Winterfrost

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~ Das ist ein ganz alter WF Os, ich glaube der zweite, den ich jemals geschrieben habe (und er wurde nicht nochmal überarbeitet). Nicht wundern, falls er dir bekannt vorkommt, den hatte ich zuerst einzeln veröffentlicht. 

Blut, überall.
Dunkelrotes Blut, in großen Pfützen auf dem Boden, in hellen Spritzern an der Wand.
An seinen Händen.
Der Mann mit dem Metallarm saß zusammengesunken an eine Wand gelehnt und betrachtete das Chaos um ihn herum.
Der Raum war voller Unordnung. Möbelstücke waren umgeworfen, Vasen zerbrochen und die Scherben einer zerschlagenen Lampe lagen überall herum verteilt.
Was war hier passiert?
Wem gehörte das Blut?
Ein ungutes Gefühl stieg in ihm auf. Was wenn es seine Schuld war?
Alles, was hier passiert war?
Der Mann versuchte, sich zu erinnern.
Was hatte sich hier zugetragen?
Was hatte er getan?
Er wusste es nicht. Keine Antwort kam ihm in den Sinn.
Auf einmal waren da Schritte. Langsam, aber stetig näherten sie sich ihm, kamen in seine Richtung, bis ein Schatten auf ihn fiel.
Der Mann wollte nicht sehen, wer vor ihm stand und doch hob er langsam den Kopf.
Er kannte den Mann nicht, der ihn aus toten Augen anstarrte, während das Blut aus seiner aufgeschnittenen Kehle seinen Hals hinunterlief, das helle Hemd rot färbte und sich einen Weg zum Boden bahnte, wo es viel zu schnell eine neue dunkelrote Pfütze bildete.
Beide starrten sich für einen Moment an,dann tauchte hinter dem anderen Mann eine Frau auf.
Wie aus dem Nichts stand sie da, ihr feines Kleid war ebenso von Blut durchtränkt, ihre Augen genau so tot und leer, mit dem gleichen starren Blick.
Zu den beiden gesellte sich eine weitere Frau, dann ein Mann, es wurden immer mehr Leute.
Der Mann mit dem Metallarm beobachtete, wie sie immer wieder plötzlich auftauchten, sich hinter und nebeneinander stellten und ihn mit diesem grässlich starrendem Blick anschauten.
Warum starrten sie ihn so an?
Plötzlich durchzuckte die Erkenntnis wie ein elektrischer Schlag.
Er hatte sie alle umgebracht! Seinetwegen waren sie tot!
Als hätten sie seine Gedanken gehört, verzogen alle Menschen ihre Gesichter zu der gleichen vorwurfsvollen Miene und setzten sich synchron in Bewegung.
Schritt für Schritt kamen sie auf den Mann zu, welcher sich an die Wand drückte, die Hände um die Knie schlang und sich zwischen ihnen versteckte.
Er hatte das doch alles nicht gewollt! Der erste Mann streckte bereits seine blutverschmierte Hand aus, er war nur noch ein paar Zentimeter entfernt.
Die Frau tat das gleiche.
Sie sollten ihn in Ruhe lassen!
Es war doch nicht seine Schuld!
Oder doch?
„Geht ... bitte.", flüsterte der Mann. „Ich wollte das nicht."
Seine Stimme war nur ein Hauch und er fühlte sich, als würde er sich selber anlügen.
Und doch war irgendetwas an diesem Gefühl falsch.
Er hatte es getan, aber nicht mit Absicht.
Aber er hatte es getan.
Dann verlor er die Kontrolle über seine Emotionen.
Als er die kalte Hand seines ersten Opfers auf seinem Arm spürte lief ihm die erste Träne über die Wange. Der Mann griff mit seiner blutigen Hand fest zu, seine Fingernägel krallten sich in das Fleisch des Mannes mit dem Metallarm, der nur noch ein kraftlos zusammengesunkenes, weinendes Häufchen Elend war, welches zusammengerollt an der Wand kauerte.
Nun griff auch die Frau zu.
Beide zusammen zogen ihn hoch. „Lasst mich!"
Als er sprach klang seine Stimme heiser, ganz ungewohnt, auch leicht tränenerstickt.
Keiner seiner Opfer ließ los.
„Lasst mich los!"
Sie taten es nicht, stattdessen griffen auch die anderen nach ihm, suchten mit ihren toten Augen und dem vorwurfsvollen Blick seinen eigenen. Der Mann mit dem Metallarm zuckte und wollte sich losreißen, aber er wurde immer fester gepackt, die ganzen Menschen drängten sich immer enger um ihn.
Sie wollten ihn umbringen.
So wie er es mit ihnen gemacht hatte. Eiskalt ermordet.
Sie wollten sich rächen.
Mit einem letzten, leisen
„Es tut mir leid.", gab sich der Mann schließlich den Menschen hin, die ihren Kreis enger um ihn zogen und sich mit ihnen auch Dunkelheit um ihn ausbreitete.

Bucky schreckte schweißgebadet hoch, doch ehe er auch nur ein Geräusch machen konnte, legte sich eine eiskalte Hand auf seinem Mund. Reflexartig wollte er nach der nächstbesten Waffe greifen, aber eine eindringliche leise Stimme ließ ihn innehalten und die Augen aufmachen.
„Psst Darling. Es darf keiner wissen, dass du dich erinnerst. Okay?", flüsterte Loki.
Bucky nickte und sein Gegenüber zog seine Hand zurück.
„Was genau ist dir wieder eingefallen? Du hast im Schlaf geweint."
Bucky schluckte und schwieg.
Er wollte nicht schwach wirken, aber es war schon peinlich, dass ein Super Soldat im Schlaf weinte, weil er sich an alle seiner Opfer erinnerte.
Loki betrachtete ihn mitleidig, dann zog er ihn an sich, und Bucky klammerte sich haltsuchend an ihm fest.
Ein bisschen wie ein kleines Kind, das Angst vor Gewitter hatte.
Loki wusste, wie gebrochen sein Freund im Inneren war, das bewies jede Nacht, in der Bucky im Schlaf schrie oder weinte.
Er wäre gern mehr für ihn da, aber er konnte ihm nur so weit helfen wie er durfte.
Vielleicht verhielt sich Bucky wie ein ängstliches Kind, aber wer konnte es ihm verdenken?
Seine Zeit bei Hydra hatte ihn gezeichnet, und würde es immer wieder tun.
Er war allein gewesen, von aller Welt verlassen, allein mit seinen Emotionen, seinen Schuldgefühlen, mit seinem Schmerz.
Loki konnte ihm nur einen winzigen Teil von dem geben, was Bucky brauchte und auch verdiente.
Der Braunhaarige schluchzte leise auf und holte ihn aus seinen Gedanken zurück.
„Ich hab sie alle gesehen."
„Wen?"
„Jeden einzelnen. Sie sind alle tot. Meinetwegen.", murmelte Bucky.
Loki strich ihm vorsichtig durchs Haar.
Manchmal hatte er das Gefühl, dass sein Freund einfach nur aus Glas bestand, dass bei jeder noch so kleinen Berührung zerspringen konnte.
„Wegen mir sind auch viele Menschen gestorben. Aber es kann nun mal nicht mehr rückgängig gemacht werden.
Es ist okay, glaub mir Darling. Der erste Schritt ist, dass du dir selber verzeihst. Dann sehen die Dinge schon wieder komplett anders aus." Loki wusste wovon er sprach.
Bis er selber darüber hin weg gekommen war, was er getan hatte, war auch viel Zeit vergangen. „Warum geben sie dir keine Gehirnwäsche?", fragte Bucky leise. Er klang ein bisschen verschnupft, vom Weinen.
Aber seine Frage brachte Loki etwas durcheinander.
Wie kam er plötzlich darauf?
„Ich wehre mich nicht. Daran wird es wohl liegen Darling."
Bucky schwieg, hielt ihn immer noch umklammert.
Loki war kalt.
Bucky wusste, dass das irgendetwas mit den Kräften zu tun hatte, die er von Hydra bekommen hatte.
Auch wenn er es hasste eingefroren zu werden, gab ihm Lokis Kälte eine Art Gefühl der Sicherheit.
„Du solltest wieder versuchen zu schlafen Sweetheart. Du hast bald eine neue Mission."
„Ich will nicht schlafen.", flüsterte Bucky. „Sie kommen dann wieder."
„Tun sie nicht. Ich pass auf.", versprach Loki.
Bucky sah auf.
Er merkte bereits, wie die Müdigkeit wieder in seine Glieder kroch.
Loki lächelte aufmunternd und blickte seinem Gegenüber in die hellen blauen Augen.
Bei ihrer ersten Begegnung hatten sie nicht mal ansatzweise so hell gestrahlt wie jetzt.
Ein bisschen schien er Bucky doch zu helfen.
„Okay, ich versuche es."
„Richtig so."
Bucky kuschelte sich in seine Arme und binnen weniger Sekunden schlief er tatsächlich ein.
Loki strich ihm vorsichtig eine Haarsträhne hinter das Ohr und betrachtete den nun friedlich schlafenden Braunhaarigen. Hoffentlich blieben ihm heute weitere Alpträume erspart.
Schon vor einiger Zeit hatte er sich geschworen, dass er ihn hier raus bringen würde.
Irgendwann war die Chance da und er würde Bucky von Hydra wegbringen.
Er hatte all das nicht verdient und Loki würde sein Leben dafür geben, um ihn endgültig glücklich zu machen.

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