39_Lucien

44 7 0
                                    


Für welche Seite soll ich mich entscheiden? Meine Wut kombiniert mit einem verlockenden Angebot oder für meinen Verstand?


Der Fuchs war irrer als ich erwartet hatte. Trotz meiner Drohungen und meinem vermutlich nicht gerade angepassten Verhalten- ich konnte mir gut vorstellen, dass ein Rekrut einen Rebellen seines Rangs eigentlich anders ansprechen sollte- schien er fast schon Gefallen daran zu finden, wie mir sein mehr als breites Grinsen zeigte.

Aber in diesem Grinsen steckte etwas hinterhältiges, was mich nur noch mehr Vorsicht walten ließ. Ich war mir nicht sicher, ob ich Vics Aufmerksamkeit wirklich noch mehr gewinnen sollte, aber nun, da ich einmal damit angefangen hatte, war es schwer komplett unbeschadet wieder rauszukommen. Also würde ich mich wohl in Zukunft einfach nur geschickt anstellen und aufpassen müssen. Ich hatte den weißen Fuchs vorgewarnt- würde er meine Warnung nicht beachten... nun, dann war er selbst schuld. Ich hatte scharfe Krallen und wusste auch damit umzugehen.

Ich lächelte nur herablassend als Victor meinte, dass er "unserem Kater sein Kätzchen" nicht wegnehmen wolle. Ich war mir sicher, dass Azad dadurch zwar in seinem Stolz verletzt werden würde, aber insgesamt nicht gerade traurig darüber sein würde- eher im Gegenteil. Ich war ihm ja wirklich nur lästig.

Ich fragte mich, warum ich von dieser Aussage eigentlich immer noch so verletzt war, aber vielleicht hatte ich mir wirklich erhofft in Azad einen Freund zu finden, der dann aber meine Hoffnung in der Luft zerissten hatte und noch mehrmals darauf herumgetrampelt war.

Außerdem glaubte ich nicht, dass der Fuchs zu den Männern gehörte, die interessierte, was wem gehörte. Er wirkte wie jemand, der sich einfach nahm, was er wollte- versteckt hinter einem freundlichen, charmanten Lächeln. Ich mochte vielleicht auf Männer stehen, aber trotzdem würde ich auf dieses Lächeln niemals hereinfalle- sein wahres Ich schwebte zu dicht unter der Oberfläche und war schon mehrmals hervorgeblitzt.

Ich spürte seinen Blick auf mir und verschränkte meine Arme vor meiner Brust ohne mich um meinen verletzten Arm zu kümmern- er war, den Schmerzen nach, fast vollständig geheilt- nur die Wunde war immer noch da und sah auch noch nicht wirklich optimal aus- ich hoffte nur Helin würde das nicht zu sehr auffallen, aber mir blieb keine andere Wahl- ich musste sie neu verbinden lassen.

Kühl und gelassen erwiderte ich Victors Blick und musterte ihn mit der gleichen Intesität- was er konnte, konnte ich ebenso. Irgendwann wanderte mein Blick zu Azad, welcher ziemlich verärgert und irgendwie auch - verletzt?- wirkte. Was hatte er bitte für ein Recht verletzt zu sein? Ich hatte ihm nicht gesagt, dass er mich nur nervte...  Ich warf ihm einen vernichtenden Blick zu, ehe ich wieder den Fuchs musterte.

Meine Augen weiteten sich leicht, als Victor mit einem Mal davon anfing, dass er mir helfen konnte. Er kannte den obersten Anführer? Er würde mir dabei helfen ihn zu treffen? Ich hätte beinahe sofort eingewilligt, als Vic wie nebenbei erwähnte, dass ich ihm dafür zwei kleine Gefallen schulden würde. Und sein Grinsen dabei gefiel mir gar nicht.

Aber was blieb mir schon für eine andere Wahl? Ich wusste, dass er recht hatte und es ansonsten Jahre dauern könnte, bis ich den Anführer kennenlernte und diese Zeit hatte ich nicht. Der Fuchs konnte meine einzige Chance sein. Ich wollte gerade einwilligen, als Azad sich wieder einmischte und mir keine Zeit gab zu antworten. Ich nickte leicht bei den Worten des Fuchses und blickte ihm nach, wie er die Wohnung verließ.

Azad hatte mir bestätigt, dass es nicht gut war Victor einen Gefallen zu schulden, aber was blieb mir schon für eine Wahl? Ich fragte mich nur, woher er zum Einen wusste, dass Azad und ich gestritten hatten und zum Anderen, dass ich in der Bücherei war. Ich zweifelte irgendwie daran, dass der Löwe es ihm erzählt hatte. Er schien Vic genauso zu misstrauen wie ich es tat, so gut die beiden sich auch zu kennen schienen.

Bei Azads Worten lachte ich nur bitter. "Du willst mir helfen? Du hast gestern schon gesagt, dass du keine Möglichkeit hast mir bei dem zu helfen, was ich erreichen will, nämlich mit dem obersten Anführer zu sprechen. Ich habe Informationen, die nur für seine Ohren bestimmt sind und ich kann nicht Jahre warten, bis ich genug in den Rängen aufgestiegen bin. Ich weiß, dass ich Vics Angebot nicht annehmen sollte und ich die Gefallen bereuen werde, aber er ist meine einzige Möglichkeit. Und dir kann es doch ohnehin egal sein. Sei froh, wenn ich sein Schüler bin, dann belästige ich dich wenigstens nicht mehr..."

Ich rührte das Wasserglas, welches Azad vor mir abstellte, nicht an, so trocken meine Kehle mittlerweile auch war und nach der Flüssigkeit lechzte. Ich wollte keine Hilfe von dem Rebellen annehmen, dessen Hilfe ich gewollt, aber nicht bekommen hatte. Der Rebell verschwand in einem anderen Raum und ich hörte ihn etwas zu jemandem sagen, kurz darauf verließ ein Mädchen das Zimmer, welches ich zuvor noch nie gesehen hatte. Sie stellte sich vor mich und musterte mich neugierig.

Azads Freund? Das war doch wohl nicht ihr ernst. "Azad ist der Meinung, dass er keine Freunde hat oder braucht!", entgegnete ich murmelnd mit einem leicht bitteren Unterton, wusste aber nicht ob mich Azads Schwester überhaupt gehört hatte.

Ich lächelte die Kleine sanft an. "Ich kann keinem helfen, der nicht will, dass man ihm hilft und einen von sich stößt. Ich habe versucht sein Freund zu sein, aber er hat es abgelehnt und mich verspottet. In Zukunft werden Azad und ich wohl getrennte Wege gehen. Aber ich hoffe, dass er eines Tages vielleicht jemanden findet, den er als Freund akzeptiert. Weißt du, ich denke er ist kein schlechter Mensch. Er besitzt das Herz am richtigen Fleck, auch wenn er es nicht erkennt. Er ist die stärkste Person, die ich in meinem Leben kennengelernt habe und wohl auch die erste Person, die ich wirklich respektiere. Aber er möchte mich nun mal nicht als seinen Schüler und das muss ich akzeptieren. Er hat wohl einfach Wichtigeres zu tun, als sich um einen neuen Rekruten zu kümmern. Aber mach dir keine Sorge, ich werde ihn niemals verraten. Denn trotz allem sehe ich ihn immer noch als meinen Freund an, auch wenn er das anders sehen mag. Mein Herz hatte ihn von der ersten Sekunde als einen solchen gesehen, und auch wenn es durch Azads Worte gebrochen wurde, so schlägt es immer noch für ihn!"

Als sie mit einem Mal auf meine Augen zu sprechen kam, erstarrte ich eine Sekunde lang. War sie mir nahe genug gekommen und hatte so scharfe Augen, dass sie die Goldpartikel entdeckt hatte? Nein, das durfte nicht sein... sonst würde ich sie, Helin und Azad sofort töten müssen und das konnte und wollte ich nicht.

Ich beschloss das ganze einfach nur zu überspielen. Sie war noch jung und unschuldig- selbst wenn sie die Goldpartikel gesehen hatte, würde sie nicht wissen, was das zu bedeuten hatte und sie hatte ihren Satz nicht beendet.

"Danke!", bedankte ich mich darum mit einem sanften Lächeln.

Ich ergriff ihre Hand und schüttelte diese.

"Freut mich dich kennenzulernen, mutige kleine Schwester!"

Helin trat zu uns und erst jetzt bemerkte ich, dass Azad und sie den Raum betreten hatten. Wie lange standen sie schon da? Hatte Azad die Worte gehört, die niemals für seine Ohren bestimmt gewesen waren?

Azads zweite Schwester begann nun meinen Arm zu untersuchen und diesen neu zu verbinden- sie schien sich einige Sekunden lang zu wundern, sagte aber nichts, sondern verband ihn fertig.

Ich bedankte mich mit einem strahlenden Lächeln bei ihr und stand auf, als sie fertig war. Mein Blick fiel wieder auf Azad und ich wusste nicht recht, was ich sagen sollte.

Ich schwieg einige Sekunden, ehe ich dann doch Worte fand: "Danke für alles, was du mir bisher so gezeigt hast. Ab heute musst du dich nicht mehr um mich kümmern. Ich werde Victors Schüler- egal welche Risiken damit verbunden sind. Ich lasse mich nicht so schnell zu einer Schachfigur machen, eher kratze ich ihm seine Augen aus!", meinte ich und blickte ihm entschlossen in die Augen, wobei aber immer noch eine leichte Verletzheit und Wut in meinem Blick lag.


Lynx&Lion - The RebellionWhere stories live. Discover now