53_Lucien

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Ich war wirklich gespannt auf unseren Kampf morgen. Obwohl ich mein ganzes Leben lang trainiert hatte, würde ich Azad nicht unterschätzen.

Trotz allem hatten meine Trainer immer Rücksicht auf mich genommen und ich hatte noch nie einen wirklichen Kampf um Leben und Tod gehabt, abgesehen von dem "Kampf", welcher mit dem Tod des anderen Mannes endete.

Azad wollte ich nicht gerade töten und er hatte wohl schon mehrere ernste Kämpfe ausgetragen und hatte somit mehr Erfahrung darin als ich. Mit Kraft, Schnelligkeit und meinen Fähigkeiten alleine würde ich ihn daher wohl nicht schlagen können- ich würde auch listiger sein müssen als er.

Vielleicht sollte ich mich zu Beginn des Kampfes schlechter geben, als ich eigentlich war- wirklich kämpfen gesehen hatte mich Azad immerhin noch nicht. Kampf konnte man das gegen die 3 Rebellen nicht wirklich nennen und auch der Angriff gegen Victor war alles andere als ein Kampf gewesen. Aber mal sehen, was sich alles so ergeben würde- den restlichen Tag würde ich jedenfalls definitiv nutzen um Azads Schwächen herauszufinden. 

Als Azad lachte, lief mir ein angenehmer Schauer über den Rücken- er hatte wirklich ein schönes Lachen, was einem das Herz erwärmte.

"Warte mal, bedeutet das, dass du selbst nachdem du Unteroffizier geworden warst noch viele Kämpfe verloren hattest?", fragte ich staunend nach.

"Dann bist du ja schwächer, als ich dachte..."

Ich grinste ihn frech an.

Er hatte wohl aber keine wichtigen Kämpfe verloren, sonst wäre er jetzt nicht mehr hier. Ich schätzte, dass er vielleicht irgendwelche Übungskämpfe meinte und jeder hatte wohl mal einen schlechten Tag- auch Azad. Und zudem... ich wusste nicht wie stark er wirklich war. Ich wusste, dass er stark war- sonst wäre er kein Unteroffizier, aber doch hatte ich ihn niemals kämpfen gesehen. Vielleicht gab es ja viele Rebellen, die stärker als er waren. Aber egal wie es nun war, ich respektierte Azads Stärke, die definitiv vorhanden war.

Ich war erleichtert zu hören, als Azad meinte, dass man hier nicht ganz so negativ mit gleichgeschlechtlicher Liebe umging, auch wenn er mir durch seine Antwort nicht verraten hatte, wie er selbst zu dem Ganzen stand. Mein Vater hätte vermutlich um jeden Preis versucht mich umzupolen, wenn er es herausgefunden hätte. Wäre ich eine meiner Schwestern, wäre ich wohl einfach verstoßen worden, aber ich war nun mal sein einziger Sohn und Nachfolger- mich konnte er nicht so einfach loswerden.

Folter wäre wohl noch mein geringsten Problem geworden. Ich war froh, dass ich jemandem wie Azad niemals auf einer der gesellschaftlichen Versanstaltungen bei uns zuhause kennengelernt hatte. So schwer wie es mir jetzt fiel mich von Azad fernzuhalten und meine Faszination für ihn zu verbergen, so schwer wäre es mir auch damals zuhause gefallen. Und mein Vater hätte bestimmt früher oder später Wind davon bekommen, was alles andere als schön für mich geendet hätte. Mich konnte er nicht loswerden, aber mein romantisches Interesse durchaus. Vielleicht sogar endgültig.

Ich war überrascht als Azad die Männer, welche mich gierig beobachteten, nicht nur einmal, sondern gleich zweimal dazu aufforderte zu verschwinden, bis sie es schließlich tatsächlich taten. Zwar nicht völlig und ich fühlte immer noch ihre Blicke auf mir, aber dennoch in einem etwas angenehmeren Abstand.

Mein Körper kribbelte an der Stelle, wo Azad mich bei seiner Umdrehung gestreift hatte. Warum nur spielte er wegen so einer Kleinigkeit schon verrückt? Hatte es mich schlimmer mit meiner Schwärmerei erwischt als gedacht?

"Danke!", meinte ich mit einem erleichterten Lächeln zu Azad und meinte es auch genau so.

Ich hatte nicht wirklich gewusst wie ich mit ihnen umgehen sollte, weil ich eine solche Situation einfach nicht gewohnt war. Ein schiefes Grinsen schlich sich auf mein Gesicht.

"Ein schlechter Ratschlag wie immer, aber ich werde es zumindest versuchen!"

Ich warf einen kurzen Blick in die Richtung, in die die Männer verschwunden war, ehe ich meinen Blick wieder auf Azad richtete.

"Ich meine... nur weil ich auf Männer stehe, heißt dass nicht automatisch, dass ich jeden Mann anziehend finde. Und die beiden... nun ja, ihre Blicke waren mir mehr als unangenehm- so etwas habe ich noch nie erlebt...", gestand ich verlegen.

Zumindest eins und eins würde Azad wohl wirklich zusammengezählt haben können. Ich hoffte nur, er würde nicht all meine Aktionen und Worte zusammenzählen und dadurch auf zwei plus zwei kommen... nämlich dass ich ihn sehr wohl anziehend fand. Und das nicht nur ein kleines bisschen.

Aufmerksam hörte ich Azad zu, als er mir endlich meine Frage beantwortete, wie er mich nennen würde. Bei seinem Spitznamen für mich musste ich lächeln. Er passte wirklich wie die Faust aufs Auge. Sogar mehr, als der Rebell jemals ahnen würde. Sowohl ein Luchs, als auch mein Name Lucien begannen beide mit den drei Buchstaben "Luc", welches zugleich auch noch mein Spitzname war, wie meine jüngste Schwester Moriana mich immer rief.

"Also mein Mitspracherecht würde ich schon einmal gleich so einlösen, dass ich durchaus glücklich mit diesem Spitznamen bin- ich denke er passt wirklich gut zu mir, also danke dafür, mein Löwe!"

Ich strahlte ihn an.

"Also neugierig passt wohl wirklich gut zu mir, aber haben nicht alle Katzen eine gewisse Neugierigkeit? Ich finde das beinhaltet der Name damit ohnehin schon, aber uns fällt schon noch ein gutes Adjektiv ein!"

Ich überlegte einen Moment.

"Ich wäre auch nicht traurig, wenn du mich jetzt schon anfängst Luchs zu nennen...nein warte, den Namen muss ich mir erst verdienen, wie wäre es mit "Luc" als Abkürzung für Luchs? Und Luchs nennst du mich dann, sobald ich mir den Namen verdient habe!", schlug ich vor.

Ich wollte unbedingt, dass Azad zumindest ein einziges Mal meinen richtigen Namen aussprach- wenn auch nur die Kurzform dessen.

Ich wollte nicht länger von ihm als einer bezeichnet werden, der ich nicht war. Mic. Diese Person existierte nicht- zumindest nicht jetzt und hier als Azads Schüler. Ich war Lucien de Chimico und ich verhielt mich auch genauso wie Lucien de Chimico. Nur sein Name fehlte mir und ich vermisste es, dass jemand mich bei diesem Namen nannte. Ich wünschte mir nichts sehnlicher, als dass Azad es tun würde.

Im Anschluss lächelte ich ihn sanft an.

"Es freut mich dich so locker und entspannt zu sehen, sodass du sogar scherzen kannst. Der Streit gestern... nun ja... es tut mir leid... ich will nicht mir dir streiten, aber du bist mir einfach verdammt wichtig und es hatte mich wirklich verletzt gehabt, als du meintest, dass du keine Freunde haben willst und keine brauchst. Auch wenn das sichtlich eine Lüge war..."

Ich zwinkerte ihm zu.

"Was ist deine bevorzugte Waffe?", fragte ich dann neugierig.

"Und wie oft trainierst du?"

Ich wollte mehr über seinen Kampfstil herausfinden, um morgen im Kampf einen kleinen Vorteil zu erlangen.

Lynx&Lion - The RebellionWhere stories live. Discover now