NEUNUNDZWANZIG

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Ich war schon seit Acht Uhr am morgen schwer am schuften. Das Geschirr vom vergangenen Tag war gespült und eingeordnet. Das Besteck an alle Tische verteilt und die Karten lagen ebenfalls in Reichweite. Geschafft ließ ich mir in einer freien Minute selbst einen Kaffe aus der Maschine und lehnte mich gegen den Tresen. Es war mittlerweile nach Zehn Uhr und der Ansturm hatte sich ein wenig verringert. Verständlich, da am Montag morgen die meisten arbeiten mussten.
Drei Teenager, die wohl keine Schule mehr hatten, saßen in einer Nische und tranken eine Eis-Schokolade, aber sonst war alles wie leer gefegt.

Seufzend stieß ich mich vom Tresen ab und begann die benutzten Teller abzuwaschen. Helena hatte sich vor einigen Minuten verabschiedet, da sie noch eine Besorgung erledigen musste. Somit war ich allein im Café, später würden noch Ben und Jenny kommen, aber da morgens sowieso nicht viel los war wurde ich eben alleine eingeteilt.

Das Klingeln der Glöckchen, die über der Tür baumelten, ließ mich aus den Gedanken schrecken.
Wie immer drehte ich mich abrupt um, um zu schauen wer kommt. Blöde Angewohnheit, da ich die meisten sowieso nicht kannte. Aber nicht nachzuschauen war irgendwie auch unhöflich.

Ich hielt in der Bewegung inne, als ich einen wohlbekannten Blondschopf in der Tür ausmachte. Auf meinem Gesicht tat sich ein breites Strahlen auf. Er machte wohl keine leere Versprechen.
Hinter Julian kam schließlich auch Kai zum Vorschein.

Sie hatten mich noch nicht gesehen, also trat ich hinter der Anrichte vor und lief auf die beiden zu.

"Alessia, da bist du ja" rief Julian und zog mich in eine Umarmung.
Sofort umhüllte mich sein Duft und Wärme machte sich in meiner Bauchgegend bemerkbar.
Anschließend schloss mich auch Kai in die Arme.

"Du bist tatsächlich da" stellte ich erstaunt fest.

Empört verzog er sein Gesicht. "Natürlich, was denkst du denn. Hat gerade perfekt gepasst, wir haben sowieso noch nicht gefrühstückt und wollten danach einkaufen gehen"

Ich quittierte das ganze mit einem herzhaften Lachen und schob die beiden Fußballer dann an einen kleinen Tisch.
Mit Einkaufen war eigentlich shoppen gemeint, doch für die Jungs klang das zu unmännlich.

"Also was darf's sein?" fragte ich, ganz nach Gewohnheit.

"Ein Cappuccino und ein Bauernfrühstück" schoss es aus beiden Mündern gleichzeitig.

Aufgeregt, wie kleine Kinder, formten sie ein O mit ihren Mündern und zeigten auf den jeweils anderen.
Anschließend gaben sie sich noch einen Check.

"Jungs" murmelte ich und verdrehte die Augen.

"Kommt gleich" sagte ich, als sie sich beruhigt hatten.

Keine 30 Minuten später waren beide gesättigt und wollten weiter gehen.
Kai ging schonmal zum Auto vor, verabschiedete sich davor aber noch von mir.
"Hoffentlich sehen wir uns bald wieder, ich bin jetzt dann im Urlaub und ich weiß ja nicht was noch so passieren wird. Also halt mich auf dem laufenden." hatte er mir noch zu geflüstert.

"Was hast du am Mittwochabend vor?" fragte mich Julian schließlich.

"Noch nichts" antwortete ich wissend, was jetzt kommt.

"Gut, jetzt nämlich schon. Wir gehen ins Kino" strahlte er mir entgegen.

Ich schmunzelte "Au ja, da war ich schon ewig nicht mehr"

"Ich schreib dir nochmal wann" er zog mich an seine Brust, während ich meine Arme um seinen Bauch schlang.

Der Fußballer drückte mich ein wenig von sich weg, so dass er mir in die Augen schauen konnte.

"Ich würde dich nur zu gerne küssen. Aber ich glaube das ist nicht der richtige Ort dafür." seufzte er.

Ich nickte verständlich, war aber dennoch traurig. Ich wünschte mir nichts sehnlicher, als seine Lippen auf meinen. Obwohl es erst gestern war als er mich das letzte mal geküsst hatte.

"Tschüss Alessia und danke für das fantastische Essen" lächelte er.

"Kein Ding und viel Spaß beim einkaufen" um das Wort 'Einkaufen' machte ich Gänsefüßchen und lachte nebenbei.

"Werden wir haben. Bis Mittwoch" rief er im Gehen.

Die Tür schloss sich hinter ihm und dann war alles still.
Nachdenklich stellte ich das Geschirr in die Spülmaschine.

Waren wir jetzt eigentlich zusammen.
Er hatte zugegeben, dass er etwas für mich empfindet und ich für ihn.
Wir hatten uns schon öfters geküsst.
Und trotzdem stand uns etwas im Weg.
Wir sollten uns wirklich erst noch ein bisschen besser kennenlernen.
Aber diese Zeit nahmen wir uns.

Weshalb ich mich schon jetzt auf den Mittwoch freute.

Die zwei weiteren Arbeitstage waren zäh. Es war nur wenig los, da viele im Urlaub waren und außerdem lag eine quälende Hitze über Köln und der Umgebung.
Kaum einer wagte es sich tagsüber aus dem Haus zu gehen, weshalb in den lauen Nächten das Unwesen auf den Straßen tobte.

Glücklicherweise war es im Café angenehm kalt, während die Temperaturen draußen an der 40 Grad Marke kratzten.
Umso glücklicher war ich, als ich um 16 Uhr, eine Stunde früher als sonst, meine Schürze aufhängen durfte.

Durch die heiße Mittagssonne fuhr ich nach Hause.
Gottseidank lag meine Wohnung nicht im Dachgeschoss, sonst würde ich womöglich noch im Garten zelten müssen.

Um 19 Uhr würde mich Julian abholen, ich wusste noch nicht welchen Film wir schauen. Julian meinte ich solle mich überraschen lassen.
In Windeseile machte ich mich fertig und zog mir letztendlich ein luftiges Kleid und Sneaker an.
Fast eine Stunde zu früh war ich fertig und setzte mich deshalb noch vor den Fernseher, beschloss aber dann mein Zeug für Morgen zu richten. Um 9 Uhr würde ich Kara abholen und dann mit ihr zur Uni fahren. Dort würden wir die Testergebnisse bekommen und mit ihnen das wohlbekannte Zertifikat.

Ich konnte kaum glauben, dass mein Studium schon in einem Jahr vorbei sein würde. Wie oft hatte ich mir vorgestellt was ich einmal studieren würde. Wo ich wohnen würde. Was ich später arbeiten würde. Wann ich heiraten würde oder ob ich mal Kinder bekommen würde. Und jetzt scheint schon alles in so einer greifbaren Nähe zu sein.

Das Klingeln der Tür holte mich zurück auf den Boden. Aufgeregt sprang ich auf und lief zur Tür. Julian stand lässig im Türrahmen gelehnt, eine Sonnenbrille und Kappe verdeckten leider sein Gesicht, dennoch sah er überaus attraktiv aus.
Ich merkte wie er mich musterte.

"Du siehst gut aus" raunte er.

Ich schnappte nach Luft, während mein Gesicht merklich rot anlief.

"Du auch" flüsterte ich.

"Das wird wohl nie aufhören" grinste Julian.

"Was?" fragte ich.

"Dass du nicht mit Komplimenten umgehen kannst" schmunzelte er.

Ich zuckte bloß grinsend die Schultern und lief anschließend mit ihm zu seinem Sportwagen.

Auf dem Fußweg zum Kino legte Julian seinen Arm um meine Schulter und zog mich näher zu sich.
Sofort bemerkte ich wieder das entfachte Kribbeln in meinem Bauch.

"Was schauen wir jetzt eigentlich?" fragte ich interessiert.

Er zuckte mit den Schultern "Such dir was aus, mir egal was."

Mit einer Hand öffnete er die große Tür und zog mich mit der anderen Hand, an der Hüfte, in das Forum des Kinos.

Nobody compares to you   -Julian BrandtWhere stories live. Discover now