71_Lucien

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Während ich meine Geschichte erzählte und hoffte, dass Azad mich so hinnehmen würde, wie ich war, fiel mir auf, dass Azad wohl hinter mir stand. Vielleicht wollte er sich die Möglichkeit offen halten mich tatsächlich einfach hinunterzuschubsen.

Keiner würde je davon mitbekommen, keiner konnte Azad jemals für diese Tat verurteilen, denn niemand würde wissen, dass er sie begangen hatte. Doch kein Stoß folgte- stattdessen ließ sich der Rebell neben mir nieder und schwieg. Auch ich richtete keine Worte mehr an ihn und ließ ihm Zeit das alles zu verdauen. Ich wusste, dass es eine ganze Menge war, was ich gerade über mich preisgegeben hatte- vermutlich wusste niemand so viel über mich wie Azad.

Ich wusste nicht, wann mir Azad das alles- vor allem die Lügen- jemals vollständig verzeihen würde, doch trotzdem hatte mich eine gewisse Erleichterung erfasst, dass er nun endlich die vollständige Wahrheit kannte. Ich war froh ihn wenigstens ins nichts anderes angelogen zu haben, als er mir noch nicht so viel bedeutete, denn das hätte mir Azad vermutlich noch weniger verziehen. Alles in mir sehnte sich danach mich an Azad zu kuscheln und ihn einfach in die Arme zu schließen, aber ich ließ ihm den Raum, den er gerade vermutlich brauchte um das ganze zu verarbeiten.

Was ihm wohl alles gerade durch den Kopf ging? Sah er mich nun in einem anderen Licht? Ich war nicht nur irgendwer aus der Elite- ich hatte schon fast die Stellung eines Prinzen, so mächtig wie mein Vater war. Konnte das Azad wirklich akzeptieren? Konnte er mich als der akzeptieren, als der ich geboren wurden war? Konnte er mich als der akzeptieren, der einen solch grausamen Vater hatte, der nicht nur mir fiel Leid zugefügt hatte, sondern dem ganzen Land?

Meine Gedanken wirbelten durcheinander und mein Herz zog sich angstvoll zusammen. Ja, ich hatte Angst. Ich hatte Angst davor Azad zu verlieren, wo ich ihn doch gerade erst gefunden hatte. Ich hatte Angst durch meine Herkunft und meine Lügen das Band, was sich gerade zwischen uns zu entwickeln begann, bereits wieder zerstört zu haben. Ich fing unbewusst an zu zittern, während ich mich auf mein Inneres konzentrierte, um mich ein wenig zu beruhigen. Ich durfte jetzt nicht in Panik verfallen, ich musste weiterhin auf Azad vertrauen.

Die Last fiel von meinen Schultern ab und ein Freudenfeuerwerk explodierte in meinem Inneren, als Azad seinen Kopf gegen meinen legte. Er hatte mir vielleicht noch nicht vollständig verziehen, aber er akzeptierte meine Worte und würde mich zumindest voerst nicht von ihm stoßen.

Ich wagte es nicht mich zu bewegen, aus Angst, dass er dann vielleicht doch noch von mir rücken würde. Mein Herz schlug schnell und laut, sowohl aus Nervosität als auch, weil mir Azad so nahe war. Es machte einen kleinen Satz, als endlich die Stimme meines Löwen ertönte und sie so viel sanfter und wärmer als noch zuvor erklang. Seine Worte luden die letzte schwere Last von meinen Schultern ab. Er konnte mich tatsächlich so akzeptieren, wie ich war.

Ich verzog mein Gesicht zu einer kleinen Grimasse.

"Ein Prinz bin ich nun wirklich nicht, mein Löwe!", entgegnete ich mit einem leisen Lachen.

"Zumindest nicht in meinem Inneren, da bin ich wohl viel mehr ein Rebell, ebenso wie du!"

Dann hörte ich mir Azads Geschichte an- maches wusste ich bereits, aber jetzt verknüpften sich all die kleinen Einzelteile zu einer größeren Geschichte: Azads Geschichte. Die Geschichte meines geliebten Rebellens. Ich war mir sicher, dass nicht viele diese Geschichte kannten und umso dankbarer war ich, dass er sich mir anvertraute.

Als er meinte, dass sein Vater wohl kein einfacher Soldat war, begann ich augenblicklich zu überlegen, wer in der Elite Azad ähnlich sah. Konnte einer der Männer, die ich kannte, sein Vater sein?

Lynx&Lion - The RebellionWhere stories live. Discover now