DREIUNDZWANZIG

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Julian's P.o.V.

Mit einem Affentempo raste ich auf meine Einfahrt zu, ich war nicht mehr ganz bei der Sache, meine Gedanken drifteten immer wieder ab.
Umso besser war es, dass der Tag endlich ein Ende fand.

Schon seit geraumer Zeit war ich konzentrationsunfähig geworden, zum einen wegen meinem Wechsel, zum anderen wegen Alessia und mitten drin Ich.
Ich war mir selber noch nicht im klaren darüber, wie es für mich weitergehen sollte, die Möglichkeit zu wechseln hatte ich so oder so. Oft hatte ich mir schon überlegt den Verein zu nehmen, der am weitesten entfernt ist, so würde es mir leichter fallen Alessia endlich zu vergessen, aber eigentlich wollte ich auch nicht zu weit von meiner Familie entfernt wohnen. Es war ein hin und her, zum Glück flogen wir bald erstmal in den Urlaub.

Heute hatten wir, da die Saison nun fertig war, unser allerletztes Abschluss Training. Eigentlich war es nur eine Reflektion der Vergangenen Saison, morgen würde der große Saison Abschluss stattfinden, inklusive meiner Verabschiedung und ich wusste jetzt schon, wie schwer das werden würde.
Die Jungs waren schon schockiert als ich am Samstag ankündigte, dass ich wechseln würde, es gab die Saison über eben auch keine Indizien dafür.
Es war schlussendlich eine Kurzschluss Reaktion meinerseits, ich wollte mich weiterentwickeln, ich wollte mal was anderes sehen.
Ich wusste, dass es ein sehr großer Schritt sein würde und dass es mich vor Herausforderungen stellen würde, aber mit dem ganzen Druck kam ich jetzt schon fast nicht zurecht.
Nach außen hin bemerkte das niemand, aber innerlich war ich am kämpfen. Weggehen und meinen Traum leben, oder hierbleiben, bei Alessia.

Alessia machte mir alles nur noch schwerer, als mein Aus bei Leverkusen feststand, hatte ich eigentlich den Plan niemanden kennenzulernen und eigentlich war ich mir auch sicher, dass es niemand, in so kurzer Zeit, schaffen würde mir den Kopf zu verdrehen. Aber da hatte ich noch nicht mit ihr gerechnet, so ungern ich es auch zugeben wollte sie hat mir mein Herz geraubt. Ich wollte ihr keine falschen Hoffnungen machen, wenn ich womöglich bald am anderen Ende der Welt wohnen würde. Sie verdient einfach nur das beste, aber das hat sie mit mir nunmal nicht. Es tat mir unglaublich weh so abweisend zu ihr zu sein, aber ich fand keine andere Lösung, ich wollte ihr die Wahrheit verschweigen, ich konnte es einfach nicht sagen.

Der Fakt, dass ich sie gerade im Auto gesehen hatte, machte es nicht leichter. Sie hatte mich auch gesehen, aber strikt ignoriert. Sie hatte wohl mit mir abgeschlossen. Und das sollte ich wohl auch. Es war die einzige plausible Lösung.

Aufgebracht stieg ich aus dem Fahrstuhl und kramte den Schlüssel aus meinem Rucksack. Ich öffnete die Tür einen Spalt und vernahm schon ein lautes bellen. Nala stürzte auf mich zu, nachdem ich die Tür hinter mir geschlossen hatte, ging ich in die Hocke um unsere Hündin zu streicheln. Sie sprang aufgeregt auf mich zu und leckte mir einige Male übers Gesicht.

"Nala aus!" rief ich, sie schaute kurz geschockt machte dann aber unbeirrt weiter, was mich zum Lächeln brachte.

"Ja auf, geh zu Jannis und Überfall ihn" ich zeigte auf meinen Bruder, de gerade aus dem Esszimmer kam.
Nala rannte los, Jannis hatte jedoch einen Ball in der Hand und warf ihn in die Tiefe unseres Wohnbereiches, Nala wechselte ihren Kurs und sprang hinterher.

Lachend checkte ich mit meinem Bruder ein.
"Noch was vor heute?" fragte ich.

"Bin noch verabredet, kannst du noch mit Nala raus?" Ich nickte bloß und versank schonwieder in den Gedanken.

"Alles gut Jule?" kam es von Jannis, woraufhin ich ein genervtes Murmeln von mir gab.
Ich schnappte meine Tasche und wollte auf mein Zimmer gehen, doch Jannis hinderte mich daran.

"Jule, das geht jetzt schon seit zwei Wochen so, sag mir doch was los ist" er musterte mich mit besorgter Miene.
Ich hatte mit noch niemandem darüber geredet, ich konnte es einfach nicht, dabei wäre ich vermutlich schwach geworden und das wollte ich nicht.

"Will nicht drüber reden" brummte ich.

"Hast du wenigstens schon eine Entscheidung getroffen?"

"Verdammt Jannis kümmer dich um deinen eigenen Kram" platzte es aus mir heraus, ich hielt mir sofort die Hand vor den Mund.

"Sorry, ich, ich wollte nicht, das, sorry" versuchte ich es wieder gut zu machen.

"Schon okay" klopfte mir mein Bruder auf die Schulter.
Ich atmete tief durch um wieder in Fassung zu kommen, Jannis hielt mich beruhigend am Arm fest und nach einigen Minuten hatte ich mich wieder gefasst.

"Ich geh dann mal und geh noch mit Nala raus" rief Jannis, bevor die Tür ins schloss fiel.

Ich machte Musik an und ging auf die Wendeltreppe zu, in meinem Zimmer zog ich mich um und öffnete anschliessend die Tür zur Dachterasse.
Es war noch nicht dunkel, aber es dämmerte schon langsam, draußen war es angenehm warm, ich lehnte am Geländer und ließ meinen Blick über die Dächer der Nachbarschaft streifen. Weit hinten war Kölns Skyline zu erkennen und ganz wage erstreckte sich der Dom in den Himmel.
Was Kai wohl gerade macht. Sollte ich ihm von meiner verkorksten Situation erzählen, einen Teil der Geschichte kannte er ja schon. Vielleicht hilft es mir darüber zu reden, so wie ich alles im Moment verarbeitete, tat mir nicht gut, das war selbst mir bewusst.

Entschlossen schnappte ich mir mein Handy und wählte seine Nummer, es tutete eine ganze Weile, aber er nahm nicht ab. Hatte er erzählt, dass er was vorhatte.
Nicht dass ich wüsste.
Nachdenklich kratzte ich mich am Hinterkopf.

"Komm Nala, wir gehen Gassi" rief ich nach der Hündin.
Ich kombinierte das eine mit dem anderen und würde Kai einen Besuch abstatten, Sophia freute sich bestimmt auch wenn Nala dabei war.

Auf dem Weg sprach ich mir immer selbst Mut zu und ich war mir sicher, dieses mal würde ich es durchziehen.

Ich war fast noch nie zu Kai gelaufen, eigentlich fuhr ich immer zu ihm, aber er wohnte gar nicht so weit weg.
Nala fing an an der Leine zu ziehen und lenkte mich an den Eingang eines Parks, da dieser auf dem Weg lag beschloss ich hindurchzugehen.
Nala wedelte heftig mit dem Schwanz und sprang wie verrückt um mich herum. Als sie dann einen Stock herschleppte ergab ich mich und ließ sie von der Leine los.
Die nächsten Zehn Minuten war ich mit dem werfen der Stöcke und Nala mit dem hin und her rennen beschäftigt.

Wenig später erreichten wir Kai's Einfahrt.
Bingo.
Das Auto stand da, wenn auch etwas schief eingeparkt.
Kai war noch nie ein guter Einparker. Ich erklomm die wenigen Stufen zur Tür und drückte auf den Knopf der Klingel. Es dauerte eine ganze Weile bis die graue Haustür aufgezogen wurde.

"Scheiße was machst du denn hier?" kam es aufgebracht von Kai, welcher hektisch hinter sich, in die Wohnung blickte.

"Ja man, ich freu mich auch dich zu sehen" ich wollte gerade einen Schritt in das Haus setzen, als Kai sich im Türrahmen breit machte und komisch mit den Armen fuchtelte.

Irgendwas stimmte hier ganz und gar nicht.

"Darf ich nicht reinkommen?" fragte ich vorsichtig.

"Äh nein, oder doch klar, aber ähm das Wetter ist doch schön" Kai's Gesicht verzog sich zu einem unbeholfenen Ausdruck, er wusste genau so wie ich, dass er gerade einen ziemlichen Dreck von sich gab, zumal es gerade kalt wurde.
Selbst Nala fing schon an zu bellen.

"Na komm schon, du brauchst mir nichts verheimlichen" mit einer geschickten Handbewegung schob ich Kai auf die Seite und trat in das Haus ein.

"Julian nein" rief er noch, aber dann war es schon zu spät.

Nobody compares to you   -Julian BrandtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt