Kapitel 10

1.2K 233 217
                                    

Obwohl ich es geschafft habe, Harrys Pferd zu streicheln, halte ich es nicht lange dort aus. Mein Körper gleicht dem Wackelpudding meiner Oma, weshalb ich mich zügig zurück ins Haus verkrümle. Die Aufregung hat mich unglaublich schläfrig gemacht. Eigentlich will ich wach bleiben, bis Harry zurückkommt, doch mir fallen schon viel früher die Augen zu. 

Am nächsten Nachmittag steige ich zurück in Modesto aus Harrys Dodge aus. Der Himmel ist zwar bedeckt, doch die Hitze quält uns trotzdem. »Ich habe echt kein gutes Gefühl bei der Sache«, murmle ich. »Was bleibt uns sonst übrig? Denk an Liam«, erwidert Harry und kommt auf mich zu. Seine Arme schlingen sich um meinen Körper, bevor er einen Kuss auf meinen Lippen platziert. »Sei aber bitte vorsichtig. Ich will dich in einem Stück wiedersehen.« Er lächelt und streichelt sanft meine Wange. »Das bin ich immer.«

Na ja. Ansichtssache.

Nach unserer Verabschiedung macht Harry sich auf den Weg zu Carter, gleichzeitig husche ich in die entgegengesetzte Richtung über die Pflastersteine. Ein gut besuchter Parkplatz in der Nähe der Tankstelle in Modesto gibt uns heute Schutz. Ich suche einen Moment, doch zwei Reihen weiter entdecke ich Zayn, der sich an einen weißen Porsche lehnt und mir zuwinkt. War ja klar! Meine Beine tragen mich in seine Richtung, bevor ich dicht vor ihm mit den Augen rolle. »Du hättest auch kein unauffälligeres Auto klauen können, oder?« Von meinen Worten unbeeindruckt zuckt er mit den Achseln. »Doch, hätte ich. Aber die Gelegenheit konnte ich mir nicht entgehen lassen.«

»Wie meinst du das?«

»Der Besitzer hat seinen Autoschlüssel aufs Dach gelegt, um sich die Schuhe zuzubinden. Danach ist er weggegangen und jetzt rate mal, was er auf dem Autodach vergessen hat?« Mit einem vielsagendem Grinsen nimmt er seine Sonnenbrille vom Kopf und setzt sie sich auf die Nase. Erneut verdrehe ich die Augen und schüttle ungläubig den Kopf. »Manchmal hast du echt mehr Glück als Verstand.«

»Du bist eben wie Cri-Kee.« Skeptisch ziehe ich eine Augenbraue in die Höhe. Was will er von mir? »Cri-Kee. Die Glücksgrille«, beantwortet er meine unausgesprochene Frage.

»Aha. Dann bist du also Mulan?« Schmunzelnd wiegt er den Kopf hin und her, ehe er nickt. »Mulan ist eine Heldin. Warum also nicht?«

»Vielleicht weil sie im zweiten Teil heiratet?« Zayn öffnet seinen Mund, bevor er ihn sofort wieder schließt und schluckt. Durch seine Sonnenbrille kann ich ihm zwar nicht in die Augen sehen, doch ich kann mir vorstellen, wie er mich ansieht. »Was soll das, Louis?« Seine gute Laune scheint wie weggefegt, aber das ist mir egal. Es nervt mich, wenn die beiden Stress haben. Die schlechte Stimmung schwappt immer gleich auf alle Anwesenden über, weshalb ich mir wünsche, dass die beiden das klären.

»Ich weiß nicht, was du meinst.«

»Doch, das weißt du ganz genau. Hat Michelle dich auf mich angesetzt?« Ich hebe eine Augenbraue und verschränke die Arme vor der Brust. Zayn hingegen wendet den Blick ab. »Du weißt genauso gut wie ich, dass sie das nicht machen würde. Ich will mich da wirklich nicht einmischen, das ist euer Bier, aber bitte klärt das.«

»Wenn du dich nicht einmischen willst, ist ja alles gesagt.« Anscheinend ist für ihn damit das Thema beendet, denn ohne ein weiteres Wort öffnet er die Autotür auf der Fahrerseite und steigt ein. Vollidiot! Ich will doch nur helfen.

Wieso will er eigentlich nicht heiraten? Er ist so verknallt in Michelle, dass ich nicht damit gerechnet habe, dass eine Hochzeit mal ein Streitthema wird. Ich seufze und laufe dann selbst ums Auto herum, um einzusteigen. Kaum habe ich die Tür hinter mir zugeschlagen, schaltet Zayn das Radio ein. Erst denke ich, er dreht die Lautstärke nach oben, doch er lässt sie leise. »Zayn, das war doch nicht böse gemeint.«

»Ich weiß.« Er sieht nach links und damit weg von mir. In Plauderlaune ist der definitiv nicht. Jedenfalls nicht, wenn es um seine Beziehung geht. Aber das ist ja nichts Neues.

Die restliche Wartezeit verbringen wir schweigend. Als nach etwas mehr als dreißig Minuten Harry wieder am Straßenende auftaucht, schlucke ich. Er sieht nicht zufrieden aus. Eine tiefe Furche teilt seine Stirn, die Lippen zu einem schmalen Strich verzogen. Außerdem ist kein Liam in Sicht. Ich tippe Zayn mit meinem Handrücken an und nicke dann in die Richtung meines Freundes, woraufhin er seinen Rücken durchstreckt. »Wo ist Liam?«

»Keine Ahnung. Meinst du, er soll das Auto abgeben?«, frage ich ihn, ohne Harry aus den Augen zu lassen, der nun an der Ampel auf das Grünzeichen wartet. »Das werden wir gleich sehen.«

Anscheinend soll er es nicht abgeben, denn als er endlich den Parkplatz erreicht, blickt er sich um. Nur wenige Sekunden, dann zieht er das neue Handy aus der Hosentasche, das wir erst vorhin gegen sein eigenes eingetauscht haben. Nachdem er etwas aufs Display getippt hat, schiele ich auf mein eigenes Telefon. Tatsächlich klingelt es einen Herzschlag später, weshalb ich das Gespräch entgegennehme. »Wo seid ihr?«, fragt er mich, ohne dass ich es überhaupt schaffe, eine Begrüßung zu murmeln. Ich erkläre ihm, wo wir stehen, doch Harry bittet uns, zu seinem Auto zu kommen. »Ich kann mich da nicht reinsetzen. Die Bullen haben seit der Verhaftung meine Daten. Wenn die Karre gestohlen gemeldet wird und die dann irgendwas von mir da drin finden ...« Er braucht nicht weiter zu erzählen, weshalb ich ihn unterbreche. »Wir sind unterwegs.«

Rasch kläre ich Zayn auf, bevor wir den gestohlenen Porsche verlassen und zu Harry laufen. Er wartet bereits in seinem eigenen Auto auf uns, das wir wenige Sekunden später erreichen. Er umfasst das Lenkrad so kräftig, dass seine Fingerknöchel weiß hervortreten. Sein Kiefer ist angespannt, weshalb ich vorsichtig eine Hand nach ihm ausstrecke, um sie ihm auf den Oberschenkel zu legen. Augenblicklich lässt er die Schultern sacken und legt eine Hand auf meine. »Carter will mehr.«

Ich hab's befürchtet. Schon als ich Harrys Gesicht gesehen habe und er ohne Liam wiedergekommen ist. »Wie viel?«, fragt Zayn, der in der Mitte der Rückbank sitzt und seine Hände auf die Rückenlehnen der Vordersitze gelegt hat.

»Fünfzigtausend innerhalb von drei Tagen.«

»Fünfzigtausend nur?« Das ist auch mein Gedanke. Seit Montreal sind das Peanuts für uns. Wenn mich nicht alles täuscht, haben wir diese Summe sogar fast vollständig dabei.

»Ja. Ich denke allerdings nicht, dass danach Schluss ist. Er wird merken, dass es kein Problem für mich ist, das Geld aufzutreiben. Wir müssen das irgendwie anders angehen«, sagt Harry und schaut dabei nachdenklich durch die Windschutzscheibe.

»Ja, da gebe ich dir recht. Nur wie ist die Frage.«

»Lasst uns heute Nacht hier bleiben. Mein Notebook liegt ja in Zayns Auto und sobald es dunkel ist, muss ich irgendwie in die Nähe des Hauses. Vielleicht schaff ich es, mich da irgendwie einzuhacken. Kameras, Handys, Computer. Irgendwas muss ich bei dem doch finden. Und mit Glück sind wir dann weiter.« Glück, Glück, Glück. Wir können doch nicht immer Glück haben. Oder?

»Na gut, dann machen wir das so. Nimm am besten mein Auto, das hat er auf jeden Fall noch nicht gesehen. Beim Dodge können wir uns nicht sicher sein.« Harry nickt und startet dann seufzend den Motor.

Damit Harry seinen Versuch später starten kann, müssen wir zuerst Zayns Auto wieder abholen, das er vorhin auf dem Parkplatz eines Supermarktes abgestellt hat, wo er ihn gegen den weißen Porsche eingetauscht hat. Das ist nach wenigen Minuten erledigt, weshalb wir uns dazu entschließen, die restliche Wartezeit am nahegelegenen Tuolumne River auf einer kleinen Grünfläche zu verbringen.

____
Na, was meint ihr: Wird Harry heute Nacht Erfolg haben? Wenn ja, womit überhaupt?
Und wie findet ihr Louis' neuen Spitznamen? xD

Zatago III - [Larry-AU]Where stories live. Discover now