Kapitel 21

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Jede Stunde, die vergeht, ist schlimmer als der Mathematikunterricht mit dem alten Johnson damals. Einstimmig beschließen wir, dass es zu aufdringlich und auffällig wäre, Carter sofort oder am nächsten Tag zu schreiben. Also gehen wir weiterhin einer meiner Hasstätigkeiten nach: Beobachten. Noch in derselben Nacht besorgt Zayn uns einen kleinen Transporter, dessen Ladefläche groß genug ist, um darauf zu schlafen. An Matratzen, Decken und Kissen hat er auch direkt gedacht, die bereits einsatzbereit parat liegen. Während Niall zurück nach San Francisco fährt, um auf Zatago die Pferde zu versorgen, schickt Zayn Michelle und mich schlafen. Solange schiebt er die Nachtschicht.

Doch als ich auf einer der schmalen Matratzen liege und die Decke wegen der stickigen Hitze zur Seite geschoben habe, ist nicht an Schlaf zu denken. Ich bin hellwach. Meine gefalteten Hände liegen auf meinem Bauch, während ich die Decke des Wagens anstarre. Was war das eigentlich für ein abgefuckter Tag? Er spielt in der obersten Liga, wenn es darum geht, eine Rangliste der schlimmsten Tage zu erstellen. Liam gefangen. Harry gefangen. Was, wenn ich ihn nie wiedersehe? Niemals würde ich mir selbst verzeihen, dass ich nachgegeben habe, damit er sich das Gebäude näher anschaut. Wie konnte Liam überhaupt in diese Situation kommen? Fragen, die ich mit Sicherheit nicht in dieser Nacht beantworten kann. Hoffentlich aber irgendwann.

Seufzend drehe ich mich auf die Seite und stocke, als ich im schummrigen Licht in Michelles geöffnete Augen blicke. »Alles wird sich irgendwie klären, Louis. Wir holen die beiden da raus«, flüstert sie, um mich zu beruhigen. Doch das hilft leider kein Stück, denn Harry hat genau das über Liam gesagt. Und jetzt steckt er selbst in der Klemme. »Warum bist du dir so sicher?«

»Weil wir die Besten sind.« Tatsächlich huscht ein schwaches Lächeln über mein Gesicht. Natürlich sind wir die Besten. Aber reicht das? Wenn das Beste nicht genug ist, sind Harry und Liam verloren. »Ich hab trotzdem Angst«, gestehe ich leise.

»Verständlich. Wer hätte das nicht? Wir müssen uns immer wieder vor Augen führen, für wen wir das hier machen. Wir schaffen das.« Nichts wünsche ich mir momentan mehr, als dass sie recht hat. »Hoffentlich.« In der Dunkelheit tastet sie nach meinem Arm, um mit ihren Fingern tröstend darüber zu streichen. Zu wissen, dass ich nicht alleine bin, tut gut. Doch noch lieber wäre es mir, wenn mein Freund neben mir liegen und mich in den Arm nehmen würde. Michelle lächelt schief, so als könne sie meine Gedanken lesen, weshalb ich erneut seufze. Trübsal blasen bringt uns sowieso nicht weiter. »Hast du nochmal mit Zayn gesprochen?«, frage ich sie daher und wechsle so das Thema.

Einen Moment schließt sie die Augen, dann schüttelt sie den Kopf und dreht sich auf den Rücken. »Sieht das etwa so aus?«

»Nein, sieht es ganz offensichtlich nicht. Warum redet ihr nicht darüber?«

»Weil es keine Lösung gibt.« Alarmiert von ihrer Antwort richte ich mich auf und stütze mich auf meinem Ellenbogen ab. »Was soll das heißen?«

»Er will nicht heiraten, ich will heiraten. Es gibt keinen Kompromiss, man kann nicht halb verheiratet sein.« Ihre Worte klingen endgültig, sodass ich schlucke. Oh nein. »Aber ...«

»Ich schätze, wenn das alles hier heile überstanden ist, werden sich unsere Wege trennen.« Das darf nicht wahr sein. Ich will nicht, dass Michelle auszieht und Zatago verlässt. Im letzten Jahr ist sie mir so ans Herz gewachsen, dass sie wie eine Schwester für mich ist. Zatago ohne Michelle? Das passt doch gar nicht. Sie gehört dazu. »Gib ihm bitte noch etwas mehr Zeit, bevor du dich entscheidest.«

»Wie lange denn noch? Ich will doch nicht sofort einen Antrag haben. Er weiß, dass ich nicht jetzt heiraten will, sondern in ein paar Jahren. Dann ist er über dreißig und keine sechzehn mehr. Macht ihm das trotzdem so Angst? Fakt ist, er will es nicht.«

»Hast du ihn das nicht gefragt?«

»Doch, aber er hat sofort verneint. Und das laut, klar und deutlich. An seiner Antwort gibt es nichts zu rütteln, Louis. Ich schätze, es ist vorbei.« Ich hasse es selbst, wenn man sich in meine Angelegenheiten einmischt, aber ich will und kann das so nicht akzeptieren.

»Liebst du ihn noch?«, frage ich unvermittelt. Sie öffnet den Mund und ich glaube, dass sie die Luft anhält. So gut es mir im Inneren des Transporters möglich ist, mustere ich ihr Gesicht. Und dann sehe ich das erste Mal, dass Michelle verlegen ist. Sie kichert und reibt sich mit zwei Fingern über die Schläfen. »Ja. Ja, ich liebe diesen verdammten Idioten. Leider ändert das nic...«

»Dann gib nicht auf. Bitte. Zayn redet mit mir nicht viel über seine Gefühle, dafür ist er viel zu verklemmt, aber wenn ich mir in einer Sache sicher bin, dann, dass du die Liebe seines Lebens bist.« Michelle runzelt die Stirn und sieht dann nachdenklich zu mir. »Gefühle können sich ändern, Louis. Vielleicht ist das bei ihm der Fall.«

»Ausgeschlossen.« Zayn vergöttert diese Frau mit jeder Faser seines Körpers, niemals wird sich das ändern. Eine Weile überlegt Michelle, dann schmunzelt sie etwas. »Wie sicher bist du dir? Schwörst du?«

»Ich schwöre auf Harrys Zauberstab«, antworte ich und hebe dabei meine Hände hoch, um ihr zu zeigen, dass ich keine Finger kreuze. Doch Michelle beachtet sie gar nicht, sondern prustet los. »Boah, wie kann man nur so schwanzgierig sein?« Grinsend zucke ich mit den Schultern. »Hey, ich bin lieber schwanzgierig als ganz schwierig, oder?«

»Oh mein Gott, Witze reißen kannst du auch nicht.« Normalerweise würde ich protestieren, doch weil sie noch immer lacht, widerspreche ich ihr nicht. Ich bleibe still und warte, bis ihr Lachflash vorüber ist. Als das der Fall ist, dreht sie sich wieder zu mir. »Okay, ich gebe ihm noch etwas Zeit. Aber wenn ihn der Gedanke an eine Hochzeit weiterhin so anwidert, werde ich gehen.«

»Anwidert? Übertreib mal nicht. Der Junge ist nur überfordert. Mit ein bisschen Überredungskunst, wird er schon ja sagen.«

»Nein, ich will doch niemanden zu einer Hochzeit überreden. Entweder komplett freiwillig, weil er es will oder gar nicht. Seine Entscheidung werde ich so akzeptieren, aber auch meine Konsequenzen daraus ziehen.« Ich verstehe sie ja, aber wie kann man so fixiert auf eine Hochzeit sein? Man kann doch auch ohne glücklich sein. Falls es wider Erwarten dann doch mal zu einer Trennung kommen sollte, ist es nur umso komplizierter, wenn man verheiratet ist.

»Michelle.«

»Louis.«

»Sei nicht so stur. Ihr liebt euch, das ist alles, was zählt. Eine Hochzeit ist doch nur eine Unterschrift, ein Ring und eine Steuerklasse, die für euch sowieso unwichtig ist. Für die Liebe braucht man kein Stück Papier.«

Michelle kräuselt die Stirn, grinst allerdings dabei und klopft dann mit der flachen Hand zweimal auf meinen Kopf. »Hallo? Wo hast du Louis gelassen? So schnulzig kenne ich dich gar nicht.« Lachend schiebe ich ihre Hand weg. Tja, diese Seite kenne ich auch noch nicht lange von mir. Erst Harry hat sie zum Vorschein gebracht. »Ich meine das ernst, Michelle.«

Seufzend verdreht sie die Augen. »Ja, wenn der passende Augenblick da ist, werde ich nochmal mit ihm reden. Aber zunächst gehen Liam und Harry vor.« Damit bin ich einverstanden, weshalb ich nicke. Bleibt zu hoffen, dass dieser ›Augenblick‹ nicht allzu lange warten muss.

____
Oh oh, Michelle denkt über eine Trennung nach. Was meint ihr ... schaffen es die beiden, ihre Beziehung zu retten oder war's das? :/

Zatago III - [Larry-AU]Where stories live. Discover now