Newtmas

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„Newt!"
Thomas spürte, wie seine Stimme versagte.
Wie konnte das sein?
Was machte er hier?
Beim Klang seines Namens hob er den Kopf und warf einen Blick in Thomas Richtung.
Newt sah schlimmer aus, als er ihn in Erinnerung hatte.
Dunkle Linien überzogen seinen Körper und von seinen Lippen tropfte eine widerliche, schwarze Flüssigkeit.
Es war unverkennbar: er war wirklich nicht immun, sondern infiziert.
Dabei, zu sterben.
Thomas Knie wurden weich und er schwankte ein paar Schritte auf seinen Freund zu.
Erkannte er ihn?
War irgendwo, tief in dem Crank, noch der hinkende Hüter aus dem Labyrinth? Der mutige Lichter der die Brandwüste überlebt hatte?
Der für die Welt fiel zu gute Freund, der ihm immer zur Seite gestanden hatte?
War irgendwo in diesem Wesen noch der alte Newt, oder hatte das Virus sein Gehirn schon vollkommen aufgefressen?
Thomas betete, dass es nicht so war, während er vor Crank – Newt zum Stehen kam.
Er sah kein einziges Zeichen von Erkennung in den fast pechschwarzen Augen und es brach sein Herz.
„Newt, erkennst du mich? Ich bins, Thomas."
Seine Stimme war leise, erstickt und es fiel ihm so unglaublich schwer, zu sprechen.
Seine Zunge war so schwer wie Blei.
„Tommy?", flüsterte Newt.
Thomas nickte erleichtert.
„Ja! Ganz genau!"
„Wie sollte ich dich vergessen können, du Strunk?"
Thomas Herz klopfte schneller.
Er erinnerte sich noch an ihn!
Das war doch ein gutes Zeichen, oder? Als hätte Newt seine Gedanken gelesen, redete er weiter.
Aber seine Stimme veränderte sich. Plötzlich sprach er höhnisch und sah Thomas herablassend an.
„Oh ja, natürlich erinnere ich mich! Wegen dir haben wir die Lichtung verlassen und alles aufgegeben, was wir uns über die Jahre hart erarbeitet hatten!"
Er machte einen Schritt auf ihn zu und baute sich bedrohlich vor ihm auf. Thomas schluckte.
„Wegen dir, einem unerfahrenen Frischling, der eine verdammte Nacht im Labyrinth überlebt hat!
Und was haben wir nun davon?
So viele sind gestorben, haben ihr Leben gelassen, sich geopfert.
Und warum?
Weil Thomas den Helden spielen musste!"
Er lachte hysterisch.
Seine Worte verletzten Thomas.
Newt war nicht mehr er selbst.
Aber vielleicht lag irgendwo die Wahrheit in seinen Worten.
Vielleicht meinte er es ernst.
„Es ist deine Schuld Tommy.
Wegen dir bin ich, was ich jetzt bin." Newt deutete auf sich selbst.
„Ein Crank, ein Verrückter. Ich verliere den Verstand!"
Erneut schwang sein Ton plötzlich um, und auf einmal sah er traurig aus.
„Ich habe keine Angst vor dem Tod, Tommy."
Thomas sah ihn an, und bemerkte, dass sich Tränen in Newts Augen bildeten.
Sein sonst so sanftnütiges Gesicht war voller Verzweiflung.
„Dass ich mich verliere, an dieses Virus, jeden Tag mehr und mehr, davor hab ich Angst.
Ich bin nicht mehr ich."
Newt verstummte und starrte an Thomas vorbei.
„Newt, ich hab das nie gewollt.
Hätte ich gewusst, dass du nicht immun bist, dann . . ."
Ja, was dann?
Was hätte er tun sollen?
Tun können?
Auf der Lichtung bleiben und Gefahr laufen, von Griewern gefressen zu werden, da sich die Tore nicht mehr schlossen?
Tag für Tag im Gehöft zu sitzen, zitternd vor Angst und hoffen, dass es einen nicht erwischte?
Zusehen, wie immer mehr seiner Freunde von den Biestern aus Schleim und Metall verschleppt wurden?
„Oh, du hast es gewusst."
Thomas war augenblicklich zurück in der Realität.
Diesmal schwangen Bitterkeit und Hass in Newts Stimme.
„Du hast es gewusst.
Schon vergessen, du bist Teil von WCKD.
Du hast uns – mich – überhaupt da rein geschickt!"
Plötzlich holte Newt aus und schlug nach ihm.
Er erwischte Thomas am Kinn und er taumelte.
Schmerz durchzog seinen Kiefer.
„Es ist alles deine Schuld. Alles, Tommy, alles."
Damit drehte Newt sich um.
Er würde gehen, sich irgendwo unter die anderen Cranks mischen und später ganz einer von ihnen werden.
Thomas würde ihn nie wieder sehen.
Er hätte nie wieder die Gelegenheit, das zu tun, was er noch tun musste.
Er biss die Zähne zusammen, was angesichts seines schmerzenden Kiefers nicht die schlauste Aktion war, und richtete sich auf.
„Newt!", schrie er seinem Freund hinterher.
Dieser blieb stehen und drehte sich um. Und wartete.
Darauf, dass Thomas aussprach, was er wollte.
Stattdessen eilte der Läufer los.
Er rannte auf Newt zu, der ihm verwirrt entgegenblickte, und stoppte kurz vor ihm.
Thomas hatte zu viel Schwung, fiel nach vorne und schlang seine Arme fest um Newt.
Perplex stand dieser völlig regungslos da, begriff die Situation im ersten Moment überhaupt nicht.
„Newt, bitte, ich weiß, das alles meine Schuld ist.", sagte er und sah den Blonden flehend an.
Thomas merkte, dass er kurz davor war, in Tränen auszubrechen.
„Aber bevor wir uns nie, nie mehr wieder sehen, muss ich noch eine Sache tun! Bitte!"
Newt schwieg.
Thomas atmete tief ein.
Jetzt gab es kein Zurück mehr.
Er musste es durchziehen.
Er lehnte sich, fast in Zeitlupe, nach vorn, bis er mit seinen Lippen die von Newt berührte.
Er küsste ihn.
Thomas schmeckte das schwarze Zeug, als er zurückzog, aber es war ihm vollkommen egal.
Bevor er seinen Freund nie mehr wieder sehen würde, wollte er wenigstens einmal gespürt haben, wie es war, ihn zu küssen.
Newt starrte ihn an.
„Es tut mir wirklich leid, Newt. Aber Worte können Taten nicht ungeschehen machen.", Thomas trat einen Schritt zurück.
„Ich will nur, dass du weißt, dass ich dich liebe. Und ich dich nie vergessen werde."
Thomas ließ seinen Tränen freien Lauf, während er immer weiter zurück wich und sich dem Auto näherte, das noch immer mit laufendem Motor mitten auf der Straße stand.
Dann drehte er sich um, rannte die letzten Meter zurück und riss die Tür auf.
„Fahr!", schrie er, während er einstieg, völlig aufgelöst.
Er war ein Feigling.
So ein Feigling.
Er flüchtete und überließ Newt seinem Schicksal als Crank.
Er wusste, dass Newt ihm das nicht angetan hätte.
Er hätte auch den Mut gehabt, den Abzug zu drücken.
Thomas erinnerte sich an den kleinen Zettel, in dem er ihn gebeten hatte, ihn umzubringen.
Er hatte es nicht übers Herz gebracht. „Du hast da was."
Brenda deutete auf seinen Mund und drückte auf das Gaspedal.
Der Wagen raste los.
Thomas wischte das schwarze Zeug mit dem Handrücken weg.
Er war ja so ein Versager, ein schlechter Freund.
Newt hatte Angst, sich selbst an den Virus zu verlieren und wünschte er sich seinen eigenen Tod.
Jetzt musste er weiterleben, musste weiter jeden Tag mehr zum Crank werden und alles nur, weil Thomas ein Feigling war.
Erschöpft lehnte er seinen Kopf gegen die Fensterscheibe und schloss die Augen.
Newt hatte Recht.
Es war immer alles seine Schuld.

OneshotsWhere stories live. Discover now