Kapitel 9 - Tyler

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Unser Treffpunkt mit Hosenscheißer Joshua war eine stillgelegte Tiefgarage, die abseits vom Schuss lag. Daxton, Hunter und ich fanden uns bereits 30 Minuten vor ausgemachter Zeit ein, da der Boss noch ein Treffen mit Gage vereinbart hatte. Er war der Kerl, den Daxton mit der Überwachung der Eigentümer, sowie deren Zeitabläufen und Gewohnheiten beauftragt hatte. Ich kannte Gage aus der Bar. Mittelgroßer Typ, schätzungsweise Ende 30. Mit langen Haaren, die er stets zum Zopf gebunden trug. Ich sah ihn nicht oft, meinst kam er nur, um mit dem Boss zu reden, danach verschwand er wieder. Ich hatte noch weniger Worte mit ihm gewechselt, als Male, die ich ihn bisher gesehen hatte, daher konnte ich mir noch kein Bild davon machen, ob er kompetent genug war, um bei der Sache mitzuwirken.
Gage lieferte seine Berichte ab. Viel Positives, wenig Negatives und nichts, was wir nicht regeln konnten. Nicht nur ich, sondern auch der Boss, war zufrieden mit den Neuigkeiten.

Nachdem Gage wieder abgezischt war, warteten wir auf Joshua, der jeden Augenblick kommen musste. Ich lehnte an Daxton's schwarzen Mercedes und zog an meiner Kippe. Ich dachte an heute Morgen, an das Gespräch, das ich mit Daxton geführt hatte und aufgrund dessen, wir jetzt hier standen. Noch immer wusste ich nicht, ob es eine gute Idee gewesen war, Daxton diesen Vorschlag zu machen. Doch jetzt war es sowieso zu spät. In Gedanken ließ ich den heutigen Morgen Revue passieren:

„Was wissen wir über ihn?", fragte Dearing mich, woraufhin ich ihm eine Mappe auf seinen Schreibtisch legte.
Darin befanden sich alle Informationen, die ich über Joshua finden konnte. Hunter, der ebenfalls anwesend war, kannte den Inhalt bereits, also startete ich den Schnelldurchlauf für Daxton. „Joshua Malone, 21 Jahre alt, geboren und aufgewaschen in New York City, Mutter verstorben, Vater unbekannt. Er hat seinen Highschoolabschluss gemacht und hatte danach diverse Job's, die er alle nie länger, als ein paar Monate behielt. Er lebt momentan in einer Erdgeschosswohnung Ecke Wilson Av und Hancock St., die er sich mit einem Bengel namens Benton teilt. Die beiden kennen sich seit ihrer Kindheit. Das Geld, was er sich von dir geliehen hat, hat er, bis auf den letzten Penny, in einem Wettbüro in Brooklyn verschleudert. Wenn du mich fragst, ist der Kleine abhängig."
Der Boss überlegte. „Keine Verwandten?"
Mir war nicht wohl bei der Sache, aber ich schwieg, statt ihm eine Antwort auf seine Frage zu geben. Ich verneinte sie nicht, erzählte aber auch nichts von Jessica. Ich spürte Hunter's Blick auf mir, ließ mir aber nichts anmerken.
„Er hat die Kohle nicht Daxton. Aber dafür hat er Ahnung von Auto's." Ich deutete auf die Mappe. „Er hat in verschieden Werkstätten gearbeitet. Er ist dort nie rausgeflogen, weil er zu blöde war, sondern weil der Hosenscheißer einfach faul ist."
„Du meinst, wir könnten ihn gebrauchen?" Daxton grinste dreckig, ihm schien meine Idee zu gefallen.
„Das denke ich, ja."

Ich wurde aus meinen Gedanken gerissen, als ein Auto in die Tiefgarage fuhr. Es hielt an und kurze Zeit später, stieg Joshua aus. Er kam auf uns zu, schien nervös zu sein. Verängstigt, als könnte das hier eine Falle sein, blickte er sich in der Gegend um. Gut so, sollte er ruhig Angst haben. Hunter und ich hielten um im Hintergrund, es war Daxton's Auftritt.
„Hallo, Joshua", begrüße er ihn, seine Stimme triefte vor Überheblichkeit.
„Mr. Dearing." Mit einem Nicken begrüßte er auch uns.
Sein Gesicht war noch ein wenig geschwollen, blau-lilafarbenen Hämatome zierten es.
„Ich freue mich, dass du gekommen bist, Junge. Du weißt, dass ich mein Geld wieder haben will, daran hat sich nichts geändert, aber es gibt noch etwas, das ich dringender haben will und hier kommst du ins Spiel."
„Sie wollen, dass ich Auto's für Sie stehle?", fragte Joshua schockiert, nachdem Daxton ihm seinen Vorschlag unterbreitet hatte.
„Das will ich. Du arbeitest für mich, stehst mir zur Verfügung, bis alle 4 Karren verschifft und auf hohe See geschickt worden sind. Danach sind wir quitt, keine Schulden und keine Schläger mehr."
Der arme Junge wurde immer blasser. Wenn er schlau war, nahm er den Deal an, es war seine einzige Chance. Ich hatte ihn für weniger labil gehalten, denn er begann, seinen Kopf zu schütteln.
„Ich weiß nicht, ob ich das kann."
Etwas in Daxton's Augen veränderte sich, sie wurden dunkler. „Tja, weißt du, Junge, denk einfach drüber nach. Ich werde deine Entscheidung abwarten. Vielleicht besuche ich in der Zwischenzeit mal deine hübsche Schwester. Ich habe gehört, das Café, in dem sie arbeitet, macht die besten Brownie's in ganz Brooklyn."
Fuck, nein!
Mein Körper spannte sich an, meine Hände ballten sich zu Fäusten. Dieses Arschloch wollte Jessica da mit reinziehen.
Ich sah zu Hunter, der jedoch meinem Blick auszuweichen schien. Dafür traf mich ein anderer Blick, Joshua schaute mich durch eiskalte Augen an. Er war sich sicher, dass das von Anfang an mein Plan gewesen war. War es verdammt nochmal nicht, aber wenn er jetzt zusagen würde und das Ding nicht an die Wand fährt, würde seiner Schwester nichts passieren. Ihr würde so oder so nichts passieren, dafür würde ich sorgen.

„Ich mach' es." Ein Händedruck besiegelte das Ganze.
„Gute Entscheidung, Joshua. Tyler wird sich bei dir melden, wenn es losgeht. Enttäusche mich nicht."
Wir ließen ihn einfach dort stehen und fuhren davon.

Daxton setzte Hunter und mich vorm Fort Hamilton's ab und machte sich direkt auf den Weg zu einem weiteren Termin.
„Hast du ihm von Jessica erzählt?", wollte ich von Hunter wissen, als dieser gerade in die Bar gehen wollte.
Er hielt inne und drehte sich zu mir um.
„Ja, das habe ich. Wieso stand kein Wort über sie in deinen Recherchen?"
Ich kannte die Antwort auf diese Frage selber nicht.
Hunter strich sich über seinen Bart und seufzte. „Die kleine Blonde, die neulich Abend hier war, das war sie, oder?"
Ich stand ziemlich scheiße da.
„Ja."
Ich griff nach meiner Packung Zigaretten und zündete mir eine davon an.
„Sie hat mich gebeten, ihrem Bruder zu helfen. Ich habe mich über ihn schlau gemacht und siehe da, er kennt sich mit Autos aus. Ob ihm das jetzt hilft oder nicht, ist mir ziemlich egal. Ich aber, habe jemanden, der für mich die Karren klaut, die Daxton haben will. Er übernimmt mein Risiko, ich kann mich im Hintergrund halten. Was Besseres hätte mir nicht passieren können."
Hunter nickte verständlich. „Und die Kleine ist kein Problem?"
„Für mich nicht."
Noch nicht.

Ich überlegte, ob das, was ich da gerade gesagt hatte, der Wahrheit entsprach? Ihr zuliebe, hatte ich überlegt, wie Joshua's Problem mit den Schulden zu lösen war. Dass die Lösung für ihn, letztendlich auch eine Lösung für meine Probleme war, hätte besser nicht laufen können und hatte Jessica nicht zu interessieren. Fakt war, er war seine Schulden los, wenn die Sache einwandfrei über die Bühne ging, mein Teil der Abmachung, war getan. Ob sie mit der Lösung zufrieden war oder nicht, konnte mir am Arsch vorbei gehen.

Hunter wollte noch ein Bier mit mir trinken aber mir stand der Sinn nach Bourbon, also verabschiedeten wir uns und ich fuhr los.

Es war früher Abend, als ich vor McCane's Tür stand und dagegen klopfte. Nach einigen Augenblicken öffnete er.
„Hast du den Bourbon schon ausgesoffen oder bekomm' ich noch ein Glas davon, alter Mann?"
Ein freudiges Lächeln lag auf seinen Lippen. „Für dich habe ich immer ein Glas, mein Junge."
Wir saßen auf seiner alten Ledercouch und stoßen an. Auf was, wussten wir selber nicht genau. Der alte Mann fragte nach meiner Arbeit, ich erzählte ihm Bruchstücke davon. Es tat nicht Not, ihm alles zu berichten und ihn damit vermutlich noch in Aufruhr zu versetzen, er war schließlich nicht mehr der Jüngste.
„Also, Tyler, wieso bist du hier?"
Ich verstand die Frage nicht.
„Du hast mich eingeladen, schon vergessen?" Ich zwinkerte ihm zu.
„Ich erinnere mich, dich auf ein Stück argentinisches Rinderfilet eingeladen zu haben", er mache eine Pause, bevor er weiter sprach. „Das war vor 5 Tagen."
Ich verschlucke mich beinahe an dem guten Tropfen, weil ich anfangen musste, laut zu lachen.
„Weißt du McCane, ich habe da heute so ein Ding abgezogen, bei dem ich mir nicht so sicher bin, ob es richtig oder falsch von mir war."
„Seit wann stellt Tyler Warren seine Entscheidungen in Frage?"
Das wüsste ich allerdings auch gerne. Ich weiß nicht, wann ich das letzte Mal so ein komisches Gefühl bei einer Sache hatte.
Der Alte legte mir eine Hand auf die Schulter und sah mich an. „Fahr zu ihr."
Bestimmt. Als wäre ich genauso ein Weichei, wie ihr Bruder.

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