Kapitel 20 - Ruhiger Seelenspiegel

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Alec war mehr als überrascht, aber vor allem gerührt.

Magnus hatte aus einem alten Segel eine Picknickdecke improvisiert, auf der ein kleiner Korb stand, aus dem der Kopf einer Weinflasche ragte. Um die Decke am Boden zu halten, hatte er an den vier Enden Laternen aufgestellt. Diese waren von vielen kleinen Teelichtern umringt, die wiederum in kleinen Gläsern standen, um sie vor der Nässe der See zu schützen.
Des Weiteren waren -woher auch immer- Rosenblätter auf und um die Decke verstreut.

Zusammen mit dem sternenbesetzten Himmel und der glatten See, die das Abbild der Sterne wie ein Spiegel reflektierte, war es einfach zauberhaft.

Manche würden sagen, es war viel zu kitschig -Alec selbst hatte auch immer zu solchen Personen gezählt-, aber jetzt? Jetzt war er einfach nur gerührt und fand es wunderschön.

Zu schön, um es angemessen in Worte zu fassen.

Inmitten dieses Blütenmeers stand Magnus und verzweifelte. Auch er hatte sich herausgeputzt und trug nun eine dunkle Hose, die aber im sanften Kerzenlicht schillerte, und dazu ein enges, weinrotes Hemd mit passender, schwarzer Weste, die seine Taille betonte.

~Alexander? Ich wollte das nicht. Ich dachte nur ... Es ist zu viel, ich weiß, aber...~
Er redete sich um Kopf und Kragen und wirkte vollkommen verzweifelt, aber auch enttäuscht und verletzt.
Er hatte sich wirklich Mühe gegeben und war nun traurig, da er nichts sagte.

Aber er konnte doch nichts sagen! Alles, was er sagen würde, würde dem vor ihm und seinen Gefühlen niemals gerecht werden!
Also handelte er einfach.

Er überbrückte den Abstand zwischen ihnen mit wenigen Schritten, umschloss Magnus' Gesicht mit seinen Händen und küsste ihn.

Erst erstarrte Magnus, doch schon nach ein paar Sekunden erwiederte er den Kuss, der voller Hoffnung, Freude, aber auch leichter Traurigkeit war.

Der Moment hätte kaum schöner sein können. Er war beinahe magisch.
Sie beide auf einem, Dank dem Mondlicht, silbern schimmernden Deck, inmitten von Kerzenlicht und unter einem klaren, nachtblauen Himmel.

Aber sie bekamen gar nichts von der Magie dieses Moments mit, denn sie befanden sich in ihrer eigenen kleinen, heilen Welt.
Nur widerwillig löste sich Alec von ihm, aber leider brauchte er auch noch so etwas wie Luft zum Atmen.

Magnus sah ihn mit großen und glasigen Augen an, den Mund noch leicht geöffnet und maßlos überfordert.
~Danke~, hauchte er an seine Lippen,~So etwas hat noch niemand für mich gemacht.~

Allein zu sehen wie sich Magnus' Miene aufhellte, wie die aufgehende Sonne, war es wert gewesen, das zu sagen.

~Und ich dachte schon, du fällst vor Schock gleich in Ohnmacht.~
~Weniger denken, mehr küssen.~, murmelte er und vereinte seine Lippen erneut mit Magnus'.

Seine Glücksgefühle waren einfach zu groß, um zu widerstehen und sein Gegenüber schien ebenfalls nichts dagegen zu haben, denn Magnus erwiederte den Kuss mindestens genauso leidenschaftlich, während seine Hände locker auf Alecs Hüften lagen.
Dieser Moment hätte ewig andauern können, doch leider war nichts ewig.

~Was hast du sonst noch für Überraschungen zu bieten?~, fragte Alec atemlos und lehnte seine Stirn an Magnus', dessen Augen noch immer geschlossen waren.

Als er sie öffnete, stockte ihm der Atem, denn der Ausdruck in seinen braunen Augen war gleichzeitig faszinierend wie fesselnd. Es war eine Mischung aus Vorfreude, Belustigung und Zuneigung, überschattet von etwas Mystischen.

~Mhmm, außer ein paar belegten Brötchen, Wein und den einzigen Schokopralinen auf dem ganzen Schiff? Nur das hier.~, hauchte er, bevor er Alecs Hand ergriff und ihn hinter sich herzog.

Der Weg endete schon bei der Reling, auf der sich Magnus abstützte und auf die See hinaussah.

~Es ist nicht viel, aber ich sehe gern auf die See, wenn mich irgendetwas beschäftigt. Sie hat eine so beruhigende Wirkung. Vor allem bei Nacht, wenn sie das Licht des Mondes oder der Sterne reflektiert. Ich glaube aber, dass sie nicht nur die offensichtlichen Dinge widerspiegelt, sondern dass man durch sie auch direkt in seine eigene Seele schauen kann. Ein leicht verrücktes Bild seiner selbst, welches einem die Wahrheit zeigt und bei wichtigen Entscheidungen hilft, indem es alles Unwichtige verschwinden lässt und die Dinge so darlegt, wie sie sind. Wenn ich hinabsehe, erscheinen mir alle Sorgen so klein und bedeutungslos. Sie werden einfach von ihr verschluckt.~, erzählte er mit einem leicht unsicheren, aber glücklichen Funkeln in den Augen.

Er schien so glücklich und unbeschwert wie ein kleines Kind, welches alles Neue mit einer grenzenlosen Neugier und Faszination erkundete.

~Macht irgendetwas von dem, was ich gesagt habe, einen Sinn?~, fragte ihn Magnus nun, sah aber weiterhin auf die glatte Oberfläche der See, die lediglich von einigen einsamen Wellen durchbrochen wurde.

~Ich habe es noch nie so betrachtet, aber die Vorstellung, dass die See eine Art Seelenspiegel ist, der einem bei Entscheidungen zur Seite steht, ist interessant.~
~Interessant gut oder interessant schlecht?~
~Ich bin mir noch nicht ganz sicher~, gestand er,~Wie war das nochmal mit den Pralinen?~

Magnus lachte leise, als er ihn wieder zu der improvisierten Picknickdecke führte. Aus dem Korb holte er eine kleine, silberne Schatulle hervor und als er diese öffnete, blickte Alec einer Vielzahl an verschiedenen Pralinen entgegen.

~Wo hast du die denn her?~
~Ach weißt du, die Vampire sind so von sich überzeugt, dass sie sich noch nicht einmal vorstellen können, dass sie jemand jemals ausrauben könnte, weshalb ihre Schlösser beinahe lächerlich einfach zu knacken sind. Camille ist da keine Ausnahme, auch wenn sie mich eigentlich besser kennen sollte.~
~Die Pralinen sind von Camille?~, fragte er entgeistert, die erste Praline auf halben Weg zum Mund verweilend.

~Nicht ganz: Die Pralinen sind Camilles Besitz und ich schätze, sie wird alles andere als begeistert sein, wenn sie bemerkt, dass sie weg sind~, erklärte Magnus achselzuckend, aber mit einem diabolischen Grinsen im Gesicht,~Lass es dir schmecken.~

Mit diesen Worten steckte er sich die erste in den Mund und schloss genussvoll die Augen. Alec war sich noch immer etwas unsicher, aber ihm bereitete es tatsächlich eine teuflische Befriedigung, die Pralinen von Magnus' Ex in der Hand zu halten, weshalb er sie dann auch schnell in den Mund steckte.
Sie schmeckte fantastisch und machte hungrig nach mehr.

Und so vertiglten sie die Brötchen und die Pralinen, während sie ein lockeres Gespräch führten.

Obwohl er es eigentlich hasste, mit anderen Menschen in Kontakt zu treten, liebte er es, mit Magnus zu reden. Er hatte so eine Art an sich, die jedes, auch noch so langweiliges, Gespräch aufregend und besonders machte.

Diese ausgelassene Stimmung hielt so lange an, bis es aus heiterem Himmel begann zu regnen. Nein, zu schütten, was zumindest Magnus' Laune in den Keller rauschen ließ, denn er sprang entrüstet auf und funkelte den Himmel wütend an~Warum jetzt!?~

Die Fünf Kompasse Der Kali (Malec)Unde poveștirile trăiesc. Descoperă acum