Kapitel 57 - Fischreiher

267 44 24
                                    

~Noch Fragen?~, fragte Maia und sah jedem einzelnen kurz ins Gesicht.

~Außer, dass wir das alles lieber in der Nacht machen sollten? Jetzt sind wir jeglichen Blicken schutzlos ausgelierfert.~, meinte Lily mürrisch, während sie ihren Mantel enger um ihre Schultern zog.

Es war Mittag und die Wärme staute sich in der Hafenstadt Alicante nur so. Alec war mit Lily, Maia, einer Elbin Namens Helen und ihrem Bruder Mark schon am frühen Morgen von ihrem Lager die Meile nach Alicante gelaufen.

Sie waren diejenigen, die die Kompasse bergen sollten, was ja schon schwer genug wäre, aber sie hatten noch nicht einmal einen Plan wie sie das anstellen sollten. Natürlich hätten sie während ihres Fußmarschs einen genauen Plan entwickeln können, aber in dieser Zeit hatte niemand so wirklich daran gedacht.

Alec lächelte leicht, denn er machte sich zwar Sorgen, dass alles den Bach hinunter gehen könnte, aber immerhin war seine Gruppe sehr angenehm, wenn auch etwas verpeilt. Er fühlte sich wohl und das obwohl er eigentlich ein zurückgezogener Typ war.

~Aber das ist ja auch gerade die Idee. Heute ist Audienztag, da muss man uns sehen. Wir gehen durch den Haupteingang rein, schleichen uns in die Schatzkammer, holen die Kompasse und nutzen das Ablenkungsmanöver der anderen, um wieder zu verschwinden.~, erklärte Maia gespielt optimistisch.

~Das ist mir nicht ganz geheuer. Vielleicht sollten wir es doch lassen.~, warf Helen ein.

Sie war, wie Alec selbst, auch eher schüchtern, aber stets freundlich.

~Nur weil wir in den Palast gehen, heißt das noch lange nicht, dass du deiner "Brieffreundin" auch wirklich begegnen musst.~

~Lily!~ rief Helen entsetzt, während sie tiefrot wurde.
Mark lächelte leicht.
~Liebe findet ihren Weg.~, murmelte er, während er in den Himmel sah.

~Vielleicht mache ich mir auch Sorgen, dass wir von den Soldaten kontrolliert werden und nicht, weil ich Aline ...~
~Sie heißt also Aline?~, fragte Maia interessiert.

Helens Gesicht glich mittlerweile dem einer überreifen Tomate, doch sie nickte. Alec versuchte sich ein Grinsen zu verkneifen, denn er freute sich, dass es ausnahmsweise nicht er war, der rot wurde.

Anscheinend gelang es ihm aber nicht, denn Lily sagte spitz~Du musst gar nicht so grinsen. Dein Romeo wartet auch sehnlichst auf dich.~

Jetzt wurde auch Alec rot um die Nase und so gingen sie fröhlich schnatternd durch die belebten Straßen Alicantes auf den Palast zu.

Besagter Palast thronte auf einem grünen Hügel, von dem aus man bis zum Hafen am Fuße der Großstadt sehen konnte. Dennoch war Alicante vorwiegend für seine hohen Glastürme berühmt, die die Stadt umringten und die das Licht in nahezu alle Bestandteile brachen.

Alicante war wirklich schön, auch wenn es in den Straßen eng war und man sich leicht verlaufen konnte.

Irgendwann standen sie vor dem offenen Tor, durch welches viele Karren fuhren, aber auch Menschen liefen.
An den Seiten standen zwei Wachmänner, die jeden Besucher kontrollierten.

Alec schauderte leicht, denn er hatte gehofft, dass sie ohne Kontrolle in den Plast kamen.
Das Ablenkungsmanöver, welches die anderen im Lager vorbereitet hatten, ließ nämlich noch bis Punkt Mittag auf sich warten und jenes sollte ihnen eigentlich zur Flucht verhelfen und nicht dazu, dass sie erst in den Palast hineinkamen.
Diesen Teil mussten sie selbst erledigen und außer ihrem schwachen, kaum vorhandenen Plan, hatten sie nichts.

~Was machen wir jetzt? Ein Großteil von uns wird doch gesucht!~, zischte er fragend, als sich sich in die Reihe der Besucher eingliederten.

Dabei deutete er auf die Wand hinter den Wachmännern, die mit klassischen Wanted-Flyern nach dutzenden von Kleinkriminellen und Schattenweltlern suchten, von denen er bereits mindestens die Hälfte schon einmal gesehen hatte.

Das war aber nicht der Hauptgrund für seine Nervosität.
Auch nicht, dass er sein Gesicht auf einem der Zettel sah.

Nein, viel mehr war es die freudige Erwartung, Magnus wiederzusehen, die seine Innereien in Aufruhr versetzte.

~Ich bin keine Expertin, aber war das Wappen der Panhallows nicht ein Gebirge, oder einfach nur Berge?~
~Ja?~, meinte Helen mit einem fragenden Unterton, während sie den Kopf schief legte.

Dabei fielen ihr einige ihrer hellen Kringellocken ins Gesicht, doch sie ignorierte sie gekonnt.

~Warum prangt an der Mauer dann ein Fischreiher?~

Alec murmelte zustimmend, während sein Blick Lilys ausgestrecktem Finger folgte.

Tatsächlich.
Klein, beinahe unsichtbar, prangte auf der Sandsteinmauer in einiger Entfernung das Abbild eines Reihers, welches dort absolut nicht hingehörte.

Die Zahnräder seines Verstandes begannen sich zu drehen. Schneller und schneller bis er zu einer Lösung kam, die ihn überrascht nach Luft schnappen ließ.

Er griff nach der nächsten Hand und zog sie hinter sich her. Erst nach ein paar Schritten erkannte er, dass es Marks war, was natürlich nicht unbemerkt blieb.

~Fährt der werte Herr etwa zweigleisig? Ich bin wirklich positiv von Ihnen überrascht, Mr Lightwood.~, meinte Lily grinsend und pfiff anerkennend.

Alec verdrehte darüber nur die Augen, ging aber zielstrebig weiter, weg vom Haupteingang des Palstes und der langen Schlange, die sich dort gebildet hatte.

Leise Beleidigungen und Flüche teilten ihm mit, dass die anderen ihm durch das Gestrüb, welches vor der riesigen Steinmauer wucherte, folgten, was bei den langen Mänteln, die sie alle trugen, alles andere als einfach war. Aber er achtete gar nicht darauf. Auch nicht, als ein tiefhängender Ast ihm die Kapuze vom Kopf riss. So vertieft war er in die Spur, die ihm in Form von Reihern an der Steinwand den Weg wies.

Bald gelangten sie an eine morsche Tür auf der Rückseite des Palastes, die direkt in die Mauer eingelassen zu sein schien. Auch schien es, dass sie jahrelang nicht benutzt worden war, denn sie war beinahe vollkommen von Efeu und anderen Kletterpflanzen überwuchert.

Nun jedoch stand jene Tür so weit offen, dass man befürchten konnte, dass sie gleich aus den Angeln kippte. Und auf der Schwelle stand die Person, die Alec als letztes hier vermutet hätte.

Als er sie erkannte, gab es für ihn kein Halten mehr und er stürmte los.

Die Fünf Kompasse Der Kali (Malec)Tahanan ng mga kuwento. Tumuklas ngayon