Kapitel 13 - Kalte Schatten

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Alecs Vorhaben, die Konsequenzen für den Kuss und den daraus entstandenen Gefühlen für Magnus zu ertragen, verlief mehr schlecht als recht.

Er versuchte krampfhaft, nicht an seinen beruhigenden Duft zu denken oder wie zart sein erster Kuss gewesen war, bevor die Leidenschaft eingegriffen hatte. Er versuchte, nicht daran zu denken, wie Magnus ihn an sich gedrückt hatte oder wie seine Hände Alecs Rücken entlanggefahren waren.

Diese Erinnerungen schmerzten einfach nur, weil sie sein Herz blutige Tränen des Verlustes weinen ließen.

Allein der Gedanke, an diesem Abend wieder mit ihm in einem Bett zu schlafen, war unerträglich, weshalb er sich auch sehr viel Zeit ließ, als er wieder in Richtung ihres Zimmers ging. Alec hatte sich sogar freiwillig für den Küchendienst gemeldet, um Magnus so lange wie möglich aus dem Weg zu gehen, aber jetzt hatte er keine Wahl mehr. Hoffentlich schlief er schon.

Da die Schiffsküche -man sollte es wohl eher Lagerraum mit Sonderfunktion nennen- am anderem Ende des Schiffs lag, war Alecs Weg sehr lang und unweigerlich kam er an der Kapitänskajüte vorbei.
Eigentlich hätte es ihn nicht interessiert, aber als er eine bekannte Stimme durch die Tür hörte, blieb er wie angewurzelt stehen.

Magnus.
Bei dem Gedanken schlug sein Herz schneller, obwohl der Rest seines Körpers vor Schmerz zusammenzuckte.

Aber so sehr er es auch wollte, er konnte nicht weitergehen. Irgendeine unsichtbare Kraft schien ihn an Ort und Stelle zu halten.

Wie ferngesteuert trat er näher heran und presste sein Ohr gegen die Tür, um zu lauschen.
Dass das absolut unhöflich war, war ihm so was von egal.

In der Kabine war nicht nur
Magnus, sondern auch Camille. Das konnte er an ihrer singsangähnlichen Stimme mit dem Akzent erkennen.

~Was, Alexander? Er bedeutet mir genauso viel, wie du mir heute etwas bedeutest, nämlich rein gar nichts.~

Und das was der Moment, in dem Alecs erfrorenes Herz in tausend Stücke zerbrach.

/★★\

Magnus knirschte leise mit den Zähnen, als er an der Tür zu Camilles Zimmer klopfte.

Er hasste es, von ihr behandelt zu werden wie ein Schoßhund, den man problemlos zu sich zitieren konnte, wann immer man es wollte. Aber wenn er ihre Gunst nicht verlieren wollte, musste er nach ihren Regeln spielen und als Gast auf diesem Schiff brauchte er ihren Wohlwollen.

Dabei wäre er jetzt viel lieber in seinem Zimmer, um eine Überraschung für Alec vorzubereiten, aber das konnte er jetzt ja getrost vergessen.

~Herein.~

Mit gestrafften Schultern betrat er das Zimmer und schloss die Tür hinter sich.

Das Gemach war in Bordeaux und Schwarz gehalten, mit vereinzelt goldenen Akzenten.
Camille hatte es sich auf einem Divan bequem gemacht und trug bereits nur noch ein dünnes Seidenkleid, von dem er wusste, dass sie es zum Schlafen verwendete.

Ihre silberblonden Haare fielen ihr betont zufällig über die Schulter, genau wissend, dass sie ihm so ihren porzellanfarbenen Hals präsentierte. Sie hatte die Beine an sich gezogen, während sie sich auf der Armlehne des Divans abstützte, um möglichst unschuldig auszusehen und das tat sie ja auch.

Sie war so wunderschön wie eh und je und doch empfand er nichts mehr für sie. Sie erschien ihm eher wie ein Traum, den er vor langer Zeit mal geträumt und nun beinahe vergessen hatte, eine Erinnerung an unbeschwertere Zeiten.

~Du bist gekommen.~
~Witzig, als ob ich eine Wahl gehabt hätte~, bemerkte er mit aufgesetzter Fröhlichkeit, während er sich auf dem gegenüberliegenden Sessel niederließ,~Also was willst du von mir?~
~Warum denn so unfreundlich? Ich dachte, du liebst unsere Gespräche.~, meinte sie und schob sich gespielt gekränkt eine Haarsträhne hinters Ohr.

Alles an ihr wirkte so gestellt, ihre Position, der Ausdruck auf ihrem Gesicht, das unschuldige Lächeln und sogar das neugierige Funkeln in ihren smaragdgrünen Augen.

~Ich habe unsere Gespräche geliebt und vor allem den Teil danach, aber das war bevor du mich benutzt, verlassen und mir anschließend die Schuld an der Trennung in die Schuhe geschoben hast.~
~Aber du hast dich nicht gewehrt.~

~Hätte man mir denn geglaubt?~, stellte er die Gegenfrage,~Ich bin doch für alle nur der böse Betrüger und du die arme Frau, deren Unschuld ich genommen und sie daraufhin misshandelt habe. Wirklich klug eingefädelt, meine Liebe.~
~Sag bloß, du nimmst mir diese kleine Lüge noch immmer übel?~, fragte sie erstaunt und er verkniff sich ein Augenrollen.

Er hasste es, über seine Vergangenheit mit Camille zu reden. Er war ja so naiv gewesen! Aber eins hatte ihn diese Zeit auch gelehrt: Man durfte nie zu offen mit seinen Gefühlen umgehen, sonst war die Gefahr, ausgenutzt zu werden, mehr als hoch. Durch sie hatte er gelernt, zu lügen und anderen etwas vorzuspielen.
In ihrer Gegenwart konnte er völlig kalt und überheblich sein, ohne zu fürchten, sie damit zu verletzen, denn das würde er nie schaffen. Dazu waren ihre Schutzwälle zu hoch.

Früher war er blind für ihre Distanziertheit gewesen. Hatte sie gar erregend gefunden, jetzt zum Glück nicht mehr. Aber gleichzeitig sehnte er sich danach, zu gehen und friedlich in Alexanders Armen einzuschlafen.

Bei ihm musste er seine Schauspielkünste nicht auspacken und konnte versuchen, so zu sein wie er war. Er konnte sich problemlos fallen lassen und sicher sein, dass er ihn beschützem würde. So hatte er sich lange nicht mehr gefühlt.

~Ich nehme dir sehr wohl übel, was du mir angetan hast, aber darüber bin ich schon lange hinweg. Mich beschäftigt viel mehr, warum du mich jetzt herzitiert hast. Eigentlich müsstest du doch die Zeit ohne mich geniesen.~

~Das tue ich nicht. Im Gegenteil, ich vermisse die Zeit mit dir~, erklärte sie, während sie sich erhob und auf ihn zuschwebte wie eine Elfe,~Du etwa nicht?~
~Nein, ganz und gar nicht.~

Auch Magnus war aufgestanden und stellte sich nun hinter den Sessel, um diesen als Barriere zu missbrauchen.

~Es liegt an dem Neuen, dem kleinen Schwarzhaarigen, nicht? Er bedeutet dir etwas, oder?~, fragte sie und kniete sich auf den Sessel.

Ihr Kopf war auf einen Arm gestützt und mit der anderen Hand fuhr sie federleicht über Magnus' nackte Brust. Er erschauderte leicht, vor allem weil ihre Hand eiskalt schien.

~Was, Alexander? Er bedeutet mir genauso viel, wie du mir heute etwas bedeutest, nämlich rein gar nichts.~, entgegnete er und war stolz darauf, wie kalt seine Stimme klang.

In seinem Inneren sah es nämlich komplett anders aus. Dort tobte ein Sturm verschiedenster Gefühle: Wut, Schmerz, Vorsicht, Liebe.

Am liebsten hätte er ihr nämlich gesagt, dass ihm Alexander sehr wohl etwas bedeutete, aber das konnte er nicht. Camille würde ihn auseinandernehmen, wenn sie wüsste, dass er ihm wichtig war und das wollte Magnus nicht.

Also versuchte er, so gleichgültig wie möglich zu sein.
~Aha.~
~Wenn das alles ist, was du von mir wolltest, werde ich jetzt gehen.~, beschloss er genervt, denn dieses ganze Treffen war reine Zeitverschwendung gewesen.

Da sie nichts entgegnete, sondern nur kalt lächelte, machte er kehrt und schritt zu Tür.
Er öffnete sie schwungvoll und sein Herz blieb für einen Augenblick stehen.

Alexander.
Der Schwarzhaarige stand vor ihm und in seinen tiefblauen Augen schimmerten Tränen.
Ohne ein Wort zu sagen, machte er kehrt und lief davon, gefolgt von einem leisem Schluchzen.

Wutentbrannt wirbelte Magnus zu Camille herum, die ihn noch immer kalt anlächelte. So kalt, wie Eis.

~Du Miststück! Bist du jetzt zufrieden?~

Dann eilte er Alec hinterher und hoffte, dass es noch nicht zu spät war, um alles wieder ins Reine zu bringen.

/★★\

Die Fünf Kompasse Der Kali (Malec)Where stories live. Discover now