Kapitel 7

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Ich knalle die Autotür hinter mir zu und drehe mich zu Harry. »Mach das nie wieder!«, maule ich ihn an, weshalb er zusammenzuckt. »Baby, ich ...«

»Dir hätte sonst was passieren können!« Mein Blut kocht und ich kann nicht verhindern, dass ich lauter werde. Was hat er sich nur dabei gedacht? »Es ist aber nichts passiert«, antwortet er ruhig und streicht über meine Wange. Ich verenge die Augen, lege aber meine Hand auf seine. Er weiß genau, dass er mich mit dieser Geste immer bekommt. Unter seiner Berührung werde ich zu Wachs, ich kann nichts dafür. »Tut mir leid«, flüstert er, woraufhin ich die Augen verdrehe. Jetzt kann ich erst recht nicht sauer auf ihn sein. Das weiß Harry, weshalb er sich grinsend zu mir beugt und einen Kuss auf meinen Mund drückt. Manchmal spielt er wirklich mit unfairen Mitteln. Wie soll ich denn so widerstehen?

»Argh!« Ein eisiger Schauer prickelt in meinem Nacken, weshalb ich mich fiepsend von Harry löse, und mein Kopf zur Seite schnellt. Als Michelle mir durch das Fenster das Eis unter die Nase hält, streckt sie mir die Zunge entgegen. Stöhnend verdrehe ich die Augen. »Sehr witzig, Morelli. Gib schon her.« Während ich den Leckerbissen aus seiner Verpackung befreie, läuft Michelle ums Auto herum und setzt sich dann wieder neben Zayn auf die Rückbank. »Hier.« Obwohl er vorhin keinen Wunsch hatte, gibt sie ihrem Freund eine Cola. Zunächst zögert er, dann nimmt er sie aber entgegen und bedankt sich leise. Oh je, hoffentlich bekommen die beiden das wieder hin. Das Trauerspiel kann man sich ja nicht mitansehen. Sollten sie sich deswegen trennen, fände ich das unglaublich schade. Ich will mir gar nicht vorstellen, wie deprimiert Zayn dann sein wird.

Ich räuspere mich und sehe wieder zu Harry, der die beiden ebenfalls mit gerunzelter Stirn beobachtet. »Erzähl. Was hast du herausgefunden?«, fordere ich ihn auf. Blinzelnd löst er seinen Blick vom Spiegel, bevor er ihn auf mich richtet. »Na ja. Liam habe ich nicht gesehen, aber Carter wohnt wirklich dort. Erst tat er total überrascht, aber als ich nach Liam fragte, rückte er schließlich doch mit der Sprache raus.«

Harry stoppt und sieht gedankenverloren auf die Straße. Kaum merklich schüttelt er den Kopf, so als könne er nicht glauben, was dort vorgefallen ist. Erst jetzt bemerke ich das ausgeschaltete Radio, auch Zayn und Michelle geben keinen Ton von sich. Nur das Ticken Harrys Armbanduhr durchbricht die herrschende Stille. Ich schlucke und wische mir meine schwitzenden Hände an meiner Hose ab.

Was ist passiert?

Warum erzählt er nicht weiter? Kurz blicke ich zu Zayn, der jedoch genauso gebannt zu Harry starrt. »Und weiter?«, hauche ich schließlich.

Er löst den Fokus von der Außenwelt und reibt sich dabei über den Nacken. »Sie wollen Zatago. Wenn nicht ...« Ich reiße meine Augen auf, gleichzeitig zieht Zayn hinter mir scharf die Luft ein. »Wenn nicht?« Harry seufzt und seine Augen huschen wild durch die Gegend. »Wenn nicht, werden sie Liam etwas antun. Sie haben mir 24 Stunden Zeit gegeben. Dann soll ich wieder hin und ihnen meine Entscheidung mitteilen.«

»Was?!«, entfährt es mir. Ich schlucke. Gänsehaut breitet sich auf jedem Zentimeter meiner Haut aus. Was für asoziale Idioten! Wie können die das verlangen? »Na, schöne Scheiße! Von wegen lieber Kerl. Man, der will Liam kaltmachen! Woher weiß der überhaupt von Zatago?« Zayn wird laut und fuchtelt heftig mit seinen Armen, woraufhin Harry mit gerunzelter Stirn nach vorne stiert. »Na ja, explizit Zatago hat er nicht gesagt, aber er will alles, was ich besitze. Als Rache dafür, dass ich damals mit Liam die Gang verlassen habe. Keine Ahnung, ob er von der Ranch weiß oder nicht. Ich wüsste nicht, woher. Dass Liam davon erzählt hat, kann ich mir auch nicht vorstellen.«

»Dann wäre es wohl besser, wenn Carter auch nicht davon erfährt. Hast du einen Plan?« Harry wiegt den Kopf hin und her, während er den Schlüssel im Zündschloss nach rechts dreht. »Wir fahren erst einmal nach Hause. Mein erster Gedanke war, Geld zu holen, das ich ihm geben kann. Ich bin mir aber unschlüssig, ob er mir glaubt, dass das alles ist und ob er Liam dann sofort gehen lässt. Aber was sollen wir sonst machen? Habt ihr eine andere Idee?«

Ratlos zucke ich mit den Schultern, denn ich habe absolut keinen Schimmer, was in so einer Situation angebracht wäre. Ich frage mich allerdings, wo dieser Carter Liam aufgegabelt hat. Ist es nicht ein komischer Zufall, dass sie nur knapp hundert Meilen von uns entfernt sind? »Weiß nicht. Lasst uns eine Nacht drüber schlafen. Vielleicht fällt uns noch etwas besseres ein«, meint Zayn nach einer Weile. Alle nicken verhalten, woraufhin Harry den Wagen auf die Straße Richtung Westen lenkt. »Du sagtest ›sie‹. Er war also nicht alleine?«, erkundigt sich Michelle. »Nein, seine Schwester Pia war auch da. Ansonsten habe ich niemanden gehört oder gesehen.«

»Okay, also nur zwei Personen. Warum stürmen wir nicht einfach die Hütte und holen Liam da raus?«, überlege ich laut, was Harry zum Kopfschütteln animiert. »Ich bezweifle, dass er dort ist.«

»Hä, warum das? Er hat doch die Adresse auf die Karte geschrieben, oder nicht?«, murmle ich. Ein klebriger Tropfen des Eises rinnt zuerst über den Holzstiel, dann über meinen Daumen und schnell fange ich ihn mit meiner Zunge auf, bevor er auf meinen Klamotten landen kann. »Ja, schon. Aber ich denke, das wäre hier viel zu auffällig, jemanden festzuhalten.«

Michelle schnaubt und als ich mich zu ihr drehe, schüttelt sie den Kopf. »Du siehst zu wenig fernsehen, Harry. Wer jemanden festhalten möchte, tut das auch.«

»Da hast du zwar recht, aber Carter ist nicht dumm. Er weiß nicht, was Liam und ich nach unserem Ausstieg gemacht haben. Wir könnten auch ehrliche Arbeiter sein. Wenn ich die Polizei einschalten würde und Liam sich dort tatsächlich aufhalten würde, wäre Carter am Arsch. Ich denke nicht, dass er dieses Risiko eingeht.«

Die restliche Fahrt verläuft eher schweigsam. Jeder hängt seinen eigenen Gedanken hinterher, grübelt und wiegt Möglichkeiten ab, doch ein besserer Plan als der von Harry will uns nicht einfallen. Als wir wieder auf Zatago ankommen, verschwindet Zayn recht zügig in seiner Wohnung, während Michelle mit ihrem Audi davon rauscht, ohne dass die beiden sich voneinander verabschieden. Ich schaue dem aufgewirbelten Staub hinterher und seufze. Leben hier eigentlich nur Sturköpfe? Die beiden würden doch sicherlich eine Lösung dafür finden, stattdessen reden sie kein Wort miteinander. Dabei keimte kurz Hoffnung in mir auf, als Michelle ihrem Freund die Cola mitgebracht hat. Streit können wir doch gerade jetzt überhaupt nicht gebrauchen.

»Wollen wir rein?« Ich blinzle und drehe mich zu Harry, der bereits an der Haustür auf mich wartet. Mit schief gelegtem Kopf beobachtet er mich. Nach unserem Drama im letzten Jahr gab es bei uns zum Glück keinen erwähnenswerten Stress mehr. Hoffentlich bleibt das so.

Meine Lippen verziehen sich zu einem sanften Lächeln, als ich zu ihm schlendere. Doch ich betrete nicht den Eingangsbereich, sondern schlinge meine Arme um seinen Nacken, sodass ich mein eigenes Handgelenk umfasse. In einer fließenden Bewegung schmiegen sich Harrys Hände an meine Hüfte und lächelnd lehne ich meine Stirn an seine. »Ich liebe dich.« Mein Flüstern ist gerade so laut, dass Harry meine Worte versteht. »Ich liebe dich auch, Baby.« Seine sanfte Stimme dringt in mein Ohr und bringt die Schmetterlinge dazu, kitzelnd um mein Herz herumzuschwirren. Eine zärtliche Liebkosung unserer Lippen verstärkt das Flattern in meinem Inneren. Werde ich jemals genug von diesem Mann haben? Selbst in so einer schwierigen Situation wie jetzt bin ich glücklich mit ihm. Früher hätte mir das Angst gemacht, aber jetzt will ich nichts anderes mehr. »Ich liebe dich«, wiederhole ich hauchend, woraufhin Harry leise lacht. »Ich liebe dich.« Ich kann nicht anders, ich muss ihn wieder küssen. Immer wieder. Wieder und wieder.

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Carter will Zatago! Wenn nicht, passiert Liam etwas ...😱
Wie würde euer Schlachtplan aussehen? 😬

Zatago III - [Larry-AU]Where stories live. Discover now