut zögerte, griff er nach der Hand mit dem Messer und drückte sie leicht.
Loki schloss kurz die Augen und atmete tief ein.
Als der Druck von Buckys Hand verschwand, stach er zu, ohne noch einen Gedanken darüber zu verschwenden.
Er merkte, wie Buckys Körper erschlaffte, er sackte zusammen.
Loki ließ das Messer fallen und kniete sich neben ihn auf den Boden.
Er bemerkte wie etwas leicht kitzelnd über sein Gesicht lief.
Als er sich über die Wange wischte, waren seine Finger nass.
Er weinte?
Wegen dem Tod eines lächerlichen Menschen?
Allein ihn so zu bezeichnen schmerzte schrecklich.
Bucky war nicht einfach nur ein Mensch.
Er war irgendwie anders.
Und jetzt war er tot.
Aber er hatte es verdient, von seinem Leid erlöst zu werden.
Loki hatte ihm diesen Wunsch erfüllt. Bucky war jetzt frei.

~ Das Bild ist nicht von mir.

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