57_Lucien

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Während ich erzählt hatte, hatte ich einfach nur gehofft nicht zu viel verraten zu haben. Ich wusste nicht wie viel eigentlich über meine Familie bekannt war und wie gut sich Azad damit auskannte. Zumindest von meinem Vater hatte er aber definitiv gehört- ich schätzte es gab keinen, der nicht den obersten Anführer des Rates kannte. Ich war nur froh, dass ich meinem Vater kein bisschen ähnlich sah und so wenig über mich bekannt war, sonst wäre ich wohl kaum durch das Stadttor gekommen, geschweige denn hätte ich jemals den Rebellen beitreten können. Azads Lächeln hatte mich direkt ins Herz getroffen- es war aufmunternd ohne dabei zu viel Mitgefühl zu zeigen- es war einfach nur perfekt und passte gut zu Azad- ich mochte es wirklich, wenn er lächelte.

Dass der Rebell die Umarmung nicht nur hinnahm, sondern auch erwiderte, überraschte mich, ließ mein Herz aber gleich in einem schnelleren Takt singen.

Dieser junge Mann machte mich wirklich noch total verrückt.

Als Azad anfing zu sprechen, errötete ich leicht bei seinen Worten, aber zugleich schlich sich ein freches Grinsen auf mein Gesicht.

"Vielleicht haben die anderen ja auch recht damit, was sie gerade sehen...", entgegnete ich und lachte.

Aber nicht deswegen, weil es ein Scherz war, sondern deswegen, weil ich den Schmerz überspielen wollte, den die Worte "wir wollen doch sicherlich keine falschen Gerüchte über uns" in mir ausgelöst hatten. Verdammt, ich war wirklich zu tief in dem Ganzen drinnen. Ich sollte mich doch Azad gegenüber noch gar nicht so sehr verbunden fühlen, wir kannten uns immerhin noch nicht sonderlich lange.... aber trotzdem war es so.

"Und ich muss sagen, dass ich durchaus etwas dagegen habe- ich mag es dich zu umarmen- aber du hast recht, wir sollten das hier wann anders fortsetzten!"

Trotz meiner Worte krampfte sich mein Herz einen Augenblick zusammen, als Azad mich von sich schob. Ein seltsames Gefühl machte sich in mir breit, als er seine Hände allerdings auf meinen Schultern ruhen ließ und mir in meine Augen blickte. Alles in mir kribbelte erwartungsvoll und voller Hoffnung aug einen... Kuss? Ja, ich wollte, dass er mich hier und jetzt küsste, aber ich wusste, dass das niemals passieren würde, so nahe wir uns gerade auch sein mochten.

"Was ist denn deine Definition von Freund? Und was denkst du, dass meine ist?", fragte ich nach und legte meinen Kopf leicht schräg, während immer noch alles in mir sich danach sehnte, dass er sich doch einfach nur vorlehnte und meine Lippen berührte.

Die Worte des Löwen waren süß gewesen und ich schätzte, dass er so welche Worte nicht oft sagte, trotzdem war es nicht das gewesen, was ich mir wirklich zu hören wünschte.

Schließlich löste sich Azad ganz von mir und zerstörte damit jede unterschwellige Hoffnung, dass er mich vielleicht doch noch küssen würde. Aber ich hatte gewusst, dass das ziemlich unmöglich sein würde. Ich folgte ihm mit meinen Blicken, ehe ich ebenfalls das Becken verließ, das Handtuch wieder um meine Hüfte band und ihm dann auch physisch folgte. Ich spürte und bemerkte einige Blicke auf uns, auch die der Männer, die mich zuvor so angestarrt hatten- ich versuchte alle einfach zu ignorieren und lief mit hcoh erhobenem Kopf Azad hinterher.

Ich folgte seiner Anweisung und ergriff ein Stück Seife, was am saubersten von allen aussah, und begann mich damit am ganzen Körper, sowie meinen Haaren zu waschen, dann kippte ich Wasser über mich und trocknete mich anschließend rasch ab. Im Anschluss folgte ich Azad zurück zu der Umkleide, wo ich mir meine Kleidung geben ließ und mich dann möglichst schnell in einer Ecke umzog. Dann wartete ich auf den Löwen, welcher dank seiner Augenklappe etwas länger als ich benötigte. Ich fand es fast schon schade, dass dieser sein Auge- beziehungsweise das, was davon noch übrig war, verbarg. Es gehörte einfach zu ihm und ich mochte es so, wie alles andere an ihm auch.

Als er schließlich fertig war, verließen wir das Gebäude und machten uns auf den Rückweg zur Bar. Es wehte ein leicht warmer Wind, weswegen meine Haare bereits begonnen hatten wieder zu trocknen. Jetzt, zur späteren Stunde, waren die Straßen wieder etwas überfüllter und eingequetscht zwischen den Menschenmassen fühlte ich mich weder sonderlich sicher, noch- daraus resultierend- sonderlich wohl.

Ich griff immer wieder unbewusst nach meinem Messer, weil ich das Gefühl hatte, dass jemand mich etwas zu agressiv bedrängte. Zum Glück dauerte es nicht lange, bis wir wieder bei der Bar angelangt waren und zum Glück hatte es auch keine Zwischenfälle gegeben.

In der Bar angekommen war es nicht weniger voll und nun war ich auch noch aufmerksamer, als zuvor auf der Straße. Diese Männer wussten alle wie man zu kämpfen hatte und konnten mit ihren Waffen bestimmt auch durchaus umgehen. Und ich wusste nicht, wer von ihnen die Personen war, denen man wirklich vertrauen konnte. Mein Blick fiel auf einen Mann an der Theke, welcher Azad angrinste und mich dann fast schon unangenehm lange musterte. Mein Blick fiel auf seine Tätowierung: Eine wunderschön tätowierte Elster. Das erklärte auch, wen ich da vor mir hatte.

Ich wandte mich Azad zu und schüttelte grinsend den Kopf.

"Diese Frage sollte sich eigentlich schon selbst für dich beantwortet haben. Ich kann selbst für mich sprechen...", meinte ich lachend.

"Dann lass uns doch mal mit der Elster anfangen!"

Ich ging zu dem Mann hinüber.

"Da du mich schon zuvor die ganze Zeit so neugierig gemustert hast, aber wohl nicht den Mut oder Anstand  hattest selbst auf mich zuzutreten und dich vorzustellen, Elster, muss ich das wohl jetzt übernehmen. Ich bin Mic Ayano- der Schüler des Löwen, neuer Rekrut und zukünftiger Luchs. Mir wäre es daher am liebsten, wenn du mich Luc nennst, bis ich meinen richtigen Spitznamen verdient habe!"

Ich grinste ihn an frech an.

"Freut mich dich kennenzulernen, Elster!"

Ich wusste, dass ich eigentlich wohl besser nicht mit ihm so sprechen sollte oder auch mit irgendeinem der anderen Rebellen, so wie ich es mit Azad tat, aber ich würde mich bestimmt nicht kleinmachen oder total unterwürfig daherkommen. Meinen Respekt mussten sie sich erst verdienen und da war es mir völlig egal, welchen Rang mein Gegenüber nun hatte. Ob es da so klug war, ausgerechnet mit der Person anzufangen, die "stolze Elster" hieß, war ich mir nicht sicher, aber dafür hatte ich etwas anders im Angebot:

"Azad hat mir schon ein bisschen was von dir erzählt, aber um ehrlich zu sein, würde ich gerne von dir mehr über dich hören- ich gebe nicht viel auf Gerüchte oder Meinungen anderer...", meinte ich mit einem charmanten Lächeln. "Also meine liebe Elster, worauf bist du stolz?"

Lynx&Lion - The RebellionWhere stories live. Discover now