Kapitel 20

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Für Harry. Einzig und allein, um ihn wieder bei mir zu haben. Für Harry. Er würde das Gleiche machen. Für Harry. Wie ein Mantra wiederhole ich die Worte in meinem Kopf, während Zayn sich eine ruhige Ecke gesucht hat, um mit Niall und Michelle am Handy seinen Vorschlag zu besprechen. Solange sitze ich weiterhin wie auf heißen Kohlen am kleinen Holztisch und beobachte Carter. Zayn sollte sich beeilen, denn er hat aufgegessen und in seinem Glas ist auch nicht mehr viel drin. Meine Hände schwitzen trotz der Klimaanlage. Mein Magen spielt Shaker. Was habe ich mir eben nur dabei gedacht, doch meine Meinung zu ändern?

»Sie sind dafür.« Erschrocken zucke ich zusammen, als Zayn sich plötzlich wieder zu mir setzt und mich anspricht. Ich schlucke, bevor ich nicke. Also wirklich. Ich muss Interesse an Carter heucheln, sodass er mit mir irgendwas anfängt und ich in sein Haus komme. Nur dann finde ich heraus, was da drinnen abgeht. Was für eine Schnapsidee! Hoffen wir mal, dass er keinen Zweitwohnsitz hat. »Du musst das nicht machen, Louis«, sagt Zayn, doch inzwischen ist mein Entschluss bombenfest. Wir müssen Harry und Liam da rausholen. Wenn das nur auf diesem Weg geht, dann ist das so. »Passt schon, ich mach das.«

»Okay. Wenn du es dir anders überlegst, sag sofort irgendwas, damit wir uns etwas anderes ausdenken.«

»Mach ich.« Aber was sollen wir uns schon anderes überlegen? Es gibt keine andere Möglichkeit, sich da in Ruhe umzusehen.

»Denkst du denn, dass du ihn um den Finger wickeln kannst?«

Zayn, mein Schatz. Ich bin der Lamborghini aller Kerle. Mir kann man nicht widerstehen.

Belustigt über seine Frage schmunzle ich. »Natürlich kann ich das.« Und sobald ich ihn und alle nötigen Informationen habe, wird er sein blaues Wunder erleben. Mit einem Fingerschnippen fällt sein Vorhaben wie ein instabiles Kartenhaus in sich zusammen. Nur eine Sache werde ich mit ihm garantiert nicht anstellen: Vögeln. Vorher gebe ich lieber vor, keinen Sex vor der Ehe haben zu wollen oder so einen Scheiß. »Und wie willst du das anstellen?« Gerade als ich ihm antworten will, bemerke ich im Augenwinkel, dass Carter aufsteht. Wir warten noch kurz, während er vor einem kleinen Geschäft einen Kartenständer ansteuert. Das ist meine Chance. Ich sehe zu Zayn, verziehe meine Lippen zu einem teuflischen Grinsen und zwinkere ihm zu. »Das bleibt mein Schwanzgeheimnis.«

Er zieht eine Grimasse, doch bevor er antworten kann, stehe ich auf. In einem spiegelnden Schaufenster richte ich rasch meine Frisur und nähere mich dann meinem Zielobjekt. Aus meiner Hosentasche ziehe ich mein Handy, auf dem ich vorgebe, etwas zu tippen. Lieber Carter, du wirst schon sehen, was du davon hast, wenn du dich mit uns anlegst. Mit jedem Schritt pocht mein Herz ein bisschen schneller, doch äußerlich lasse ich mir nichts anmerken. Nur noch ein paar Meter, dann bin ich bei ihm. Im Rücken spüre ich Zayns Blick auf mir, der mich sicherlich mit Argusaugen beobachtet. Beinahe muss ich grinsen, weil der ganze Tag so paradox ist. Erst schleiche ich mit Harry durch irgendeinen Wald, er wird von drei Typen verschleppt und am Abend schmeiße ich mich an seinen Exfreund ran. Ein letztes Mal atme ich durch, dann bin ich bei ihm und laufe mit voller Absicht in Carter hinein, sodass er nach vorne stolpert. »Oh, verdammt. Tut mir leid, das wollte ich nicht«, entschuldige ich mich sofort und lege eine Hand auf seine Hüfte, die andere auf seinen Arm, um zu verhindern, dass er fällt.

»Pass doch auf«, mault er, fängt sich aber rechtzeitig. »Tut mir echt leid, ich habe dich nicht gesehen.« Ich lächle, als er sich endlich zu mir dreht. Seine eisblauen Augen fallen mir als erstes auf, dann das Piercing in seiner Augenbraue. Ich bin etwas kleiner als er, doch Harry ist größer. Er stockt und mustert mein Gesicht.

Ha, ich wusste, dass ich dir gefalle.

»Ist alles in Ordnung? Habe ich dir irgendwie wehgetan?«, frage ich ihn während meine Hand noch immer auf seinem Unterarm ruht. Er räuspert sich und schüttelt den Kopf. »Nein. Nein, schon okay.«

»Sicher? Ich mach es gerne mit einem Kaffee wieder gut. Ich lade dich ein.«

»Brauchst du wirklich nicht, aber danke.« Jetzt huscht auch ein Lächeln über sein Gesicht. Ich ziehe meine Hand zurück und zucke mit den Schultern. »Alles klar, war nur ein Angebot. Dann ... Mach's gut.« Ein letztes Grinsen, dann drehe ich ihm den Rücken zu und betrete den kleinen Laden.

Drei. Ich bin mir sicher, dass Zayn jetzt denkt, ich hätte es vergeigt. Doch ich weiß ganz genau, was ich tue. Nicht mal jede Hete kann mir widerstehen.

Zwei. Nur manchmal braucht mein Objekt der Begierde ein paar Momente, um zu kapieren, was es sich eigentlich entgehen lässt. Ein Blick auf meinen erstklassigen Hintern hilft ihnen fast immer auf die Sprünge.

Eins. »Hey, warte mal.« Das war easy. Ich schmunzle und klopfe mir innerlich auf die Schulter, erst dann drehe ich mich zu ihm und sehe ihn fragend an. Verlegen streicht er seine Haare zurück, während er lachend den Kopf schüttelt, so als könne er selbst nicht glauben, was er hier tut. Gut, dass ich genau weiß, was ich hier mache. Der Mann vor mir wird bluten. »Vielleicht ist Kaffee doch nicht so schlecht?«, fragt er.

Ich setze ein gespieltes Grinsen auf und unterbreche kein einziges Mal den Blickkontakt. »Ach, wie kommt's?«

»Weiß nicht?« Wie süß. Er kann den Unschuldigen spielen, obwohl er mehr als nur eine Leiche im Keller hat. Beim Wort Leiche jagt ein eiskalter Schauer über meinen Rücken, der mir jedoch nur einen weiteren Motivationsschub gibt. So weit soll es gar nicht erst kommen.

»Okay. Hm, wie wäre es mit dem Café da vorne?«, schlage ich vor und nicke in die Richtung, aus der wir beide kommen. Carter folgt meinem Blick. »Da habe ich zwar erst vor wenigen Minuten gegessen, aber warum nicht.«

Nebeneinander laufen wir rüber zu einem freien Tisch, etwa zehn Meter von Zayn entfernt. »Bist du ganz alleine unterwegs?«, frage ich ihn, während ich den Stuhl für ihn zurückziehe, auf den er sich dankend setzt. »Ja, meine Freunde konnte ich mal wieder nicht überreden mitzukommen.«

»Na, da wissen deine Freunde wohl nicht, was sie verpassen.« Vielsagend mustere ich seinen Körper, dessen sehnige Muskeln durch das enganliegende T-Shirt erkennbar sind. Er lacht und faltet seine Hände auf dem Holztisch. Dem wird das Lachen noch vergehen. Schmunzelnd winke ich die Kellnerin herbei, die zwar einen Augenblick irritiert zwischen Zayn und mir hin und her blickt, bevor sie dann aber unsere Bestellungen entgegennimmt. Carter bekommt davon zum Glück nichts mit.

Als sie wieder geht, überlege ich einen Moment, mit dem Zeigefinger über seinen Arm oder seine Hand zu fahren, doch ich schätze, dass das für den Anfang zu viel des Guten ist. Nicht, dass ich ihn noch in die Flucht schlage, immerhin ist das hier keine versoffene Nacht in einem Club, sondern eine Art Date. Auch wenn mein Gegenüber nichts davon weiß.

Oh man, hätte man mir heute Morgen erzählt, dass ich abends mit einem anderen Mann als Harry gemütlich einen Kaffee trinke, hätte ich ihm den Vogel gezeigt. Und nun sitze ich hier.

Wir unterhalten uns knapp eine Stunde, bis Zayn mir ein Zeichen gibt, dass er draußen auf mich wartet. Höflich verabschiede ich mich auch von Carter, bevor ich mit seiner Handynummer auf einer Serviette, die er mir in letzter Sekunde in die Hand drückt, aufstehe und zum Ausgang laufe. Das war ein Kinderspiel. Der Fisch hat angebissen, jetzt muss ich ihn nur noch an Land ziehen, damit er ausgenommen werden kann.

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Also doch. Louis verführt Carter, um so an Informationen zu kommen. Ob der Plan funktioniert?

Zatago III - [Larry-AU]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt