»Was?«

»Ja, sonst hätte wahrscheinlich nicht Harry vorhin hier auf dich gewartet, sondern ich. So langsam kenne ich Carter und seine Spielchen.« Verstehend nicke ich. Dann war das also wirklich so, wie ich mir auch schon gedacht habe. Aber wenn das wahr ist, was ist dann mit der anderen Sache? »Musstest du ... Hast du ... Ich meine, musstest du Harry irgendwie wehtun?«, frage ich vorsichtig, weil ich Angst vor der Antwort habe. Sollte das nämlich der Fall sein, weiß ich nicht, wie sich das auf die Freundschaft ausgewirkt hätte. Alleine die Bilder in meiner Vorstellung sind grausam. Wie soll man das aushalten? Ich mag gar nicht darüber nachdenken.

»Wie kommst du darauf? Nein, musste ich nicht. Ich glaube, das hätte ich auch nicht gekonnt.« Gott sei Dank. Das beruhigt mich zwar einerseits, doch andererseits kann ich mir nicht vorstellen, dass hinter Carters Worten nur eine leere Drohung stand. »Sicher?«, hake ich deswegen nach. Vielleicht verheimlicht Liam das auch, damit ich ihn nicht mit anderen Augen sehe, auch wenn sein ehrlicher Blick eine andere Sprache spricht. »Sicher. Wieso? Meinte Carter das?«

»Ja, ich habe ihm gesagt, dass er was erleben kann, wenn er Harry auch nur ein Haar krümmt. Daraufhin meinte er, dass er das nicht tun wird, sondern du.«

Liams Augen weiten sich, ehe er langsam den Kopf schüttelt. »Oh, verstehe. Aber ich musste das wirklich nicht tun, Louis. Vielleicht kam er nicht mehr dazu, ich weiß es nicht. Wichtig ist doch, dass Harry raus ist und das auf jeden Fall nicht mehr passieren wird.« Ich nicke, denn er hat ja recht. Darüber sollte ich keinen Gedanken mehr verschwenden. »Und jetzt?«, frage ich stattdessen.

»Jetzt müssen wir wohl abwarten. Harry wird mit Sicherheit Hilfe holen«, murmelt er, ehe seine Augen hinaus in den dunklen Nachthimmel huschen. Ich schlucke bei diesem Anblick. »Du klingst nicht so, als wärst du sicher, Liam.« Er seufzt und schüttelt mit geschlossenen Augen den Kopf. »Doch das bin ich zu einhundert Prozent.«

»Aber?«

»Kein aber. Wir sollten uns lieber ein bisschen ausruhen. Komm, wir legen uns ins Bett«, antwortet er und steht dann auf, um das benannte Möbelstück anzupeilen. Ich rümpfe die Nase, während ich die schmale Matratze mustere, auf der ich heute schon mehrmals lag. »Was ist?«, fragt Liam, der meinen skeptischen Blick bemerkt.

»Meinst du, das ist eine gute Idee? Du und ich ... gemeinsam in meinem Bett?«, frage ich vorsichtig, ehe ich eine entschuldigende Grimasse ziehe. Doch Liam lacht daraufhin. »Klar. Wenn ich die einmalige Chance habe, mit dir in einem Bett zu liegen, muss ich das ausnutzen. Außerdem ist das eine Ausnahmesituation, weshalb uns Harry schon nicht den Kopf abreißen wird. Es sei denn natürlich, du möchtest lieber auf dem Boden schlafen.« Sein Grinsen ist schon beinahe frech, während er die Bettdecke beiseite schlägt. Ich verdrehe die Augen, schmunzle dann aber auch und tapse über den kühlen Beton, um mich ins Bett zu legen.

Als Liam sich zu mir gesellt, reißt er mit einem Mal die Augen auf. »Was ist mit deiner Wange passiert?«, wispert er und lässt dabei sachte einen Finger über meine aufgeritzte Haut streichen. Eben saß ich so, dass meine verletzte Gesichtshälfte im Schatten lag, sodass er es nicht sehen konnte. Aber nun strahlt der Mond mich vollkommen an. »Ach. Carter ist passiert. Ist aber nicht so schlimm, es geht schon wieder.«

Fast schon ungläubig schüttelt Liam seinen Kopf, dann dreht er sich auf den Rücken. »Ich habe keine Ahnung, was mit Carter los ist oder warum er so geworden ist. Früher war er nicht so. Ja, er hat auf sexueller Ebene Harry und mich hintergangen, aber ansonsten war er ein Engel. Irgendetwas muss passiert sein, dass ihn so zerstört hat.«

»Meinst du wirklich, dass ein einziges Ereignis so etwas aus einer Person macht?«

»Keine Ahnung. Vielleicht waren es me...« Er stoppt auf einmal, weshalb ich irritiert eine Augenbraue hochziehe. Aber dann höre ich es auch. Bestimmte Schritte auf dem Flur, die immer näher kommen. Ich schließe für einen Atemzug die Lider. Wann hört es endlich auf? Liam räuspert sich und setzt sich aufrecht hin, bevor auch schon von außen ein Schlüssel ins Loch gerammt wird und kurz darauf die Tür aufspringt. Der Besucher knipst von außen das Licht an, weshalb Liam und ich wegen des grellen Lichts die Augen zusammenkneifen.

»Ach, sieh an. Wieder vereint. Wie rührend.«

Liam seufzt und reibt sich mit den Händen übers Gesicht. »Was willst du, Carter?« Der Angesprochene lacht spöttisch und verschränkt die Arme vor der Brust, während ich mich ebenfalls hinsetze. Sein Gesicht ist gerötet und auf seiner Stirn pulsiert eine Ader. Da ist wohl jemand sauer. »Du hast Scheiße gebaut, Payne. Das war ein großer Fehler.«

»Wieso? Weil ich unschuldige Menschen laufen gelassen habe?«, antwortet er und streckt dabei das Kinn nach vorne.

»Die waren nicht unschuldig. Sie haben uns alle verraten, uns im Stich gelassen, uns den Rücken gekehrt. Du weißt doch, wie das Geschäft ist. Solche Menschen kommen nicht ungestraft davon.«

»Wenn du meinst ...«, murmelt Liam und schüttelt dabei den Kopf. Carter wird sowieso nicht plötzlich seine Meinung ändern, das ist mir auch klar. »Ja, meine ich. Hattest du einen richtigen Plan dabei?« Was wird das denn jetzt für ein Spielchen? Liam scheint sich das auch zu fragen, denn er runzelt seine Stirn. »Selbst wenn, würde ich ihn dir nicht verraten.«

Carter verdreht die Augen und mustert dann seine eigenen Fingernägel. »Wie auch immer. Jedenfalls hat dein Plan nicht funktioniert.«

»Was soll das heißen?«

Nun grinst der Mann vor uns, was mir einen eisigen Schauer über den Rücken jagt. In einer ruckartigen Bewegung prescht er vor, um sich über Liam aufzubauen, seine Stimme beängstigend leise. »Harry ist immer noch hier. Scheint so, als wäre dieses Weichei nicht in der Lage dazu gewesen abzuhauen. Er war einfach zu schwach. Aber keine Sorge, du kennst mich ja. Ich bin ein fürsorglicher Mensch und habe ihn wieder in meine Obhut genommen, damit ich mich um ihn kümmern kann.«

Was? Er ... Was? Er hat ... Harry? Harry ist nicht frei? Ich ... das ... das darf nicht sein. Mir wird schlecht und Liam weicht sämtliche Farbe aus dem Gesicht, doch nicht ein einziges Wort verlässt seinen Mund. Nur seine Nasenflügel blähen sich immer wieder auf, während sein schwerer Atem bis in mein Ohr dringt.

Doch Carter scheint diese Reaktion zu genügen, denn er weicht einige Schritte zurück und läuft zur Tür. Sein hässliches Schmunzeln verstärkt meinen inneren Wunsch, ihm ins Gesicht zu schlagen. Bevor er das Zimmer wieder verlässt, blickt er noch ein letztes Mal in unsere Richtung. »Das wird ein Nachspiel haben, Payne. Und weißt du wie? Morgen wird geheiratet. Ansonsten ...«, fängt er an, dann imitiert er mit seiner Hand eine Waffe und richtet sie auf uns. »Boom. Boom. Peng.«

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Die Schlinge zieht sich weiter zu und Harry hat es doch nicht geschafft :/

Zatago III - [Larry-AU]Where stories live. Discover now