Kapitel 12 - Jessica

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Happy Birthday.
Ich saß alleine und deprimiert auf meiner Couch.
Eigentlich mochte ich Geburtstage. Ich hatte auch kein Problem damit, wieder ein Jahr älter zu sein, aber womit ich ein Problem hatte, war, dass heute niemand Zeit für mich hatte. Elena hatte mir bereits vor einigen Tagen gestanden, dass Ian sie eingeladen hatte, seine Eltern über ein langes Wochenende in Maryland zu besuchen. Ich hatte mich total für sie gefreut und sie natürlich dazu gedrängt, ihm zuzusagen. Sie hatte sich gefühlte 100 Male bei mir entschuldigt und mir versichert, wir würden meinen Geburtstag nachfeiern, wenn sie wieder da war. Das war vollkommen okay für mich, ich hatte ja noch Josh. Der hatte jedoch auch abgesagt und mir berichtet, Tyler hätte sich bei ihm gemeldet und ihm mitgeteilt, dass heute Abend das erste von 4 Autos gestohlen wurde. Man konnte also sagen, ich war alleine, deprimiert und machte mir Sorgen. Was für ein schöner Abend.
Ich beschloss, das Beste daraus zu machen, legte eine meiner lieblings Dvd's ein und pflanzte mich in Jogginghose und Kuschel Socken zurück auf die Couch.
Als ich gerade auf „Play" drücken wollte, klopfte es an der Tür. Ich erwartete niemanden, hoffte aber inständig, dass es Josh war, der aus irgendeinem Grund, doch Zeit für mich gefunden hatte. Ich schlenderte zur Tür und öffnete sie. Vor mir stand Tyler. Mein Blick wanderte seinen Körper hinauf, bis ich schließlich meinen Kopf in den Nacken legen musste, um ihm in die Augen sehen zu können. Er trug ein schwarzes Hemd, darüber seine Lederjacke. Seine kurzen, braunen Haare, die in der Mitte ein wenig länger waren, als an den Seiten, hatte er
zurück gegelt. Die Dinge, die mir Elena über ihn erzählt hatte, schwirrten mir im Kopf herum, doch ich ignorierte sie.
„Was machst du hier, Tyler?"
Er grinste mich an. „Nach was sieht es denn aus, hm? Ich hol dich zum Essen ab."
Ungläubig sah ich ihn an. Er wollte mit mir essen gehen?
„Aber... ich bin doch überhaupt nicht fertig."
Ich deutete an mir herunter und wurde rot, als ich die kuscheligen Socken bemerkte.
„Na, dann mal los. Zieh dir was Nettes an, ich warte auf dich."
Passierte das hier wirklich? Unsicher, als könnte das Ganze hier ein schlechter Scherz sein, ging ich in mein Schlafzimmer und schloss die Tür. Ich ließ mich rücklings auf Bett fallen und seufzte. Warum war er hier? Und warum verdammt, hatte ich keine Angst vor ihm? Ich sammelte mich einen kurzen Moment, dann begann ich meinen Kleiderschrank auf den Kopf zustellen. Was sollte ich nur anziehen? Ich entschied mich letztendlich für Blue Jeans, eine weißen Bluse mit schwarzen Akzenten und schwarze Pumps. Anschließend huschte ich ins Bad, puderte mich, trug Mascara und Lippenstift auf und band meine langen Haare zu einem hochsitzendem Kopf. 20 Minuten später kam ich zurück ins Wohnzimmer, Tyler saß auf meinem Sofa und tippte auf seinem Handy. Als er auf sah und mich betrachtete, glaubte ich, ein Lächeln in seinem Mundwinkel gesehen zu haben. Er erhob sich und wir liefen zur Wohnungstür.

Draußen angekommen, stand am Rande der Straße kein Motorrad, wie ich erwartet hatte, sondern ein schwarzer Wagen. Ein Oldtimer war es, glaube ich.
„Kein Motorrad?", fragte ich verwirrt.
Tyler hielt mir lachend die Tür auf.
„Wenn ich mich recht entsinne, mochtest du das „Höllenteil" nicht besonders."
Er ging um den Wagen rum und stieg ebenfalls ein.
„Die Fahrt war gar nicht so schlimm gewesen, wie ich sie mir vorgestellt hatte", gab ich ehrlicherweise zu.
„Ich merk's mir." Dann fuhr er los.
Einige Augenblicke sagte keiner etwas. Tyler zog eine Packung Zigaretten aus seiner Jackentasche und zündete sich eine an, nachdem er das Fenster der Fahrerseite runtergekurbelt hatte. Ich beobachtete ihn dabei.
„Stört es dich?" Er sah zu mir rüber.
„Nein."
Tat es wirklich nicht. Es sah zugegebenermaßen sogar richtig sexy aus, wie er an der Zigarette zog und den Rauch inhalierte.
„Einer von euren Leuten war bei mir auf der Arbeit", versuchte ich ein Gespräch anzufangen.
„Ja, ich weiß." Kurz schwieg er „Hat er dir Angst gemacht?"
Er suchte meinen Blick und ich nickte.
„Ja." Meine Stimme klang leise.
Er schaute wieder auf die Straße und schüttelte leicht den Kopf. „Es wird nicht wieder vorkommen."
Nach einer nicht allzu langen Fahrt, erreichten wir unser Ziel. Ein Chinesisches Restaurant. Ich konnte mein Lächeln nicht verbergen.
„Davon hat dir Josh erzählt, stimmt's?"
„Möglich."
Wir gingen hinein, Tyler übernahm das Reden.
„Warren. Ich habe einen Tisch für 2 Personen reserviert.
„Natürlich, bitte folgen Sie mir", gab eine junge Chinesin zurück.
Warren.
Es war tatsächlich keine Verwechslung gewesen.
„Kommst du?", riss mich Tyler aus meinen Gedanken.

Wir erhielten einen Tisch weiter ab, was nicht schlimm war, denn hier war die Geräuschkulisse deutlich leiser und wir konnten uns besser unterhalten.
Nachdem wir unser Essen bestellt und sogar Rotwein geordert hatten, lehnte sich Tyler in seinem Stuhl zurück, sein Blick ruhte auf mir.
„Also, wieso verbringt ein junges, hübsches Mädchen ihren 25. Geburtstag beim Chinesen mit einem Kerl wie mir?"
Das wüsste ich auch gerne.
„Sag du es mir, Tyler."
„Ich will deine Sicht der Dinge hören."
Ich erzählte ihm von Elena und dass sie mit ihrem Freund nach Maryland zu seinen Eltern gefahren war.
„Und, du hast keinen Freund?"
Wieso fragte er mich so etwas?
„Ich dachte du hast dich über mich informiert?", neckte ich ihn ein bisschen.
Er schmunzelte, sagte dazu aber nichts.
"Nein, ich habe keinen Freund. Der letzte Kerl, mit dem ich mich getroffen habe, hat mich sitzen lassen. Das war an dem Abend in der Bar, als wir uns zum ersten Mal begegnet sind."
Er wurde hellhörig, setzte sich aufrecht hin.
„Der Kerl war offensichtlich ein Vollidiot."
Ich kicherte und nickte. „Was ist mit dir? An dem Abend habe ich dich mit einem dunkelhaarigen Mädchen gesehen. Ist sie deine Freundin?"
Er sah mir in die Augen, bevor er mir eine Antwort darauf gab. „Ich steh' nicht auf Beziehungen."
Ich wollte nachfragen wieso, aber genau in diesem Augenblick kam unser Essen.
Es war super köstlich, ich liebte chinesisches Essen. Während wir aßen, unterhielten wir uns über alles Mögliche, nur die privaten Fragen ließen wir aus.
Irgendwann piepste sein Handy, er warf einen Blick drauf und atmete erleichtert auf.
„Das war Hunter, der Typ, der bei dir im Café war", erklärte er mir. „Es ist alles glatt gelaufen. Joshua hat den Wagen heil abgeliefert."
Mir fiel ein Stein vom Herzen.
„Oh Gott, ein Glück, dass nichts passiert ist."
Nach einem weiteren Glas Wein, welches nur ich trank, da Tyler noch fahren musste, baten wir um die Rechnung.
Als die Bedienung kam, griff ich nach meiner Handtasche, doch Tyler winkte ab. „Ich mach' das schon."
Danach verließen wir das Restaurant. Bevor wir ins Auto stiegen, steckte Tyler sich noch eine Zigarette an. Es war ein herrlicher Abend, es regnete nicht, der Himmel war klar und man konnte sogar die Sterne sehen. Ich betrachtete Tyler, der mich, als er es bemerkte, ebenfalls ansah.
„Vielen Dank für's Essen, es war super lecker."
„Dafür nicht."
Mir schien, als wollte er noch etwas sagen, doch er tat es nicht.

Tyler parkte den Wagen vor meiner Wohnung.
Ich war traurig, dass der Abend schon vorbei war, denn ich hatte wirklich Spaß gehabt. Verunsichert zupfte ich an meiner Bluse herum, da ich nicht wusste, wie ich mich von ihm verabschieden sollte. Ich drehte den Kopf in seine Richtung und mein Blick traf seinen. Er zog etwas aus der Innentasche seiner Jacke und reichte es mir.
„Happy Birthday, Jess."
Es war ein weißer Umschlag, zögerlich nahm ich ihn entgegen. Ich war total durcheinander, weil ich nicht damit gerechnet hatte, dass er mir etwas schenken würde. Tyler hatte ein Geschenk für mich. Mit einem Mal fühlte ich mich, als wäre ich etwas Besonderes und musste lächeln. Ich öffnete den Umschlag und erblickte 2 Karten die aussahen, als wären es Eintrittskarten für irgendein Event. Ich las den Text, der auf die Karten gedruckt war, und kam aus dem Staunen nicht mehr raus. Sie waren für die Vorlesung von einem meiner Lieblings Autoren. Henry White. Er stellte in ein paar Wochen hier in New York sein neues Buch vor und gab darüber hinaus eine exklusive Vorlesung für die es nur wenige Plätze gab. Und nun hielt 2 Karten dafür in meinen Händen. Ich war sprachlos.
„Mein Gott, Tyler, woher wusstest du...", ich fand keine Wörter dafür.
„Ich habe seine Bücher in deinem Bücherregal stehen sehen. Viele davon." Er grinste über beide Backen.
Ehe ich mich versah, beugte ich mich zu ihm rüber und umarmte ihn fest.
„Vielen, vielen Dank. Du kannst dir nicht vorstellen, wie sehr ich mich darüber freue."
„Gerne."
Wir lösten uns voneinander, jedoch lehnte mein Oberkörper immer noch zu seiner Seite. Wir sahen uns tief in die Augen. Irgendwas passierte hier gerade.
Er streckte seine Hand nach mir aus und schob vorsichtig eine Haarsträhne hinter mein Ohr, die sich aus meinem Zopf gelöst hatte.
„Gute Nacht, Jess."
Jess.
Er hatte es schon wieder gesagt.
Ich wollte nicht aussteigen, wollte das hier nicht enden lassen, aber ich musste. Ich nahm meine Tasche aus dem Fußraum und stieg aus.
„Danke für den schönen Abend", sagte ich leise schloss lächelnd die Tür.

Als ich später in meinem Bett lag, grinste ich wie blöde vor mich hin. Ich hatte nicht erwartet, dass der Tag doch noch so schön werden würde. Mein Blick fiel zum Nachttisch, auf den ich die Karten für die Vorlesung gelegt hatte. Ich hatte Tyler gar nicht zu getraut, so kreativ zu sein und sich etwas Derartiges einfallen zu lassen, aber ich wurde eines besseres belehrt. Seufzend machte ich die Augen zu, doch ich war noch nicht müde. Meine Gedanken an Tyler, waren präsenter denn je und, ohne weiter darüber nach zu denken, schob ich die Hand in mein Höschen. Meine Finger fanden die kleine Perle und rieben sie. Weiter und immer weiter, bis mir schließlich ein Keuchen entwich und ich danach in einen wohligen Schlaf fiel.
Davon durfte niemand etwas erfahren.
Niemand.
Jemals.

LONGING FOR CHANGEWo Geschichten leben. Entdecke jetzt