|ACHT|

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Nach Luft ringend, stieß ich die Klotür auf, schloss hinter mir ab und ließ mich an der Wand herunterrutschen.
Der Club war gerappelt voll und ich habe ungelogen zehn Minuten benötigt um zum Klo zu gelangen.
Unglücklicherweise war mein zweiter Drink schon einer zu viel gewesen, ich hatte mir eigentlich fest vorgenommen wieder auf Elisa aufzupassen, aber diesesmal lief es andersrum.
Nachdem ich schon gut Vier Drinks und Drei Shots intus hatte, wollte sie mich ausnüchtern.
Meine Grenzen kannte ich, aber viel zu oft war ich zu prüde, um mir diese einzugestehen.
Ich hatte mich jedoch verzogen, als Elisa gerade nicht aufpasste und verschwand hier auf der Toilette.

Mit zittrigen Fingern zog ich mein Handy aus der Tasche, es war fast zwei Uhr, zu spät für mich, die Müdigkeit übermannte mich und aufeinmal gähnte ich herzhaft.
Auf Whatsapp schrieb ich schnell Elisa, damit sie wusste dass ich noch lebte.
Das kalte Metall der Tür hinter mir kühle meine freien Schultern und ehe ich noch einmal nachdenken konnte suchte ich Julian's Kontakt hervor und speicherte die Nummer auf WhatsApp.

Ein wenig zu lange betrachtete ich sein Profilbild, auf dem er auf einer Treppe saß und in die Kamera lächelte.

Hi

Tippte ich ein und sendete es ab, bevor ich es mir noch anders überlegen konnte. Vielleicht nutzte ich ja meinen momentanen Zustand als Ausrede, aber ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass ich ihm nicht hätte schreiben wollen.

Nachdem ich tatsächlich noch kurz meine Blase entleert hatte, zog ich mein Handy hervor und erschrak, als mir direkt eine Nachricht von Julian entgegen ploppte.

Hey,
Alles klar?

"Scheiße" stöhnte ich, ich hätte nicht damit gerechnet, dass er um diese Uhrzeit noch wach sein würde.

Ich sprang erschrocken auf, als jemand die Türklinke nach unten drückte. Für einen kurzen Moment wurde mir schwindelig, aber ich konnte mich schnell wieder sammeln.

"Hallo, ist da jemand drin"? kreischte eine Frauenstimme, die schier unerträglich klang.
"Ne, ist einfach nur so abgeschlossen" antwortete ich trocken.
Hastig schrieb ich Julian ein:
Ja, alles klar zurück und packte dann mein Handy in die Tasche.

Danach drückte ich hektisch auf die Spüle, damit es wenigstens so rüberkam, als wäre ich auf dem Klo gewesen.
Gekonnt langsam drehte ich den Schlüssel in der Tür um und drückte sie auf.
Keine Sekunde später sprang die Frau heraus, schob mich weg und verriegelte die Tür hinter sich, etwas verwirrt schaute ich ihr hinterher und zuckte dann mit den Schultern.

"Frauen" murmelte ich mehr zu mir selbst, bekam darauf aber prompt eine Antwort
"Tu nicht so blöd, bist doch selber eine" keifte die Frau durch die Tür hindurch.

"Leck mich doch" rief ich ihr kichernd hinterher, als ich aus der Damentoilette heraus trat.
Das war wohl mein wahres ich.
Betrunken.
Blöd.
Und ungehobelt wie eh und je.

Ich sprintete fast schon auf die Tanzfläche zu und hoffte die ominöse Frau würde mich nicht verfolgen.
Natürlich passierte ich die Fläche nicht ohne einen Zwischenfall, es dauerte nicht lange bis ich über meine eigenen Füße stolperte.
Glücklicherweise packte mich, noch bevor ich Bekanntschaft mit dem Boden machen konnte, eine Hand an der Taille.
Verflucht.
Alles drehte sich und als sich meine Sicht wieder klärte, sah ich direkt in Braune Augen.

"Alles klar?" fragte der Typ vor mir.

Man Oh Man, das erinnert mich gerade sehr stark an etwas.
Er wedelte mit seiner Hand vor meinem Gesicht rum.
"Äh was ja, alles gut" seine weißen Zähne Blitzten auf, niemals waren die von Natur aus so.

"Heute Abend noch was vor" flüsterte er mir ins Ohr, seine raue Stimme verlieh mir eine Gänsehaut, aber nicht wirklich weil ich angetan war.
Die Hand meines Retters wanderte zu meinem Gesicht, wo er eine lose Haarsträhne hinter mein Ohr klemmte.
Ich konnte es nicht verhindern, dass mir sämtliche Bilder, aus früheren Zeiten mit Justin, durch den Kopf flackerten. Das Loch in meinem Herz machte sich wieder bemerkbar.
Ich werde wohl nie wieder etwas tun können, ohne ihn zu vergessen. So sehr ich das auch wollte.

"Also was sagst du?" seine Hände fuhren meine Taille entlang und lagen nun gefährlich nahe an meinem Po.
Nein.
Ich wollte Nein sagen.
Aber es klappte nicht, meine Kehle war wie zugeschnürt. Seine Hände umgriffen mich ziemlich fest und langsam bekam ich es mit der Angst zu tun.
"Wir könnten viel Spaß haben" er kam meinem Gesicht immer näher.
"Ich bin übrigens Leonard, und du bist?"
Besagter Leonard wurde gerade von hinten angerempelt, sein Griff lockerte sich ein wenig und ich sah meine Chance.

Ich nahm all meine Mut zusammen.
"Unantastbar für dich" keuchte ich hektisch.
Schnell wandte ich mich aus seinen großen Händen heraus und suchte, so schnell es ging das Weite.
Der Spruch musste einfach sein.
Ich hab Jungs schon oft genug einen Laufpass gegeben, aber noch nie so elegant wie eben.
Ich war stolz auf mich.

Wo steckte eigentlich Elisa?
Ich spielte mit dem Gedanken, einfach zu gehen. Ich wollte einfach nur nach Hause, doch noch im selben Moment entdeckte ich sie an der Bar.

"Alessia!" schrie sie begeistert, über die dröhnende Musik hinweg.

"Ich geh jetzt dann mal, aber du kannst ja noch da bleiben" rief ich, über die ohrenbetäubende Lautstärke hinweg und tätschelte ihren Rücken.
Die hat sich wohl doch noch ordentlich voll laufen lassen.

"Ist gut, ich werde wohl nicht heim kommen" sie nickte mit ihrem Kopf in Richtung der Bar, wo ein Barkeeper gerade ein Getränk zubereitete.
Er zwinkerte ihr zu, woraufhin sie mich errötet anschaute.
"Das ist Johannes und er ist Barkeeper, Wahnsinn oder?" lallte sie in mein Ohr.

Ich lachte kurz auf, da ich das durchaus ebenfalls erkannt hatte.
"Dann viel Spaß bei Johannes"
Oder mit Johannes, fügte ich in Gedanken hinzu.

"Komm gut nach Hause" rief sie mir entgegen und umarmte mich
noch schnell.
Schnellen Schrittes lief ich auf den Ausgang zu, schnappte meine Jacke und trat an die kühle Nachtluft, wo ich tief durchatmete, die Luft in Clubs war aber auch echt ziemlich stickig.

Zehn Minuten später kramte ich meinen Schlüssel hervor und öffnete die Tür, kickte meine Schuhe von den Füßen, zog mich um und pflanzte mich auf mein Bett.
Es war schon nach drei, als mir auf meinem Handy eine neue Nachricht von Julian auffiel.

Hast du nächste Woche vielleicht Zeit?

Mein Herz pochte, die nächste Nachricht ließ mich jedoch schon wieder das Gesicht verziehen.

Wegen dem Pulli natürlich.

Ein Seufzen verließ meinen Mund.
Nur wegen dem Pulli.
Wegen was auch sonst?
Am besten zerschreddere ich ihn.
'Ups sorry, aber war ausversehen' flötete ich in Gedanken, belustigt über meine eigenen Idee.
Verwarf das gedachte jedoch gleich wieder, ich war nur dann fies zu jemandem, wenn derjenige auch fies zu mir gewesen ist.

Und das war Julian in keinem Fall, er war total lieb, herzergreifend und durch und durch ein junger Mann mit einem guten Kleidungsstil.
Die Hitze stieg mir ins Gesicht, obwohl ich ihn noch nicht gut kannte, war er mir schon jetzt ans Herz gewachsen.
Ich war selbst überrascht, dass das so schnell ging, aber er hatte etwas an sich, dass ich unbedingt kennenlernen wollte und daran gab es auch keinen Zweifel mehr. Nichtmal Justin würde mich davon abhalten. Lediglich Julian, wenn dieser kein Interesse haben würde. Ich verwarf den Gedanken schnell.

Aber was sollte ich denn nun antworten. Ich begann zu tippen.

Hey Julian,
Das wäre sehr schön.

Schnell drückte ich auf die Löschtaste.
Das war definitiv zu schnulzig.
Ich ließ das Hey Julian stehen und setzte nochmal neu an.

Das wäre ok.

Als ob er um Erlaubnis bitten müsste.
Auch nicht gut.

Hey Julian,
Das wäre schön, wann und wo?

Dabei beließ ich es und drückte seufzend auf senden.

Nobody compares to you   -Julian BrandtWhere stories live. Discover now