Kapitel 8

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Abends folge ich Harry ins Arbeitszimmer. Beim Hinaufsteigen der Wendeltreppe heften meine Augen an seinem göttlichen Hintern. Vielleicht können wir unsere Nummer auf der Kommode vom Vortag wiederholen. Ich wäre jedenfalls allzeit dafür bereit.

Doch zu meiner Missgunst huscht er um den Schreibtisch herum und nimmt auf dem Chefsessel Platz. Noch immer liegt die lilafarbene Karte in der Klarsichtfolie auf dem Schreibtisch, die er sich greift. »Irgendwie kapiere ich noch nicht, was es mit dem Text auf sich hat. Heiratet er wirklich? Wenn ja, wen? Wenn nein, wie konnte er den Brief unentdeckt abschicken oder überhaupt schreiben? Das muss doch irgendetwas bedeuten«, murmelt er und mustert die gedruckten Worte, weshalb ich jeden seiner Gesichtszüge abscanne. Neben der tiefen Falte auf der Stirn wirkt sein Kiefer angespannt. Am Hals zeichnet sich eine Ader ab und die Schultern hat er hochgezogen. Es ist lange her, dass ich ihn so besorgt gesehen habe.

Ich senke den Blick und überfliege die Buchstaben. Liam wird irgendwo gegen seinen Willen festgehalten und Harry wird erpresst. Irgendwie ist der Ernst der Lage bisher gar nicht so wirklich in meinem Bewusstsein angekommen. Aber Scheiße, es ist verdammt ernst! Dieser Mistkerl namens Carter macht sich daraus auch noch einen Spaß und spielt mit Harry. Liams Leben ist der Einsatz. Auch wenn nichts wichtiger ist, als Liam da rauszuholen, hoffe ich inständig, dass Carter sich mit dem Geld zufrieden gibt, das Harry ihm überreichen will. Zatago ist unser Leben, unser Zuhause, unsere Liebe. Nicht nur Harry wäre am Boden zerstört, wenn er diesen Ort verlieren würde. Sollte der Fall eintreten, wird mich dieser Dreckskerl kennenlernen. Irgendwas wird mir dann schon einfallen.

Als Harry stöhnend die Ellenbogen auf dem Tisch abstützt und sich mit Mittel- und Zeigefinger über die Schläfen reibt, stelle ich mich hinter ihn. »Hey, wir bekommen das hin. Wir haben die Bank of Montreal ausgeraubt, ohne Spuren zu hinterlassen. Dann schaffen wir auch das.« Harry nickt zwar, doch ich bezweifle, dass er davon überzeugt ist. Sanft umfasse ich seine Oberarme, damit er sich wieder nach hinten lehnt. Ohne Widerworte kommt er meiner stummen Bitte nach und als ich seine Schultern massiere, seufzt er leise. »Was meinst du, wie viel Geld sollten wir Carter geben?«

Überfragt plustere ich meine Wangen auf und stoße anschließend langsam die Luft aus. »Ich habe echt keine Ahnung. Vielleicht wäre es besser, wenn du das Zayn fragst.« Woher soll ich das wissen? In irgendwelchen schlechten Filmen zeigen die immer nur die Geldbündel. Die Summe kann ich absolut nicht einschätzen. »Ja, es darf nicht zu viel, aber auch nicht zu wenig sein. Er hat meine Klamotten gesehen und mich auf meine Uhr angesprochen. Dass ich noch immer eine arme Kirchenmaus in einer Straßenbande bin, wird er mir auf keinen Fall abkaufen.« Da hat er wohl recht. Ich bezweifle, dass sich Carter mit ein paar hundert Dollar zufrieden gibt. Aber auf keinen Fall darf er Zatago bekommen oder entdecken. Zum Glück haben wir genügend Kohle beim Coup erhascht. So tut uns das wenigstens nicht weh, wenn wir das Geld nicht wiedersehen.

»Hast du noch irgendetwas im Auto? Ich werde es noch ausräumen, falls er das auch haben will.«

»Das Auto auch?«, fiepe ich und reiße die Augen auf. Ja, es ist nur eine Karre, aber es hängen doch Erinnerungen daran. »Reine Vorsichtsmaßnahme. Wenn er es nicht verlangt, gebe ich es ihm nicht.« Verstehend nicke ich, auch wenn mir bei der Vorstellung schlecht wird.

Eine Weile schweigen wir, nur Harrys Seufzen, das meine Finger verursachen, hallt hier und da durch den Raum. Durch das geöffnete Fenster dringt das Wiehern der Pferde in meine Ohren, weshalb ich nach draußen blicke. Obwohl es bereits dämmert, erkenne ich in der Ferne zwei junge Männer, die am Ende der Koppel stehen und zwei der Pferde streicheln. Es ist selten, dass sich Spaziergänger hierher verirren, weshalb ich die Augen verenge. Die beiden scheinen jedoch keine bösen Absichten zu haben und als sie händchenhaltend fortschreiten, zaubern sie mir ein Lächeln ins Gesicht. Sie sehen glücklich und zufrieden aus.

»Hattest du heute Abend noch was vor?« Harry holt mich aus meinen Gedanken. Ich blinzle und senke den Blick zu ihm, sodass ich in sein fragendes Gesicht schaue. »Nein, du etwa?« Unter meinen Händen zuckt der mit den Schultern und gähnt gleichzeitig. Hm, vielleicht sollten wir ins Bett verschwinden. »Na ja, wenn's für dich okay ist, würde ich noch eine Runde reiten.«

»Ach, wie passend. Das wollte ich auch gerade vorschlagen.« Harry stockt und zieht die Augenbrauen zusammen, doch als ich meine vielsagend hochziehe, lacht er. Was für ein wunderschönes Geräusch! Nur leider geht er nicht auf meinen Wunsch ein, sondern erhebt sich und steuert die Zimmertür an. »Dann können wir ja zusammen gehen.« Obwohl er nicht wartet, bis ich antworte, ist seine Belustigung nicht zu überhören. Ich schnaube und husche ebenfalls aus dem Raum, um im Schlafzimmer Harry beim Umziehen zu beobachten.

Mit verschränkten Armen lehne ich mich seitlich an den Kleiderschrank, aus dem Harry Reithose und Poloshirt zieht. Den beinahe nackten Körper, den er mir wenige Augenblicke später direkt vor meiner Nase präsentiert, muss ich einfach anstarren. Ich kann gar nicht anders! Man, wie soll meine Libido da denn relaxen? Unmöglich. Als er sich bückt und mich so mit dem Anblick seines Hinterns provoziert, ziehe ich scharf die Luft ein. »Ich meinte das gerade ernst, Harry.« Nickend schlüpft er in die enge Hose. »Ich auch.«

»Du ... was?!« Meine Stimme ist von jetzt auf gleich nur noch ein helles Quietschen. Er will mich auf einem Pferd sehen?! Das Blut in meinen Adern gefriert und in meinem Kopf spinnen sich Bilder zusammen, die mich zum Zittern bringen. Harry reagiert sofort und legt seine weichen Hände an meine Wangen. »Hey, alles gut. Das war vielleicht falsch formuliert. Ich meinte damit nicht, dass du dich auf ein Pferd setzen sollst. Aber vielleicht kommst du einfach mal mit mir. Ich verspreche dir, dass dir nichts passiert.« Ich schlucke und umklammere Harrys Hüfte. Seine Augen huschen dabei forschend über mein Gesicht. Mir war immer klar, dass er mir das irgendwann vorschlagen wird, aber ich dachte eher so ... in zehn Jahren. »Baby, du musst nicht. Ich würde mich freuen, ja. Aber wenn du das nicht möchtest, ist das absolut in Ordnung. Ich verstehe das.« Erneut schlucke ich. Bei der Suche nach Mut in jeder noch so kleinsten Faser meines Körpers kribbelt meine Haut. Ich will Harry nicht enttäuschen, aber die Vorstellung mich einem Pferd zu nähern, lässt meinen Puls auf unangenehme Weise in die Höhe schnellen. »Ich kann das nicht, Harry. Tut mir leid.« Er lächelt und streicht sanft mit seinen Fingerspitzen über meine Wange. »Du musst dich dafür aber nicht entschuldigen. Ich liebe dich.«

»Ich dich auch.« Kaum habe ich die Liebesbekundung ausgesprochen, drückt er mir einen zärtlichen Kuss auf den Mund. Er bleibt unschuldig und zurückhaltend, ganz anders als sonst, und doch verursacht er ein wohliges Wummern in meinem Herzen.

Nachdem Harry sich von mir gelöst hat, zieht er sich sein Shirt über und verschwindet dann aus dem Schlafzimmer. Seufzend schaue ich ihm einen Moment hinterher, tapse dann aber zum Fenster, um hinab auf Zatago zu schauen. Eigentlich will ich nicht so ein Angsthase sein. Aber in diesem Moment eben hatte ich keine Ahnung, wie ich reagieren sollte. Ich weiß, wie viel Harry die Ranch und seine Pferde bedeuten, gleichzeitig weiß er aber auch, wie groß meine Panik ist. Dabei würde ich ihn gerne aus der Nähe betrachten, wenn er seiner großen Leidenschaft nachgeht.

Als unten die Haustür zufällt, erscheint Harry einen Wimpernschlag später auf dem Gelände. Über seine Schulter wirft er einen Blick nach oben und als er mich am Fenster entdeckt, verformen sich seine Lippen zu einem Kussmund. Ich lächle und küsse meine Finger, bevor ich ihm zuwinke. Vielleicht sollte ich mir selbst einen Ruck geben. Wenn ich mich dazu zwinge, schaffe ich es bestimmt. Was soll schon passieren? Harry hat mir versprochen, dass alles gut geht.

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Ohhhhh, was hat Louis vor? :O Wird er etwa Harry folgen?

Zatago III - [Larry-AU]Where stories live. Discover now