Kapitel 16 - Die fünf Kompasse der Kali

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Das nächste Mal, als Alec die Augen öffnete, war am späten Vormittag.
Eigentlich war er ja ein Frühaufsteher, doch anscheinend hatte sich sein Körper so wohl gefühlt, dass sein innerer Wecker auf Autopilot geschaltet hatte.

Aber das machte ihm nichts aus. Im Gegenteil, er lächelte sogar, denn er genoss Magnus' Nähe in vollen Zügen, auch wenn ihm gerade furchtbar warm war.

Anscheinend hatten sie im Schlaf unwissentlich die Positionen getauscht, sodass nun Magnus seine Arme von hinten um ihn geschlungen und ihn an sich gepresst hatte. Er lag sogar eher auf Alec, als hinter ihm, denn er hatte besitzergreifend ein Bein über seine Hüfte geschlungen und sein Gesicht in Alecs Halsbeuge vergraben.
Dabei hatte er ihn fest umschlungen, ähnlich einem Kuscheltier, von dem er befürchtete, man würde es ihm wegnehmen, wenn er es losließ.
Er hätte Magnus nie für einen Kuscheltypen gehalten, aber dieser überraschte ihn ja ohnehin immer wieder.

Aber obwohl Alec es durchaus genoss, so umklammert zu werden, war ihm noch immer furchtbar warm, weshalb er Magnus vorsichtig von sich herunter schob und sich so in seinen Armen drehte, dass er ihn ansehen konnte -Magnus musste einen sehr tiefen Schlaf haben, um davon nicht wach zu werden.

Er sah so schön aus, wenn er schlief, so entspannt und unschuldig wie ein Engel, dem man kein Leid antun könnte.
Aber ihm wurde Leid angetan. Das bewiesen die Ereignisse des frühen Morgens und das machte Alec unglaublich wütend.

Wie konnte es jemand wagen, Magnus zu verletzen? Was hatte er einem denn getan, außer einfach wundervoll zu sein?

Er wusste es nicht und das steigerte seine Wut, aber auch seine Frustration.
Er konnte es nicht ertragen, wenn diejenigen litten, die ihm wichtig waren und für die er sich verantwortlich fühlte.

Dass Magnus ihm wichtig war, stand überhaupt nicht mehr zur Debatte, denn es war einfach so.

Also nahm er sich fest vor, diesen Engel zu beschützen. Vor allem, was das Schicksal zu bieten hatte, genauso wie er auch seine Geschwister schützte.
Nur musste er bei Magnus noch erfahren, wovor er ihn genau schützen musste, weshalb er beschloss, ihn sanft aus dem Schlaf zu holen.

Langsam fuhr er mit seiner Hand durch sein schwarzes Haar, welches, obwohl es täglich mit Haargel maltretiert wurde, unglaublich seidig und weich war.
Während Alec das tat -plötzlich konnte er verstehen, warum Magnus so gern mit seinen Haaren spielte, dieses Gefühl war einfach traumhaft-, verlor er sich in diesem wunderschönen und momentan sehr gelassenen Gesicht.

Sein Haut erinnerte Alec an Karamell, welches er einmal auf einem Markt in Alicante probiert hatte, und sie war genauso weich wie seine geschwungenen Lippen, die leicht zu lächeln schienen. Man konnte an seinen feinen Gesichtszügen deutlich erkennen, dass er ausländische Wurzeln hatte und er fragte sich, ob Magnus' Familie vielleicht teilweise sogar im Ausland lebte.

Alec hatte in seinem bisherigen Leben den Inselverbund, der im Allgemeinen die Schattenwelt genannt wurde, noch nie verlassen und er fragte sich, wie es wohl außerhalb aussah. Ob es wohl so etwas wie ein Festland gab?

Sein Blick blieb, wie so oft, an Magnus' Augen hängen, die ihn liebevoll ansahen.

Vor Überraschung vergaß er, seine Hand weiter zu bewegen, weshalb sie nun reglos in Magnus' Haaren verweilte.
~Mach weiter.~, murrte er mit vor Schlaf rauer Stimme, die Alec einen warmen Schauer über den Rücken jagte und ihn dazu veranlasste, seine Streicheleinheiten wieder aufzunehmen.

Magnus schloss genüsslich die Augen und kuschelte sich enger an ihn heran.
~Morgen.~
~Morgen.~, seufzte Magnus zur Antwort und drückte seine Nase tief in seine Halsbeuge.

~Hey, nicht wieder einschlafen!~
~Warum nicht? Es ist gerade so gemütlich und außerdem habe ich heute nichts vor.~
~Doch, das hast du. Du musst mir noch einige Dinge erklären.~

Augenblicklich erstarrte Magnus neben ihm und er bereute seine Worte etwas. Es war nämlich keinesfalls so, dass er das Kuscheln nicht genoss, aber er war schon immer ein neugieriger Mensch gewesen und Geduld war nicht gerade seine Stärke.

~Du hast recht~, gab er seufzend zu und drehte sich auf den Rücken, verschränkte aber seine Finger mit Alecs,~Ich muss dir erzählen, was es mit dem Kompass, sein Name ist übrigens Cupiditas, auf sich hat.~

~Und mit deinem Albtraum.~
~Eins nach dem anderen ~, bremste er Alec aus und fragte dann,~Hast du schon einmal den Namen Kali gehört?~
~Nein.~

Magnus seufzte erneut.
~Gut, dass wir heute nichts vorhaben, das wird eine lange Geschichtsstunde.~

Dann atmete er nochmals tief durch und begann dann, zu erzählen.

~Vor langer Zeit gab es mal eine mächtige Hexe namens Kali. Sie war so mächtig wie eine Göttin -sie soll auch so ausgesehen haben- und sie war die Herrscherin der See. Sie war sowohl die größte Liebe als auch die größte Angst eines jeden Seemanns. Sie war das Verderben und brachte nur Tod über die Menschen, aber gleichzeitig war sie auch der sehnlichste Wunsch vieler freier Herzen.
Aber im Inneren war sie kalt und erbarmungslos und irgendwann kam die Zeit, in der das Schlechte in ihr für die Menschen überwog und sie sie loswerden wollten. Denn nun strebten sie selbst danach, über die See zu herrschen und wollten sich nicht länger auf die Gunst einer temperamentvollen Frau verlassen. Aber Kali zu besiegen war schwer, weshalb die Menschen auch lange brauchten, bis sie auf die zündene Idee kamen, um sie zu vernichten. Fünf Männer unterschiedlichen Stammes taten sich zusammen und schafften es mithilfe eines Pentagramms auf der sagenumwobenen Insel Downworld-Island, einer alten Zauberformel und eines Blutopfers, Kali zu bannen. Dazu spalteten sie ihre Seele in fünf Teile und steckten jeden in einen Kompass, der daraufhin magisch wurde. Der Seelenteil, der in einem Kompass gefangen war, beeinflusste, wohin dieser führte, zur großen Liebe oder direkt in den eigenen Tod. Jeder dieser fünf Männer nahm einen Kompass an sich und schwor, diesen mit seinem Leben zu verteidigen, damit die Hexe auf ewig im dunklen Abgrund blieb. Diesen Eid nannte man das Abkommen. Aber mit der Zeit vergaß man diesen Eid und die Stämme, die man grob in Schattenjäger und Schattenwelter einteilen konnte, lebten sich auseinander. Die Schattenwelter verschrieben sich der Piraterie, was den Schattenjägern Sorgen bereitete. Sie glaubten, die Schattenwelter wollten Kali wiedererwecken, um sie zu vernichten, denn derjenige, der sie aus ihrem Verlies befreite, hatte einen Wunsch frei, egal welchen. Deshalb beschlossen sie, das zu verhindern, indem sie die vier Schattenwelterstämme angriffen, um an die Kompasse zu gelangen. Das war ein Verstoß gegen das Abkommen, weshalb nun wiederum die Schattenwelter glaubten, die Schattenjäger planten Kalis Erweckung. Es kam zu einem schrecklichen Krieg, in dem alle fünf Kompasse verloren gingen. Der Kampf ging zwar unentschieden aus, aber Frieden herrschte schon lange nicht mehr. Viele waren gestorben und somit waren viele Fehden geboren. Aber anstatt sich an einen Tisch zu setzen und friedlich zu verhandeln, begannen alle fieberhaft, nach den Kompassen zu suchen. Vier wurden gefunden, zwei von den Schattenjägern und zwei von den Schattenweltlern, aber der fünfte und mächtigste, der blieb verschollen ... bis jetzt.~

~Du willst mir damit also sagen, dass ich ...~
~Ja, du hast den fünften Kompass~, unterbrach Magnus ihn sanft,~Den Kompass des sehnlichsten Wunschs, nach dem alle trachten, um ihn für ihre Zwecke zu missbrauchen.~

~Ich stecke ziemlich tief in der Tinte, oder?~
~Das tun wir beide.~

Die Fünf Kompasse Der Kali (Malec)Where stories live. Discover now