13_Lucien

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Wie kann eine Person mein ganzes Leben und mein Weltbild so auf den Kopf stellen?


Ich hätte ihn vielleicht anlügen sollen und das mit den Rebellen nicht sagen sollen, aber ich konnte nicht die ganze Zeit so tun, als wüsste ich von allem. Ich konnte nicht die ganze Zeit etwas vorlügen. Das musst ich ohnehin schon tun, aber wie spielte man vor, dass man etwas wusste?

Es wäre früher oder später sowieso aufgeflogen und dann wären bestimmt noch mehr Fragen über meine Person aufgetaucht. Und vielleicht wäre meine Tarnung dann komplett aufgeflogen.

Als er bitter auflachte und fragte, ob ich hinter dem Mond gelebt hätte, erwiderte ich: "Ich wohne erst seit zwei Wochen in dieser Stadt, davor hatte ich ziemlich weit weg auf dem Land gewohnt, da gab es euch Rebellen nicht..."

Das war immerhin nur halb gelogen.

"Und dass ich nicht von Wachen verdächtigt wurde, lag wohl daran, dass ich tagsüber kaum draußen war. Ich hatte die Zeit, die ich hier war, als Nachtwächter gearbeitet und befand mich somit zumeist in dem Gebäude, wo ich jeweils Aufsicht hatte..."

Auch nur halb gelogen.

Seine kalte Stimme überraschte mich. Noch nie hatte irgendjemand in diesem Ton mit mir gesprochen. Es war ungewohnt, aber dennoch war es nicht schlimm. Ich mochte es, dass mich mal nicht alle behüteten und genau aufpassten was sie zu mir sagten und auf welche Weise.

Bei seiner weiteren Ansprache änderte sich sein Tonfall.

Gerechtigkeit?

Von was sprach er?

Ich wurde unwillkürlich blass. Ich wusste, dass mein Leben nahezu perfekt war. Aber auch genauso langweilig, deswegen hatte ich dem ganzen auch entkommen wollen. Aber all das, was er erzählte, war so neu.

Es war beängstigend.

Noch nie hatte ich etwas davon gehört.

Ich dachte immer das Leben außerhalb war spannend, bunt, lebendig. Nie hätte ich gedacht, dass es beschränkt wurde durch Hunger, Durst und Krankheiten. Alles Dinge unter denen ich noch nie hatte leiden müssen.

"Mein Leben... es war nie so schlimm. Ich habe das Leid nie so sehr ertragen müssen, wie du es beschreibst...", sagte ich ehrlich. "Ich habe auf einem Bauernhof gearbeitet. Natürlich betrafen mich auch Krankheiten, aber ich musste nie diesen Hunger und Durst erleiden, den du beschrieben hast...",

Wieder die halbe Wahrheit. Ich wollte ihn nicht anlügen, aber mir blieb keine andere Wahl. Und immerhin hatte ich ihn bisher nur betreffend meiner Herkunft und der Dauer meines Aufenthaltes hier angelogen. Ich hoffte, dass das auch weiterhin der Fall blieb.

Ich sah zu ihm rüber und direkt in sein Auge, ohne wegzuschauen.

"Diese Aufteilung ist nicht fair. Alle sollten glücklich leben können mit allem was sie für ihr Leben benötigen. Ich war schon einmal in dieser Stadt als ich noch klein war. Damals schwirrte sie vor Leben, alles hat sich seit damals verändert..." Meine Stimme war gegen Ende leiser geworden.

Meine Gedanken wirbelten wild in meinem Kopf durcheinander, während ich immer noch diese Informationen zu verarbeiten versuchte. Wie war das alles möglich? Wusste mein Vater von den schlechten Lebensbedinungen hier? Und wenn ja, warum tat er nichts dagegen?

"Dann nimm mich auf!", sagte ich kurzentschlossen, als er sich zum Gehen umwandte und meinte, dass er sich leicht ein Urteil über mich bilden konnte- schon jetzt. Wenn ich mich beweisen sollte, würde ich das machen. Ich musste mehr über die Rebellen in Erfahrung bringen. Verstehen, wie es dem Volk wirklich ging. Denn all das was ich zu wissen geglaubt hatte, war in diesem Moment zerbrochen.

Wer war ich dann noch? Jemand, der andere ausbeutete und dafür sorgte, dass ihr Leben nichts mehr wert war? Das war ich nicht- das wollte ich nicht sein.

"Lass mich bei euch mitmachen! Vielleicht habe ich nicht den gleichen Hintergrund wie ihr und verstehe euer Leid noch nicht so gut, aber ich möchte mehr wissen! Ich möchte etwas verändern!"

Ich sah ihn entschlossen an.

"Wenn du dich darüber lustig machst, dass ich nichts über weiß, dann lasse zu, dass ich mehr über euch erfahre!"

Lynx&Lion - The RebellionWhere stories live. Discover now