Kapitel 28

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»Ich meinte das wirklich nicht so.« Um mich herum ist alles dunkel und weich.

»Warum hast du es denn gesagt?« Mir ist unglaublich warm. Ich fühle mich wie betäubt und auf meiner Taille ruht ein leichtes, aber doch unangenehmes Gewicht.

»Ich ... ich weiß es ja selbst nicht so wirklich.« Wer redet da?

»Hmm.« Träume ich? Bin ich wach? Blinzelnd versuche ich die Augen zu öffnen, doch es will mir nicht gelingen. Ein Seufzen zischt in meinem Ohr. »Es klang so ... beschlossen. Da fühlte ich mich irgendwie ... hintergangen.« Ist das Zayn? Es ist nur ein Flüstern, doch ich kenne den Klang.

»Du fühltest dich hintergangen? Weißt du, wie ich mich fühlte?« Ich zucke zusammen, denn diese Stimme ist lauter. Michelle. Ganz eindeutig. Aber wo bin ich? Ich hebe meine Hand, um mir über die Augen zu reiben.

»Psst, nicht so laut.« Zu spät. Jetzt bin ich wach. Ich konzentriere mich und schaffe es endlich, die Lider offen zu lassen. Ach, ja. Ich schlafe bei Carter, der seinen Arm um mich gelegt hat. »Es tut mir wirklich leid, Baby. Ich kann mich nur wiederholen. Ich liebe dich doch. Bitte verlass mich deswegen nicht.« Baby? Nie hätte ich gedacht, dass Zayn diesen Kosenamen in den Mund nimmt. Er denkt wahrscheinlich, dass ich tief und fest schlafe, sonst würde er ihn niemals in meiner Gegenwart verwenden. Einen Moment schmunzle ich, doch dann wird mir klar, dass ich jetzt die perfekte Gelegenheit habe, um mich umzusehen.

»Du bist ein Idiot.« Es raschelt und knistert, kurz darauf folgen leise Schmatzgeräusche. Oh yes, wenn sie jetzt rummachen, ist der Gedanke an eine Trennung hoffentlich passé. Ich schätze, sie haben sich schon eine Weile unterhalten, denn ich kann mir nicht vorstellen, dass ein tagelanger Streit nach drei Sätzen vergessen ist. Egal. Die Hauptsache ist, dass sie jetzt nicht mehr die Finger voneinander lassen. Ob ich sie darauf aufmerksam machen soll, dass ich zuhöre? Zayn wäre das furchtbar peinlich. Ich frage mich, ob sie im Auto sitzen oder hinten im Transporter liegen. Ich tippe auf zweiteres. Ein kleiner Live-Porno der beiden – wenn auch nur akustisch – wäre doch auch mal ganz nett. Wobei ... Nachher erregt mich das noch. Das wäre merkwürdig.

Über den Gedanken grinsend drehe ich mich vorsichtig in Carters Umklammerung. Seine Atmung ist langsam, leicht schnarchend. Dennoch tippe ich ein paar Mal gegen seinen Oberarm – keine Regung. Dafür habe ich leises Schnaufen in meinem Ohr, das mal mehr, mal weniger intensiv ist. Darauf bedacht, Carter nicht zu wecken, richte ich mich auf und schleiche dann auf Socken aus dem Schlafzimmer. Zur Not kann ich ihm immer noch sagen, dass ich nur aufs Klo musste. Falls er jetzt doch wach ist, steuere ich dieses auch als erstes an. Ich knipse das Licht im Flur an und tapse dann lautlos über den marmorierten Boden hinüber ins Badezimmer. Rasch werfe ich einen prüfenden Blick nach links und rechts, bevor ich hinein husche und die Tür hinter mir verschließe, an die ich mich dann lehne. »Zayn«, zische ich.

Doch keine Reaktion.

»Zayn!«, wiederhole ich, diesmal in einer normalen Lautstärke. Entgegen meiner Erwartung antwortet er mir aber nicht, stattdessen läuft das Keuchkonzert in meinem Ohr weiter. Ich puste ins kleine Mikrofon der Armbanduhr, klopfe mit meinem Zeigefinger dagegen. Doch die einzige Rückmeldung, die ich erhalte, ist ein Stöhnen meines besten Freundes und seiner Freundin. Das darf nicht wahr sein! Hat er etwa das Headset beiseitegelegt? Wenn man mich jetzt abstechen würde, bekäme das keine Sau mit. Na, der kann was erleben. Und wo ist eigentlich Niall? Ich habe gedacht, die beiden würden im Transporter liegen, aber dann hätte doch Niall das Headset. Würde Zayn wirklich das Risiko eingehen, dass man die beiden sieht, und vorne auf dem Fahrer- oder Beifahrersitz Sex haben? Bei aller Liebe, aber das kann ich mir nicht vorstellen. Ungläubig schüttle ich den Kopf, stoße mich dann aber von der Tür ab, um mich zu erleichtern.

Nachdem ich meine Hände gewaschen habe, verlasse ich das Bad. Noch immer ist niemand auf dem Flur zu sehen, weshalb ich zielstrebig, aber mit wild klopfendem Herzen Carters Arbeitszimmer anpeile. Wenn es wichtige Hinweise gibt, vermute ich sie dort. Ein erneuter Blick über meine Schulter, dann drücke ich die Klinke herunter und betrete durch den schmalen Spalt den Raum, bevor ich es wage, den Lichtschalter zu betätigen und die Tür hinter mir zu verschließen. Während ich mir einen ersten Eindruck verschaffe, faselt Michelle etwas von einem Gummi. Sie treiben es also wirklich. Na ja, immerhin verhüten sie. So ein schreiendes Baby auf Zatago wäre ja noch schöner.

Drei der Wände sind weiß gestrichen, nur die mir gegenüberliegende Fensterfront hat eine graublaue Farbe abbekommen. Der Boden ist aus dunklem Parkett mit einem kleinen Teppich darauf, der wie Schafsfell aussieht. Die Einrichtung besteht überwiegend aus schwarzen Möbeln mit Elementen aus Metall. »Na, dann wollen wir mal«, murmle ich und knöpfe mir als erstes die Kommode zu meiner Rechten vor. Hinter der ersten Tür stehen ein Dutzend Aktenordner - alle prall gefüllt. Wenn ich die jetzt alle durchgehe, bin ich in drei Wochen noch nicht fertig. Dennoch ziehe ich probehalber einen heraus und blättere den Inhalt wie bei einem Daumenkino. Wonach soll ich eigentlich suchen? Carter wird wohl kaum irgendwo Unterlagen herumfliegen haben, die dokumentieren, dass er wen auch immer versteckt hält. »Meine Fresse, Zayn. Ihr vögelt echt zu einem ungünstigen Zeitpunkt.« Ich könnte jetzt gut seine Hilfe gebrauchen.

Seufzend schiebe ich den Ordner zurück an seine Position, bevor ich mich dem mittleren Teil der Kommode widme. Es sind fünf Schubladen und zum Glück ordentlich sortiert. Die oberste von ihnen bringt mich dazu, meine Stirn zu kräuseln. Näht der gute Carter etwa? Ein paar Stoffe, Nadeln in einem Döschen, Garn und Gummibänder auf einem Stück Pappe finde ich. Kopfschüttelnd schließe ich sie wieder, um die nächste Schublade aufzuziehen. Notizbücher, Umschläge, Briefpapier. Nachdenklich ziehe ich einen Stapel heraus und wiege es in meinen Händen hin und her. Ist das nicht das gleiche Papier, aus dem auch diese skurrile Hochzeitsmitteilung gemacht wurde? Ich lege es zurück und öffne die restlichen Schubladen. Die sind allerdings nur noch mit Kabeln, E-Reader, iPod, Powerbank und einer pinken Playstation bestückt. Das interessiert mich alles nicht. Bevor ich die zweite Tür der Kommode öffne, halte ich einen Moment inne, um zu horchen, ob sich draußen irgendetwas regt. Bis auf mein pumpendes Herz in meinen Ohren höre ich jedoch nichts. Ich wische mir rasch die Hände an meiner Hose ab und ziehe dann am Griff. Doch auch hier sehe ich nichts als Aktenordner. Das gibt's doch nicht.

Meine Augen scannen weiter den Raum ab. Vielleicht das Bücherregal? Doch da sind mindestens vierhundert Romane und Sachbücher aufgereiht. Sollte er da in irgendeinem Teil etwas verstecken, müsste ich schon unwahrscheinliches Glück haben, das zu finden. Darauf will ich mich jetzt aber nicht verlassen, weshalb ich mir lieber den Schreibtisch vorknöpfe, der so steht, dass man tagsüber einen wundervollen Ausblick auf den Garten hat.

»Uhh, ahh, ohh, ahh, ja! Gib's ihm, Michelle«, kommentiere ich dabei grinsend die Hintergrundkulisse in meinem Ohr. Hätte ja nicht gedacht, dass die beiden so laut dabei sind.

Auf der Schreibtischplatte liegt ein Notebook und einen Moment überlege ich, es aufzuklappen. Doch kaum habe ich die Finger drauf liegen, sehe ich Harry förmlich vor mir, wie er mich davon abhält, weil die eingebaute Kamera mich aufzeichnen könnte. Besser, ich lasse es. Die kleine Lampe und das Mousepad sind uninteressant, weshalb ich mich auch hier auf die Schubladen konzentriere.

Zayns Stöhnen wird lauter. Ich schätze, es wird nicht mehr lange dauern, bis er abspritzt. Aber auch Michelles Töne sind nicht von schlechten Eltern. Kichernd ziehe ich die erste Schublade auf. Stifte, ein altes Handy, ein silberner Brieföffner und ein Schlüssel. Wofür der wohl ist? Er ist recht groß und sieht aus, als wäre er für irgendeinen Gartenschuppen. Mir juckt es in den Fingern, ihn mitzunehmen, doch das Risiko, dass es auffällt, ist mir zu groß. Wenn ich wenigstens schon wüsste, ob es hier irgendwo noch einen versteckten Raum gibt, wäre es was anderes. Aber so?

Seufzend schließe ich die Schublade und öffne die nächste. Im gleichen Moment zischt Zayn, dass er kommt. Michelle stimmt ihm zu. Finale! Ich balle meine Hand zur Faust, spanne meinen Arm an und bewege ihn ein paar Mal im Takt der beiden zu meinem Körper. »Ohhhhh, yeaaaah.« Ich ziehe die beiden Worte in die Länge, stöhne und lasse mich dann in den Chefsessel fallen, als hätte ich gerade selbst erschöpfenden Sex gehabt.

Ich will lachen, doch mir bleibt es im Hals stecken, als plötzlich die Tür hinter mir ins Schloss fällt. »Was tust du da?«

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Oh oh, wer stört denn da Louis beim Schnüffeln? ;)

Und wenn Zayn erfährt, dass Louis die ganze Zeit wach war und alles mitgehört hat, wird er ihm wohl nicht mehr in die Augen sehen können xD


Zatago III - [Larry-AU]Where stories live. Discover now