Epilog - Jessica

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September

Ich stand auf dem Parkplatz vor dem Gefängnis, jeden Augenblick würde Tyler durch diese Tür kommen und endlich wieder ein fester Bestandteil meines Lebens werden. Es waren unglaublich harte Monate gewesen. Die 18 härtesten meines Lebens, doch ich hatte sie überstanden, hatte Tyler bewiesen, dass ich ebenso stark sein konnte, wie er.

Mit einem Mal öffnete sich die große Metalltür, auf die ich bereits seit einigen Minuten wie hypnotisiert starrte und Tyler erschien im Türrahmen. Er verabschiede sich von einem der Wärter und kam dann mit langen Schritten auf mich zu. Sein Grinsen reichte ihm bis über beide Backen. Als er mich schließlich erreichte, hob er mich ohne Vorwarnung hoch. Ich quiekte, schlag meine Beine um ihn und hatte das erste Mal seit einer Ewigkeit das Gefühl, wieder vollständig zu sein. Wir küssten uns, hielten uns gegenseitig fest, bis er mich wieder zurück auf meine Füße stellte.
„Du bist wieder da" meinte ich so leise, dass man meinen konnte, ich glaubte, er würde wieder verschwinden, wenn ich es lauter ausspräche.
„Und ich verspreche dir, Baby, ich gehe niemals wieder fort." Seine Stimme klang so raus, dass sich eine Gänsehaut auf meinen Armen ausbreitete.
Ein Kläffen zog unsere Aufmerksamkeit auf sich. Tyler lachte auf, ging in die Hocke und streichelte Shadow. „Tut mir leid, Buddy, aber mein Mädchen hat Vorrang."

Shadow lebte mittlerweile bei mir im Loft. Eugene war vor wenigen Monaten mit Herzschmerzen ins Krankenhaus eingeliefert worden und war, zum großen Entsetzen aller, nicht wieder zurück gekommen. Sein Verlust hatte so sehr geschmerzt, als wäre er Familie gewesen. In gewissen Weise, war er das auch. Ein Teil unserer Familie. In der Zeit nach Tyler's Verhaftung, hatte er mir Halt gegebenen, wusste, was zu sagen war, als die anderen es nicht taten. Ich hatte ihn so unheimlich lieb gewonnen, dass ich einige Zeit brauchte, um zu realisieren, dass er nicht mehr bei uns war und auch nicht wieder kommen würde.
Tyler hatte Eugene's Tod besonders mitgenommen, er hätte es nie zugegeben, doch einige Zeit ging es ihm schlecht. Sehr sogar. Am meisten hatte es ihn getroffen, nicht auf Eugene's Beerdigung gehen zu können. Er hatte sich Vorwürfe gemacht, die ich ihm glücklicherweise nach und nach hatte nehmen konnten.
Eugene hätte nicht gewollt, dass Tyler sich Gedanken machte. Er wollte, dass er glücklich war, weshalb er wahrscheinlich auch für die kleine Überraschung sorgte, die uns kurz nach seinem Tod, in Form eines Briefes erreichte. Er hatte Tyler als alleinigen Erben eingesetzt. Tyler hatte nicht nur Geld von dem alten Eugene geerbt, sondern war fortan auch Eigentümer des Wohngebäudes, in dem unser Loft und Eugene's alte Wohnung lag. Tyler hatte lange darüber nachgedacht, wofür es das Geld nutzen wollte, er hatte wahrscheinlich auch ein bisschen mehr Zeit, um darüber nachzudenken, als manch anderer, aber letztlich entschied er sich dafür, sich ins Hunting einzukaufen. Hunter hatte bereits alles in die Wege geleitet, Tyler musste nur noch unterzeichnen, bis ihm und Hunter die Bar zu gleichen Teilen gehörte.
Auch für Eugene's alte Wohnung ergab sich schnell eine Lösung, denn Elena und Charlie wohnen bereits seit ein paar Wochen zur kleinen Miete dort. Charlie war am 12. Juli letzten Jahres zur Welt gekommen und hatte mit seiner Ankunft Elena's Welt ordentlich auf den Kopf gestellt. Er war das süßeste und wundervollste Patenkind, das man sich vorstellen konnte. Er hatte große Kulleraugen, lockiges, hellbraunes Haar und strahlte ununterbrochen. Elena und ihn seither so nah bei mir zu haben, erfüllte mich und machte mich mehr als glücklich.

Tyler hatte gewollt, dass wir seinen ersten Tag in Freiheit alleine verbrachten. Alle anderen würde er auf den nächsten Tag vertrösten, denn, so meinte er, auf einen Tag mehr oder weniger, kam es nun auch nicht mehr drauf an.
Und so verlebten wir den Tag in Zweisamkeit, einzig der kleine Shadow war mit von der Partie.
Wir schlenderten durch die Straßen, spazierten durch den Central Park, wir gingen Mittagessen, wir versuchten einfach die Zeit, die uns verloren gegangen war, nachzuholen. Es war nicht schwierig, denn es war, als wäre er nie fort gewesen. Gegen frühen Abend stiegen wir in die Subway und machten uns auf den Weg nach Hause. Unserem zu Hause.

Später am Abend langen wir auf unserem Sofa, mein Kopf ruhte auf Tyler's Brust und ich konnte seinen Herzschlag hören. Wir hatten uns heute bereits zum 3. Mal geliebt und es war so viel schöner gewesen, als in dem schäbigen Raum, der im Gefängnis dafür vorgesehen war.
Tyler strich mir liebevoll über meinen Kopf und durchbrach dann die Stille, die seit ein paar Augenblicken herrschte.
„Hast du noch den Zettel, den ich dir damals gegeben habe?" fragte er mich.
Ich blickte zu ihm rauf und lächelte. „Natürlich."
Nun zierte seine Lippen ebenfalls ein Lächeln.
„Dann hol ihn." Seine Stimme war zu einem Flüstern geworden.
Ich stand auf und streifte mir rasch sein T-Shirt über, das mir, da es viel zu groß war, bis zur Mitte meiner Oberschenkel reichte. Ich tapste durch unser Wohnzimmer, stieg die Treppe hinauf und lief zu unserem Bett. Ich kniete mich auf den Fußboden, langte unter das Bett und zog eine kleine Kiste hervor, in der ich all die Zettel und Briefe von Tyler aufbewahrte. Ich ließ mich, mit der Kiste in den Händen, nieder aufs Bett und nahm grinsend den Deckel ab. Mein Grinsen verschwand, als ich zwischen den Zetteln ein kleines Kästchen erblickte. Kurze Zeit wusste ich nichts damit anzufangen.
Das wird doch wohl nicht...?
Ich griff nach dem mit schwarzem Samt überzogenen Kästchen und öffnete es vorsichtig. Was ich dann sah, raubte mir den Atem. Ein bildschöner Diamantring strahlte mich an. Weißgold, mit einem quadratischen Ring Kopf, in dem ein reinweiß funkelnder Stein saß. Ungläubig starrte ich auf den Ring, hob dann meinen Kopf und entdeckte Tyler, der auf den obersten Stufen der Treppe stand und mich beobachtete. Mein Blick wanderte zu der Kiste mit den Zetteln. Ich biss mir auf die Unterlippe, wühlte nach dem Zettelchen, das mir Tyler an seinem Geburtstag gegeben hatte, während ich mit meiner anderen Hand fest das Ringkästchen umklammerte. Zitternd holte ich das Stück Papier hervor und las die Worte, die darauf geschrieben standen.

Ich wünsche mir, dass du es bist.

Tyler kam langsam auf mich zu, er reichte mir seine Hand, wies mich an, mich zu erheben, dann kniete er vor mir nieder.
„Ich wünsche mir, dass du es bist, Jess. Die Frau an meiner Seite, die Mutter meiner Kinder. Du bist meine Zukunft, ich möchte mit dir zusammen alt werden. Ich hoffe, dass du mir verzeihen kannst, dich so lange allein gelassen zu haben, aber jetzt bin ich da und wenn du möchtest, wenn du mich lässt, dann bleibe ich den Rest meines Lebens an deiner Seite. Ich liebe dich und ich will keine Zeit verlieren. Nicht mehr. Deshalb frage ich dich jetzt, Jessica Malone, willst du meine Frau werden?"
Einzelne Tränen liefen über meine Wangen, ich hatte in meinem ganzen Leben nie etwas Schöneres gehört, als das, was Tyler gerade von sich gegeben hatte.
Ich lächelte ihn an und nickte sachte. „Ja" wisperte ich.
Er begann augenblicklich zu strahlen. „Wirklich?"
Mein Lächeln wurde breiter. „Ja" wiederholte ich.
Tyler ergriff das Kästchen, das ich immer noch fest in meiner Hand hielt. Er entnahm den Ring und steckte ihn mir ehrfürchtig auf den Finger. Er passte perfekt.
Ich betrachtete meine Hand, bewunderte diesen wundervollen Ring.
„Er ist wunderschön" sagte ich leise vor mich hin.
Tyler erhob sich, ich schlag meine Arme um ihn. Unsere Münder fanden sich und ich murmelte an seine Lippen. „Lass mich nie wieder allein."
Er schüttelte den Kopf. „Versprochen, Blondie."

LONGING FOR CHANGEWo Geschichten leben. Entdecke jetzt