Kapitel 35

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Sein schwaches Lächeln, das sich daraufhin auf seinem Gesicht ausbreitet, ist beinahe stolz. Ich weiß nicht, ob mir das Mut geben oder Angst machen sollte. Vielleicht ist er inzwischen einfach nur verrückt geworden. Wundern würde es mich nicht. »Ich hab's geschafft«, murmelt er. Ich runzle die Stirn, während meine Augen abwechselnd zwischen seinen hin und her huschen. »Was hast du geschafft?«

»Ich habe unten ein Feuer gelegt, um sie abzulenken.« Also doch. Mein Geruchssinn hat mich nicht getäuscht. Hätte Liam wirklich zu Carters Leuten gehört, hätte er das nicht getan. Außerdem würde man ihn dann nicht zu mir sperren. Falls Zayn wirklich noch ein Beweis fehlte, dass Liam immer noch unser Liam ist, hier ist er. »Und dann?«, frage ich.

Liam blinzelt hektisch und fährt mit den Fingern durch seine Haare. »Ich habe mitbekommen, dass Carter vorhin mit dir in diesen Flügel gegangen ist, da wusste ich, dass ich handeln muss. Ich hätte nicht gedacht, dass er es jetzt schon macht, aber da war mir klar, dass es um so dringlicher ist. Sobald die Flammen da waren, bin ich los gerannt. Du weißt schon ... nach unten. Ich wollte die Gefangenen befreien. Mir war klar, dass mir nicht viel Zeit bleibt, also bin ich zuerst zu Harry gerannt. Die Schlüssel hängen da unten immer, sodass ich seine Fesseln lösen konnte, damit er abhauen kann. Louis ... Harry ist frei!«, sagt er und strahlt dabei übers ganze Gesicht, während er seine Hände an meine Wangen legt.

»Harry ist frei«, wiederhole ich wispernd. »Ja.« Gott sei Dank. Liam hat ihm geholfen zu fliehen. Erleichterung durchflutet meine Adern, auch wenn stattdessen ich selbst eingesperrt bin, aber das ist mir immer noch lieber, als Harry in Gefangenschaft zu wissen. »Leider konnte ich nicht alle freilassen, aber immerhin knapp die Hälfte. Dann haben sie mich gesehen und hierher gebracht.« So gut das für diese Personen auch ist, in diesem Augenblick ist es mir egal, Hauptsache Harry wurde erlöst. Nur eine Sache trübt meine Freude. »Ist er ... ist er direkt abgehauen? Ich meine ... War es ihm egal, dass ich ... dass ich noch hier bin?« Erschrocken weiten sich Liams Augen, bevor er seinen Kopf schüttelt und mit seinen Daumen über meine Wangen streicht. »Was? Nein. Er weiß nichts davon, dass du noch hier bist. Ich habe ihm gesagt, wo Zayn und so sind und dass er da hinlaufen soll. Louis, du hast ihn doch gesehen. Harry braucht Erholung, selbst ein Tag würde schon etwas bringen, aber in seiner momentanen Verfassung hätte er gegen niemanden etwas ausrichten können. Ich hab ihm gesagt, dass er abhauen soll und ich mich um den Rest kümmere. Die anderen werden ihn aufklären und wenn er weiß, was Sache ist, wird er alles dafür geben und uns hier rausholen. Du kennst ihn doch.«

Auch wenn das stimmt, kippt mein Kopf nach vorne und ich schließe die Augen, um zu verhindern, dass eine Träne mein Auge verlässt. Chancenlos. Sie rinnt hinab, ehe sein Finger sie auffängt und wegwischt. Liam ist der loyalste Mensch, den ich kenne. Wie konnten wir auch nur eine Sekunde lang an ihm zweifeln? »Hey, alles wird gut, okay?«, flüstert er, während er dichter rückt. Seine Worte bringen das Fass zum Überlaufen, sodass ich nicht länger an mich halten kann und ein lautes Schluchzen von mir gebe. Ich will doch nur Harry wieder bei mir haben. Warum muss das nur so kompliziert sein? »Psch, komm her«, haucht Liam, bevor er mich zu sich zieht. Schniefend drücke ich mein Gesicht gegen seine Schulter und lasse es zu, dass er mir tröstend über den Rücken streichelt. »Ich vermisse ihn so«, nuschle ich, woraufhin sich seine Brust schwer hebt und senkt. »Ich weiß. Er vermisst dich auch. Ihr werdet euch bald wiedersehen.« Zwar habe ich Harry vorhin gesehen, aber das war nicht das Gleiche. Es war, als wären wir nicht wirklich wir gewesen, sondern lediglich zwei Hüllen, die wie Marionetten nach Carters Pfeife tanzen.

Als kurz darauf auch die vorerst letzte Träne ihren Weg in Liams Shirt gefunden hat, löse ich mich langsam von ihm. Mit dem Handrücken wische ich mir übers Gesicht und schaue dann unseren Freund an. »Du meintest eben, ich hätte Harry gesehen?« Er senkt den Blick, seine Hand gleitet dabei in seinen Nacken, über den er streicht. »Äh, ja. Ja, ich musste vorhin über einen Bildschirm zusehen.« Also tatsächlich. Das ist ziemlich unangenehm für uns alle. Sollte Liam noch Gefühle für mich haben, muss es die reinste Qual gewesen sein. »Kann es sein, dass Carter uns beide für ein Paar hält?«, frage ich ihn dennoch und mache zwischen uns mit meiner Hand eine Bewegung, die uns beide einschließt. Augenblicklich grinst er, weshalb ich irritiert die Stirn runzle. »Ich hoffe doch.«

Zatago III - [Larry-AU]Where stories live. Discover now