Kapitel 51 - Im Zelt der Elbenkönigin

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Wenig später fand sich Alec vor besagten violetten Zelt wieder. Er konnte nur ahnen, wer ihn herzitiert hatte und gerade diese Vorahnung sorgte dafür, dass sich seine Nackenhärchen beunruhigt aufstellten.

Das Zelt stand am Rande des türkis leuchtenden Sees, aber weit weg von den geschäftigen Menschenmassen, die sich zum Aufbruch bereit machten.
Hier war es beunruhigend still und kurz überlegte er, einfach kehrt zu machen und so zu tun, als hätte er diese Nachricht nie gelesen, doch seine Neugierde siegte.

Deshalb nahm er einen tiefen Atemzug, schlug das violette Samttuch zurück und betrat das große, pavillionartige Zelt.

Sofort schlug ihm der Duft nach Blumen ins Gesicht und er bemerkte, dass das ganze Zelt mit unzähligen Kissen und Decken ausgelegt war, sodass man sich, bei Bedarf, überall hätte hinsetzen können.

Trotz dieser lieblichen Ausstrahlung, war das Zelt alles andere als ungefährlich, denn an jeder Seite konnte er mindestens zwei Wachen ausmachen, die ihn in ihrer gepflegten, weißen Rüstung mit ausdrucksloser Miene beobachteten.

Alec fühlte sich unwohl, auch wenn er es nicht offen zeigte.

~Schön, dass du der Nachricht gefolgt bist.~, hörte er eine weibliche Stimme säuseln und sofort zuckte sein Blick nach links, wo die Elbenkönigin auf einem pompösen Divan saß.

In kürzester Zeit hatte sie es geschafft, hierherzukommen und sich umzuziehen, denn nun trug sie einen Hauch von violetter Seide, die ihre helle Haut umschmeichelte. Es war nur das nötigste bedeckt und obwohl Alec sich in keinster Weise zum weiblichen Geschlecht hingezogen fühlte, wurde er rot und senkte beschämt den Kopf.

~Hatte ich denn eine Wahl?~, fragte er möglichst höflich, um sich sein Unwohlsein nicht anmerken zu lassen, denn am liebsten würde er die Beine in die Hand nehmen und flüchten.
Diese Frau hatte so eine Aura, die ihm einfach nicht geheuer war und deshalb lieber meiden würde.

~Wahl oder keine Wahl, wer merkt da schon den Unterschied? In Wahrheit hat man keine Wahl, da jeder Schritt von jemand anderen bereits getan wurde. Wir folgen also nur den Wegen unserer Ahnen, statt ein selbstbestimmtes Leben zu führen.~, erklärte sie leichthin,~Setz dich doch.~

~Nun habe ich eine Wahl und deshalb bevorzuge ich es, zu stehen, Mylady.~
~Höflichkeit ist ja so ein seltenes Gut. Reizend.~

Alec verkniff sich ein genervtes Augenrollen, sondern sagte schlicht ~Gegenüber einer Frau sollte man stets höflich sein. Was wollt Ihr mit mir bereden?~

~Nichts wichtiges. Ich gratuliere dir zu deinem Sieg, Alexander. Nicht jedem gelingt es, mit Hoffnung zu sprechen, wenn das innere von dunkler Qual erfüllt ist.~
~Warum habt Ihr mir dann widersprochen? Außerdem rate ich davon ab, mich bei meinem vollen Namen zu nennen. Das erscheint mir unangemessen.~

~Ich habe dir nicht zugestimmt, weil ich es nicht einsehe, dutzende Leben für eines zu opfern, welches mich überhaupt nicht interessiert. Ich bin nicht so naiv, zu glauben, dass es dir nur um das Wohl der Schattenwelt geht. Du bist egoistisch, Alec Lightwood.~

Alec spannte sich kaum merklich an und schluckte hart.

~Es geht hier nicht nur um Magnus.~, presste er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.

~Aber es geht um ihn, denn er ist der fehlende Angelpunkt in deiner Welt. Natürlich willst du ihn zurück und es ist dir nahezu egal, wie. Nur leider bekommen wir nicht immer das, was wir wollen.~

~Ich brauche ihn.~
~Ich weiß. Man braucht immer jemanden, der einen liebt, damit man sich selbst lebendig fühlt. Viele suchen krampfhaft nach dieser Liebe und nehmen breitwillig in Kauf, verletzt und ausgenutzt zu werden, nur für dieses einfache Gefühl. Anderen wiederum fliegt diese Liebe geradezu vor die Füße. Mehrmals. Nur wenige bringen es fertig, ohne sie zu leben, denn Liebe ist wie eine Sucht. Einmal gefühlt, kann man nicht mehr genug davon bekommen.~

~Warum erzählt Ihr mir das?~, fragte Alec und versuchte das leichte Zittern seiner Stimme zu ignorieren.

~Ich möchte dir lediglich klar machen, dass ich dein Handeln verstehe und ich dir helfen möchte. Ich komme ohne jenes Gefühl aus, denn, meiner Meinung nach, bedeutet zu lieben zu zerstören, aber ich möchte dir dazu verhelfen, dich wieder lebendig zu fühlen. Dir einen Fluchtweg aus deiner leeren Hölle zu zeigen.~

Plötzlich wurde Alec klar, was sie mit diesen verschlungenen Worten meinte.

Vor seinem innerem Auge tauchte Magnus auf, wie er ihm sagte, dass man sich nicht mit der Elbenkönigin anlegen sollte und später, wie er über, nach Sexsklaven suchende Elben sprach.

Eine kalte Hand legte sich um sein Herz und schien es zerdrücken zu wollen. Er schnappte nach Luft und schüttelte heftig den Kopf.
~Ich muss Euer Angebot leider ablehnen. Ich fühle mich geschmeichelt, aber in keinster Weise zu Euch hingezogen.~

~Amüsant. Dein Freund hat sich vor vergangener Zeit nicht so geziert, allerdings macht das einen so ansehnlichen Mann wie dich nur begehrenswerter.~
~Ich kann nicht. Es tut mir leid.~, entschuldigte er sich stockend und ignorierte den Stich in seinem Herzen.

Er hatte gerade wirklich keine Zeit, um sich über all seine Vorgänger einen Kopf zu machen.

~Leid? Es wird dir erst leid tun, wenn du denkst, dass du dich mir widersetzen kannst, Schattenjäger.~, zischte sie und Alec wich automatisch zurück.

Plötzlich prallte er gegen jemanden und als er aufsah, blickte er direkt in die waldgrünen Augen einer der Leibwachen der Elbenkönigin.
Dieser starrte ihn ausdruckslos an und ihm rutschte das Herz in die Hose, als er das Schwert neben sich bemerkte.

Er musste hier weg. Schnell. Jetzt. Nur wie?

Als hätte man sein Stoßgebet gehört, wurde die Zeltwand ein weiteres Mal zurückgeschlagen und Catarina betrat das Zelt. Sie musterte die Elbenkönigin und deren Wachen abschätzig, bevor sie sich an Alec wandte und ihm ein strahlendes Lächeln zuwarf.

~Da bist du ja! Komm, die Warlock wartet auf dich.~

Mit diesen Worten schnappte sie sich seinen Arm und rettete ihn aus der brenzligen Situation.

Wenig später liefen sie mit vielen anderen wieder durch die abweisend hohen und schroffen Berge Edom-Islands Richtung Hafen.
~Das nächste Mal, wenn dich die Elbenkönigin zu sich einlädt, sagst du einem von uns Bescheid~, meinte Catarina, die neben ihm lief, bestimmt,~Keine Alleingänge. Es gibt schon viele, die eine Begegnung mit dieser Tante in ihrem Zelt nicht überlebt haben.~

Alec nickte abwesend, denn eigentlich hörte er ihr gar nicht mehr zu.

Dein Freund hat sich vor vergangener Zeit nicht so geziert.

Dieser Satz bescherte ihm so eine Übelkeit, dass er sich am liebsten übergeben hätte. Nun, da er Zeit zum Nachdenken hatte, machte er sich natürlich Gedanken darum, was sie gesagt hatte und was das mit Magnus zu tun hatte.

Er hatte doch nicht ...
Allein bei dem Gedanken schienen sich seine Organe miteinander zu verknoten und ihm zum Würgen bringen.

Er nahm sich vor, sich damit erst später auseinander zu setzen.
~Hast du mich verstanden?~
~Ja, ich pass schon auf.~, murrte er auf ihren strengen Tonfall hin.

~Das ist gut. Es wird nämlich ziemlich anstrengend werden.~
~Das kannst du laut sagen.~

Die Fünf Kompasse Der Kali (Malec)Where stories live. Discover now