36_Azad

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"Alles in einem, werde ich wie geplant den Rekruten selbst ausbilden, ihn von dem gewöhnlichen Kampftraining für unsere Rekruten abziehen und ihn bei meinem Training mitnehmen", beendete ich meinem Bericht über Mic förmlich. Der Alte nickte daraufhin nur kurz und bedeute mir damit auch gleichzeitig, dass ich gehen darf. Da ich keinen weiteren Grund hatte zu bleiben, tat ich wie geheißen und verließ das schäbige Büro. Wie ich schon erwartet hatte, wartete Victor auf mich im Flur.

"Da du das jetzt schon mal überlebt hast, wollen wir es doch gleich etwas feiern." Er stieß sich leicht von der Wand ab, an der er bis dahin gelehnt hat und grinste verschlagen.

Wie ein Fuchs.

Es gab viele Gründe weshalb er weißer Fuchs genannt wird. Der erste Teil ist offensichtlich. Alles an ihm ist hell, wenn nicht sogar weiß. Selbst wenn es um Kleidung geht bevorzugt er helle, kühle Töne und weiß. Alles an ihn erinnerte mich an Eis und Schnee, zumindest an das, was ich mir dabei vorstellte. Der zweite Teil kam von seinem Charackter. Schlau, charmant und hinterhältig wie kaum ein anderer. Wir verstanden uns, aber ich wusste besser als ihm zu vertrauen. Ich wusste ganz genau, dass er jeden einem Dolch in den Rücken stechen würde, wenn es zu seinem Plan gehört. Für ihn gab es keine Kollegen oder Freunde, sondern nur Schachfiguren die man irgendwann vielleicht opfern musste. Ich konnte nur hoffen eines der Figuren zu sein, die man nur dann opferte, wenn es nicht anders ging. Oder dass ich gar der König war, aber dass bezweifelte ich stark. Tatsächlich war Schach sogar einer der Sachen die er mir beigebracht hatte, auch wenn ich nie so gut geworden war wie er.

Auf sein Angebot hin schüttelte ich jedoch nur kurz den Kopf. Ich wollte nicht feiern. Ich war fast nie in der Stimmug dafür und erst recht nicht jetzt. Klar wollte ich was starkes trinken, aber zum feiern fehlte mir die Lust. Er wusste das aber auch, weshalb er vermutlich gar nicht wirklich daran gedacht hatte, wirklich zu feiern.

"Ein Rebell wollte dir gerade schon einen Drink bringen. Meinte, ich würde ihn dir geben, habe ich dann aber selbst genossen. Ich hoffe das stört dich nicht. Apropos, habe heute eine gute Flasche Whisky ergattern können. Gehen wir doch zu dir. Hier ist es zu voll", erklärte er noch immer grinsend und griff nach meinem Arm. Ich gab nach. Er wäre eigentlich nicht stark genug mich wirklich gegen meinen Willen zu bewegen. Vermutlich hatte er gewusst, dass ich so reagieren würde. Er kannte mich einfach zu gut. Wir würden nicht feiern. Stattdessen würden wir reden und trinken.
So sehr ich das erstere in der Regel nicht mochte, hatte ich gegen das letztere rein gar nichts. Zumal hatten wir uns wirklich schon lange nicht mehr gesehen und wenn ich so etwas wie einen Freund überhaupt hatte, war er es. Wir beide würden uns zwar niemals als Freunde beschreiben und unser Misstrauen dem anderen gegenüber war sehr offensichtlich, aber wir haben zu viel zusammen erlebt. Ich habe also vermutlich falsch gelegen, als ich angedeutet habe, niemals etwas wie einen Freund gehabt zu haben. Das ich, wie jetzt, immer noch daran denken musste, was heute zwischen Mic und mir passiert ist, verstärkte mein Wille nach einem Drink auch noch.

Einige gute Stunden und Flaschen guten sowie schlechten Alkohols später, redeten wir noch immer in meiner kleinen Wohnung. Es war mittlerweile Morgen und mein betrunkenes Selbst hat über die vergangen Stunden ziemlich offen über die letzte Zeit, mitsamt Mic, gesprochen.
Einigen Detail habe ich dennoch irgendwie verschwiegen. Unseren Streit zum Beispiel, oder Mics letzte kleine Äußerung, die mich immer noch etwas verwirrte, wenn ich mal ganz ehrlich war.

Auch mein Gegenüber hatte ziemlich viel erzählt. Davon, dass er vermisst hat einfach mit mir zu trinken, oder davon wie er letztens eine kleine Aktion gegen die Zentrale der Stadtwache durchgeführt hat, die wohl Teil eines größeren Plans war, der viel zu kompliziert war um ihn einfach so zu erklären. Später hat er mir dennoch versucht diesen Plan zu schildern, aber ich war vermutlich zu betrunken gewesen um es zu verstehen und er war definitiv selbst zu betrunken gewesen um es gut zu erkären.

Helin hatte sich während der Nacht irgendwann auch noch beschwert, wir sollen doch leiser sein, aber das hat vermutlich nicht lange gehalten. Zumal Victor sie auch noch vergeblich zu einem Drink eingeladen hatte und ganz erstaunt darüber war, wie erwachsen Helin doch schon war.
Er war nur etwa zwei Jahre älter als ich jetzt gewesen, als er mein Mentor wurde. Helin war damals gerade mal zehn Jahre alt. Für drei Jahre war er mein Mentor und noch danach haben wir uns öfters gesehen. Vor vier Jahren jedoch ist er dann jedoch ziemlich plötzlich verschwunden und wir haben uns nur sehr selten gesehen und noch seltener haben wir zusammen etwas getrunken.
Wenn er nicht mein Freund war, würde ich ihn als großen Halb Bruder sehen, den man genau so sehr hasste wie mochte. Er hat mich dazu gebracht zu trinken, auch wenn er mir, gegen allgemeinen Glauben, nie auch nur ansatzweise etwas über Frauen beigebracht hatte. Ich hab nie danach gefragt und er hat nie selbstständig damit angefangen. Warum auch? Wir hatten besseres zu tun.

Als jemand dann plötzlich irgendwann an der Tür klopfte, stand ich leicht schwankend auf und ging zur Tür. "Besuch", flötete Victor leise, folgte mir neugierig-wie er nun mal so oft war- und stand hinter mir, als ich die Tür öffnete. Die Person die da jedoch stand hatte ich nicht erwartet und es war plötzlich als hätte zumindest ein großer Teil der Drinks gar nicht erst exestiert.

"Mic? Was machst du hier?"

"Ach, das ist dein neues Kätzchen, Kater", reimte sich Victor grinsend und anscheinend recht fröhlich zusammen," Lass den armen Jungen doch rein. Er scheint ja ganz blass zu sein. Willst du einen Drink, Kleiner? Wir haben sicherlich noch was übrig. Unser Kater hier ist ja schließlich ein richtiger Sammler von schlechtem Fusel."

Victor schob mich einfach zur Seite-wieder mal wehrte ich mich nicht- und versuchte Mic daraufhin selbst durch die Tür zu ziehen, jedoch griff ich schnell Victors Arm, mit dem er Mic hielt.

"Wir sollten gehen, Victor! Er will zu Helin, nicht zu mir."

"Warum denn das? Ist er etwa der Liebhaber deiner lieben Schwester? Ist das etwa dein Grund?"

"Nein!" Mehr konnte und wollte ich nicht sagen, zumal ich schon wieder etwas zu laut wurde. So schlau und charmant er auch normalerweisen war, so idiotisch war er wenn er betrunken war. Ich wollte nicht noch mehr machen, dass unsere Situation noch seltsamer machen würde.

"Uh~", lachte Victor leise und ließ Mic los," ich wittere Drama. Erzählt mir doch davon."

"Nicht jetzt." Ich wendete mich kurz Mic zu um die Situation zu erklären, so gut es mir momentan möglich war. "Das ist Victor. Der weiße Fuchs, wirst vermutlich noch öfters von ihm hören, und mein ehemaliger Mentor."

"Sehr erfreut Sie kennen zu lernen, Mic. Ich habe heute viel von Ihnen gehört. Der gute Kater schwärmt geradezu von Ihnen.", kicherte Victor übertrieben höflich und deutete noch dazu eine kleine Verbeugung an. Wie immer war er ein kompletter Idiot.

"Und vollkomnender Idiot wenn er betrunken ist", fügte ich schon fast genervt hinzu. Warum musste Mic gerade jetzt hier auftauchen? Wäre er etwas später gekommen hätte er wiederrum uns beide im Wohnzimmer schlafend- oder zumindest ziemlich verkatert- vorgefunden. Keine Ahnung, was für uns am besten gewesen wäre.

"Das kann ich leider nur bestätigen."

"Wir sollten jetzt gehen, Vic."

"Nein, nein, Kater. Ich will dein kleines Kätzchen kennen lernen. Als dein Mentor, will ich dich doch schließlich unterstützten." Mir war momentan komplett egal, was er wollte. Es war mir schon genug, dass ich eine seiner Schachfiguren war, aber Mic musste nicht auch noch Teil, seiner Sammlug werden.

"Du hast schon genug Schachfiguren um einen... unseren Krieg zu gewinnen. Er ist mein Schüler und ihn bekommst du nicht, so leid es mir auch tut, Fuchs. Ich kenn dich gut genug und das weißt du."

Victor lachte genüsslich vor sich hin. Schon wieder lachte er so. Ich konnte es langsam wirklich nicht mehr hören. Zumal ich in seinen Augen etwas sah, dass ich von ihm nur all zu gut kannte. Gier. Ich wusste deswegen sofort, dass er nicht mehr so betrunken war, wie er vorgab. Es ist, als könnte ich sehen wie er schon schon diese neue Figur in seinem großen Plan einsetzte.

"Natürlich, mein schlauer kleiner Kater, natürlich. Um aber auf den Drink zurück zu kommen... was sagts du, Mic?"

Lynx&Lion - The RebellionWhere stories live. Discover now