|FÜNFZEHN|

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Ich war an diesem Morgen lange vor meinem Wecker wach, wobei ich eigentlich bis 9 Uhr hätte schlafen können.
Fast eine Stunde lang lag ich in meinem Kissen und starrte die Decke an, mit einem breiten Grinsen auf meinem Gesicht.

Gleichzeitig musste ich mich immer mal wieder selbst kneifen, um sicher zu gehen, dass das alles nicht nur ein bescheuerter Traum war.

Meine Stimmung wanderte die ganze Zeit von überglücklich über:
'ich bin so ein Idiot, wir kennen uns ja erst seit einer Woche',
zu:
'ich kann nicht verleugnen, dass es wirklich schön war', was wiederum dazu führte, dass ich überglücklich war.

Ein ewiger Kreislauf.

Als mein Wecker dann endlich klingelte, war ich wieder bei überglücklich angelangt und dabei beließ ich es auch.

Voller Elan sprang ich aus meinem Bett, öffnete das Fenster und ging anschließend in die Küche um mir einen Kaffe rauszulassen.

Erst um 10 Uhr müsste ich in der Uni antanzen, dafür aber bis 15 Uhr bleiben und danach direkt meinen Bruder am Bahnhof abholen.

Vom Arbeiten hatte ich mir frei genommen, da ich sowieso noch Überstunden abbauen musste und für Samstag und Sonntag hatte ich mir kurzerhand freigenommen.

"Du strahlst ja so" euphorisch empfing mich Kara auf dem Parkplatz und schloss die Arme um mich.

Ein schmunzeln schlich sich erneut auf meine Lippen, "Könnte sein, dass gestern Abend ganz gut lief"

Kara sprang wie ein aufgescheuchtes Reh neben mir auf und ab.
Es sah schon lustig aus, sie hatte eine Leggins an, dazu eine weiße Bluse, ihre braunen Haare steckten in einem Dutt und ihre Nase zierte eine Brille.
Zudem trug sie Birkenstocks.
Alles in allem eine ganz wirre Kombination, aber sie lebte nun mal nach dem Motto 'Hauptsache intelligent wirken', deshalb war die Brille auch nur zur Schau da, sie hatte nichtmal Gläser.

Ob ihr mir's glaubt oder nicht, ich hatte sie erst außerhalb der Uni das erste mal mit einer Jeans gesehen, und das war ein wirklich fremder Anblick.
Ich beneidete sie schon ein wenig, dass sie das so strikt durchzog, Fünf Stunden in Lesungen zu sitzen ist verdammt unbequem. Aber bis jetzt hatte ich es auch so überlebt.

"Also erzähl schon" bettelte Kara, als wir den Saal betraten.
Ich begann vom vergangen Abend zu berichten, nicht ganz so Detailgetreu wie bei Elisa, aber sie erfuhr das wichtigste.
Erfreut quietschte sie auf und es endet darin, dass Kara mir die ganze Zeit kleine Zettelchen zu steckte, auf die sie irgendeinen Schwachsinn gekitzelt hatte.

Ich war froh, als ich nach etlichen Stunden die Stufen zum Parkplatz herunter laufen konnte.
Kara war schon weg, sie fuhr noch mit der Bahn in die Innenstadt um dort ihren Freund zu treffen.
Und ich machte mich nun auf den Weg zum Bahnhof.

Da ich so eine liebe Schwester war, beschloss ich sogar am Bahngleis zu warten. Völlig überfordert suchte ich nach der Zugnummer, welche ich dann endlich auch fand und lief dann zu Gleis 16.
Im selben Moment in dem ich die letzte Stufe erklommen hatte, fuhr der Zug ein.

Perfektes Timing würde ich sagen.

Schon kurz darauf sah ich Levin aus dem Wagon aussteigen, ich hatte einen kurzen Herzinfarkt, als dicht hinter ihm eine große Frau mit schwarzen Haaren ausstieg, die dann zum Glück in die andere Richtung weiterlief. Die Frau hatte im ersten Augenblick ausgesehen wie Katja, seine Freundin.
Nicht dass ich sie nicht mögen würde, aber ich hatte schon kaum Platz für eine weitere Person in meiner Wohnung, geschweige denn für eine dritte Person.

"Schwesterherz" rief mein Bruder und nahm mich herzlich in die Arme.

Unser Verhältnis war nicht immer so gut gewesen, als wir beide noch zu Hause wohnten gerieten wir oft aneinander, weil mein Bruder ziemlich oft grundlos Stress mit meinen Eltern anfing und ich versuchte diesen wieder zu schlichten.
Levin war wirklich ein Sorgenkind gewesen.

In dieser Hinsicht war Katja wirklich ein Wunder, ohne sie würde mein Bruder wohl heute noch in Stuttgart rumlungern und vor sich hin vegetieren.
Aufjedenfall waren wir beide jetzt wieder ein Herz und eine Seele, auch wenn wir uns nur selten sahen.

Wir saßen mittlerweile im Auto und tauschten uns aus, kurz hielten wir noch an einer Dönerbude und kauften uns etwas zu Essen, bis wir schlussendlich in meiner Wohnung ankamen.
Levin machte sich direkt auf dem Sofa breit und packte seinen Döner aus, während ich meinen Yufka aß.

"Unf wie läuftsch scho mit den Jungsch?" schmatzte er und sah mich dabei mit großen Augen an. Ich verzog mein Gesicht, ich hasste es, wenn er mit vollem Mund redete.

Ich zuckte belanglos mit den Schultern, woraufhin sich Levins Augen weiteten.

"Wie jetzt?" fragte er ungläubig.

"Das normale, mal dies mal das, immer mal was anderes" sagte ich todernst, musste aber aufpassen, dass ich nicht direkt losprustete.
Er kaufte es mir tatsächlich ab.

Er hatte empört seinen Döner abgelegt, "Du verarscht mich gerade oder?"

Ich versuchte ernst den Kopf zu schütteln, was aber kläglich scheiterte und in einem lauthals lachenden nicken endete.
Levin schaute etwas bedröppelt, fiel dann aber mit in mein Lachen ein.

"Also nichts?" fragte er nach einer Weile, nachdem ich mich wieder beruhigt hatte.

Ich schüttelte nach kurzem zögern den Kopf.

Wenn er wüsste, dass ich gestern einen Fußballer geküsst hatte.
Bei dem Gedanken wurde mir wieder ganz warm ums Herz.

Levin würde durchdrehen, er lebte für den Fußball.
Leider durchlebte er, seit er in Berlin wohnte, eine derbe Gecshmacksverirrung, er mutierte zu einem Hertha Fan.
Auch wenn er Stuttgart noch tief in seinem Herzen trug, nahm ich ihm das ganz schön Übel.

Nachdem wir noch Spiderman geschaut hatten, wollte Levin schlafen gehen und auch ich fiel todmüde ins Bett.
Zuvor stellte ich mir noch meinen Wecker, damit wir am folgenden Morgen pünktlich um Acht Uhr los fahren konnten.

~~~

Levin war der größte Morgenmuffel den ich kannte. Und somit auch genau das Gegenteil von mir.
Ich hatte schon geduscht und den Frühstücks Tisch gerichtet, während mein Bruder eine ganze halbe Stunde gebraucht hatte, um überhaupt aufzustehen.

Beinahe wäre er am Tisch wieder eingenickt,
"Los wasch dich, ich will heute noch fahren." rief ich, während ich in meinem Zimmer verschwand.
Grimmig stapfte mein Bruder ins Badezimmer.

Erst 20 Minuten später, kam Levin ganz entspannt aus der Tür spaziert. In der Zwischenzeit hatte ich schon alles in mein Auto gepackt.

"Und dann heißt es Frauen brauchen so lange im Bad" murmelte ich.

Levin nahm mich mit einem blitzschnellen Griff in den Schwitzkasten und rubbelte durch meine Haare, "Nicht so frech Schwesterchen!"

"Hör auf Levin" kreischte ich.
Er hielt mich noch kurz lachend fest, ließ dann aber von mir ab. Hastig richtete ich meine Frisur wieder und stieg brummens ins Auto.

Manche Dinge änderten sich eben nie.

Voller Vorfreude drehte ich das Radio auf und fuhr kurze Zeit später auf die Autobahn auf.

Next Stop Stuttgart.

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Mal so ne Frage nebenbei:
Habt ihr einen Heimatsverein also neben eurem Lieblingsverein, oder ist euer Lieblingsverein euer Heimatsverein?

Also mein Lieblingsverein ist aufjedenfall Bayern

Nobody compares to you   -Julian BrandtWhere stories live. Discover now