SIEBZEHN

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Das Wochenende bei meinen Eltern verging wie im Flug.
Am Samstagabend sind noch meine Tante und mein Cousin, der übrigens auch total fußballverrückt ist, vorbei gekommen um das Stuttgart Spiel anzuschauen.
Dass sie die Relegation erlangt hatten war sicher, aber das Spiel war wirklich interessant, Stuttagrt gewann letztendlich 3 zu 0 gegen Wolfsburg. Leverkusen schaffte leider nur ein 1:1 gegen Schalke, sie würden beim nächsten Spiel wohl alles geben müssen.
Anzüglich des Siegs schmissen wir sogar noch eine kleine Siegesfeier.

Spät abends ließ ich mich, in meinem alten Kinderzimmer, erschöpft ins Bett fallen. Am Sonntagmorgen besuchte ich dann wirklich noch Elisa's Eltern, ich war so dreist und erzählte ihrer Mutter von Johannes, früher oder später hätte sie es sowieso erfahren und sie war echt hin und weg. Das würde Elisa wohl demnächst ein etwas längeres Telefonat kosten.
Ich blieb sogar noch zum Mittagessen, zu Lasange kann man ja gar nicht nein sagen.

Die restliche Zeit genossen wir als Familie, wir saßen einfach am Tisch spielten Karten und redeten ziemlich viel, bis Levin und ich uns schließlich auf dem Heimweg machten.
Mein Bruder würde noch die Nacht auf Montag bei mir schlafen und am Montag in der Früh dann zurück nach Berlin fahren.

"Passt auf euch auf Kinder und kommt mal wieder vorbei" meine Mutter schloss wehmütig erst Levin und dann mich in die Arme.

"Und ruf mich an wenn's Neuigkeiten gibt, Verlass dich auf dein Herz, schalte dein Verstand aus, du hast es dir verdient nach all dem" zwinkerte mich meine Mama an.
Ich musste schmunzeln
"Danke Mama, für alles"

"Komm her kleine" schloss mein Vater mich ebenfalls in die Arme.
Ich drückte ihn fest an mich, während Levin unsere Taschen schonmal verstaute.

"Tschüss bis bald" winkten uns unsere Eltern hinterher, als wir die Einfahrt verließen.

Ich ließ mein Kopf gegen den Sitz fallen und atmete tief durch die Nase ein.
Levin fuhr wieder zurück nach Köln, also könnte ich jetzt schön schlafen.
Zuvor zog ich noch mein Handy heraus, erfreut entsperrte ich es. Ich hatte endlich eine Nachricht von Julian, er hatte gestern nicht mehr darauf geantwortet, wobei ich dachte, dass er es schon gelesen hatte und einfach nicht antworten wollte.
Doch seine Nachricht ließ mich geschockt ausatmen.

Mach ich.

Mehr nicht.
Kein Danke oder Viele Grüße.
Die Worte waren auf die Grüße an Kai bezogen.
Traurig ließ ich mein Handy sinken, ich antwortete nichts mehr darauf.
Ich konnte mir nicht erklären warum er so abweisend geantwortet hatte.
Mit dem Gedanken im Hinterkopf fiel ich in einen unruhigen Schlaf, der durch Levin unterbrochen wurde als wir wieder in Köln vor meiner Wohnung hielten.

Es war schon halb 10, weshalb ich meine Sachen für die Uni packte und dann ins Bett fiel, auch Levin hatte es sich auf der Couch bequem gemacht und schaute noch eine Serie.

Aus purer Verzweiflung über Julian's Nachricht kramte ich den roten Pulli aus meiner Kommode und stülpte ihn mir über.
Mag sein, dass ich mir über kleine Dinge schrecklich den Kopf zerbreche, aber so war ich nunmal.

Ich sog den Geruch seines Pullis wohlig ein und ließ dann einen frustrierten Seufzer aus mir herausfahren.

Warum war immer nur alles so kompliziert.

Der Wecker meines Handys holte mich in der Hergotts Frühe aus dem Schlaf, ich hatte irgendetwas total komisches von Elisa und Levin geträumt.
Verwirrt enthedderte ich meine Decke und erhaschte einen Blick auf die Uhr.

5.30 Uhr.

So früh stand ich sonst nie auf, aber ich war so sozial, meinen Bruder zum Bahnhof zu fahren. Sein Zug würde ziemlich genau in einer Stunde anfahren und bis dahin musste ich Levin erstmal wach bekommen.

Verschlafen tapste ich in die Küche, die an das kleine Wohnzimmer an eckte. Zu meiner Verwunderung war die Couch schon gar nicht mehr als Sofa bewohnt, die Lehne war nach oben geklappt und die Kissen standen wieder an Ort und Stelle.

"Morgen" kam es urplötzlich von Levin, der sich hinter mich geschlichen hatte.

"Man erschreck mich nicht so" schlug ich ihm auf den Oberarm.

"Ich hab Frühstück gemacht, sei lieber nett zu mir" sein Finger zeigte auf die kleine Anrichte, wo zwei Schüsseln mit Müsli standen.

"Wer bist du und was hast du mit meinem Bruder gemacht?" fragte ich spielerisch.

"Hallo dein Bruder ist einmal hilfsbereit und wird dann direkt als Alien abgestempelt oder wie?" sagte er trotzig.
Ich winkte ab und setzte mich grinsend an den Tresen.

"Sag mal, kaufst du Pullis grundsätzlich zu groß oder wie schaut's aus?" mein Bruder beäugte mich mit schiefem Grinsen.

Scheiße den Pulli hatte ich ja immernoch an.
"Was dagegen?" versuchte ich mich geschickt rauszureden.

Levin hob wehrend die Hände nach oben "Sorry Princessa, ich frag ja nur."
Genervt äffte ich ihn nach, weshalb er lächelnd den Kopf schüttelte und ehe ich es mir versah lag ich fast verreckend auf dem Boden.
Mein Bruderherz hatte angefangen mich zu kitzeln, obwohl er wusste, dass das nie gut ausgeht, er hatte dafür auch schon einige Tritte und Fausthiebe kassiert.

"Aufhören" keuchte ich.
"Levin hör auf" die letzten Worte versanken in meinem Gelache.
Mein Bauch brannte schon und die Lachtränen kullerten über meine Wange.
Bis er mich endlich losließ.

"Okay das war genug für das nächste halbe Jahr" Levin klatschte zufrieden in die Hände.

"Oh shit, schon kurz nach Sechs" rief er, zog mich an den Händen nach oben und rannte dann ins Bad.

In Windeseile machte ich mich fertig und auch Levin stand schon am Auto.
Zum Glück waren die Kölner Straßen so früh morgens noch relativ leer.
Pünktlich standen wir am Gleis. Unsere Verabschiedung beschränkte sich auf eine feste Umarmung, über den ganzen Rest hatten wir schon im Auto gesprochen.

"Tschüss und wir telefonieren mal wieder, ja?" rief ich ihm hinterher, als Levin in den Zug stieg. Er nickte und winkte aus dem Fenster bis der Zug Köln verließ.
Danach machte ich mich direkt auf den Weg zur Universität, die Erste Vorlesung würde zwar erst um halb 8 beginnen und das dauerte noch eine Dreiviertelstunde, aber solange würde ich mich einfach in den Park davor setzten.
Mit einem Kaffe in der Hand ließ ich mich auf eine Bank fallen und wählte Elisas Nummer, in der Hoffnung sie würde nicht mehr schlafen.
Als sie ran ging tauschten wir uns kurz über das Wochenende aus und beließen es bei unserem Mädelsabend heute Abend.
Ich musste zwar noch bis 17 Uhr arbeiten, aber danach würden wir zu ihr gehen, einfach weil ihre Wohnung größer war als meine.
Kurz darauf trudelte Kara ein  doch während sie mir von der Katze ihrer Oma erzählte, widmete ich meine Aufmerksamkeit meinem Handy.
Eine neue Nachricht war eingetroffen.
Von Julian.

Können wir reden?

Nobody compares to you   -Julian BrandtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt