Kapitel 7 - Tyler

149 11 1
                                    

„Ich will mein verdammtes Geld wieder haben", brüllte Daxton und fegte mit einem Wisch seinen Schreibtisch leer. „Ich will alles über diesen kleinen Bastard wissen. Familie, Freunde, Haustiere. Ich will wissen, was er macht, wo er hin geht, wann er sich einen wichst und wann er, verflucht nochmal, scheißen geht. Ist mir scheiß egal, wie du das anstellst Tyler, aber ich will mein Geld zurück!"
Er deutete zur Tür. „Und jetzt hau ab."
Ohne ein einziges Wort dazu zu sagen, ging ich kopfschüttelnd aus seinem Büro.
Der kleine Hosenscheißer hatte das Geld nicht. Ob ich ihn zu Kleinholz verarbeitete oder ihm einen Finger abtrennte, änderte nichts an der Sache. Als ich heute bei ihm gewesen war, hatte ich mit Erleichterung festgestellt, dass von seiner Schwester weit und breit nichts zu sehen war, und doch, hielt mich alleine der Gedanke an sie davon ab, ihm mehr Schmerzen zuzufügen, als notwendig waren.
Ich dachte an das, was Daxton gesagt hatte.
Familie.
Ich würde einen Teufel tun, die Kleine da mit reinzuziehen.

Schlecht gelaunt betrat ich die Bar und marschierte auf den Tresen zu.
Hunter, der heute ebenfalls da war, schien zu wissen, was los war.
„Na, Einlauf vom Chef erhalten?", witzelte er rum.
„Frag nicht", knurrte ich zurück.
Ich nahm die ersten Bestellungen auf und zündete mir nebenbei eine Zigarette an, aber nicht einmal das half.
Beschäftigt damit, ein paar Gläser abzuspülen, nahm ich aus dem Augenwinkel jemanden wahr. „Was bekommst du?", fragte ich, ohne hoch zu sehen.
„Antworten!" gab eine weibliche Stimme trotzig zurück.
Ich riss den Kopf hoch und schaute in ein ziemlich wütendes Gesicht. Mir blieb aber auch nichts erspart.
„Warst du es?", fragte Blondie drauf los.
Ich verdrehte die Augen und lief um den Tresen herum, um sie bei Seite zu nehmen, doch ihr schien es nichts auszumachen, das Gespräch mitten im Raum weiter zu führen, denn sie bohrte weiter nach. „Warst du es, Tyler?"
Asher hatte ihr also meinen Namen verraten. Dieser Vollidiot war zu nichts zu gebrauchen.
Ihr Blick hing an meinen wunden Fingerknöcheln und sie zählte Eins und Eins zusammen.
„Du hast meinem Bruder das angetan, oder?"
Was fiel ihr eigentlich ein, hier aufzutauchen und mir eine derartige Szene zu machen? Ich baute mich vor ihr auf und gab ihr die passende Antwort. „Er kann froh sein, dass ich ihm nicht mehr, als seine Nase gebrochen habe."
Mich traf eine schallende Ohrfeige. Damit hatte ich nicht gerechnet, sie ebenso wenig. Schockiert von ihrer eigenen Reaktion, riss sie die Augen auf und wich einen Schritt von mir zurück.
Sie hat Angst vor mir.
Ich bemerkte, dass die Leute im Raum begannen, uns anzustarren, also warf ich ihr einen kühlen Blick zu, packte sie ein wenig fester als nötig am Arm und zerrte sie vor die Tür. Draußen angekommen, wandte sie sich unter meinem Griff. „Lass mich los."
Ich löste meine Finger und sie brachte, genau wie eben, Abstand zwischen uns.
„Wieso hast du das getan?" Sie war völlig aufgewühlt. „Er hat doch bezahlt, wozu hast du ihm dann wehgetan?"
Wow. Stopp. Er hatte bezahlt? Hattte sie das gerade wirklich gesagt? Stirnrunzelnd sah ich zu ihr runter und sie fing an, in meinem Gesicht zu lesen. Als sie begriff, was los war,
schüttelte sie ungläubig den Kopf und fuhr sich durch ihre langen Haare.
„Er hat gar nicht bezahlt, oder?" Ein trauriges Lächeln lag auf ihren Lippen.
„Nein." Mehr sagte ich nicht.
Sie drehte sich von mir weg und lief ein paar Schritte auf und ab.
„Warum lügt er mich ständig an?" Sie sprach mit sich selbst.
Wenn ich dachte, sie wäre eben völlig aufgewühlt gewesen, dann war sie jetzt komplett niedergeschlagen. Ich kam nicht gegen an, Mitleid für sie zu empfinden.
„Jessica...", begann ich, wusste aber gar nicht, was ich zu ihr sagen sollte.
Sie hob ihren Kopf, woraufhin ich langsam auf sie zuging.
„Woher kennst du meinen Namen?" Ihre Stimme klang nicht aufgebracht, nur neugierig.
„Jessi", erklärte ich. „Es gibt nicht viel, wofür die Abkürzung stehen könnte."
Wieder entwich ihr ein tristes Lächeln. „Stimmt."
Sie schaute sich um und straffte ihre Schultern, so als hätte sie einen Entschluss gefasst.
„Es war eine schlechte Idee herzukommen."
Dann ging sie davon. Ich wusste nicht wohin sie wollte und auch wenn mir klar war, dass ich es bereuen würde, ging ich ihr nach und holte sie ein.
„Hör mal, es tut mir Leid, dir das sagen zu müssen, aber wir werden...", ich verbesserte mich, „Daxton wird nicht aufhören, bis er sein Geld hat." Ich rieb mir den Hinterkopf und wartete auf ihre Reaktion.
„Das habe ich verstanden. Josh hat das Geld, zumindest hat er mir das gesagt. Ich hab' keine Ahnung, wieso er es dir nicht gegeben hat." Frustriert stoß sie ihren Atem aus.
„Du bist nicht für ihn verantwortlich. Du solltest dich aus seinen Angelegen raushalten. Das hier ist nichts für dich, Blondie. Du begibst dich nur unnötig in Gefahr."
„Ich bin sehr wohl für ihn verantwortlich. Er ist mein kleiner Bruder und wir haben nur noch uns."
Ich war mir nicht ganz sicher, was sie damit meinte, ich schätze aber, dass die beiden, genau wie ich, einen Verlust erlitten hatten. Ich fragte nicht nach, weil es mich nichts anging. Eigentlich sollte es mich auch nicht interessieren, aber verdammt, das tat es.
Wir schlenderten die Straße entlang, entfernten uns immer weiter von Daxton's Bar. Nachdem wir eine Weile geschwiegen hatten, räusperte sie sich.
„Wirst du ihm wieder wehtun, Tyler?" Sie sah zu mir auf, suchte meinen Blick. „Wenn er nicht zahlt, meine ich. Dann tust du ihm wieder weh, oder?"
Ich schwieg, was Antwort genug für sie gewesen zu sein schien.
„Kannst du nachts überhaupt ruhig schlafen?", fragte sie mich spitz und blieb stehen.
Wer glaubte die Kleine zu sein, so über mich zu urteilen zu können?
„Es ist mein Job, Jessica", entgegnete ich ihr hart.
Sie schüttelte den Kopf. „Es muss noch eine andere Lösung geben. Rede mit deinem Boss."
Jetzt drehte sie wohl völlig durch.
„Nein."
„Wieso nicht?"
Sie verstand es nicht. Warum waren alle Frauen so verflucht schwer von Begriff?
„Daxton Dearing lässt nicht mit sich reden",versuchte ich ihr klar zu machen.
„Du kannst es wenigstens versuchen. Hast du denn niemanden, für den du alles geben würdest?"
Ihre Augen fingen an zu glänzen, genauso wie letztes Mal, als sie hier aufgetaucht war.
Ich führte einen inneren Kampf mit mir selbst. Was hatte dieses Mädchen bloß an sich, mich so leicht umstimmen zu können?
„Ich werde sehen, was sich machen lässt."
Sie starrte mich an, als hätte ich gerade japanischen mit ihr gesprochen. „Wirklich?"
Ich nicke.
„Danke, Tyler. Für alles." Verlegenheit lag in ihrem Blick. „Neulich, in diesem Club, als du mir geholfen hast. Ich hab mich dafür noch gar nicht bei dir bedankt."
Ich winkte ab und grinste. „Du hattest ja schließlich alles im Griff."
Ich hatte ihre Worte nicht vergessen, ich hatte ohnehin keine Begegnung mit ihr vergessen, wie sollte ich auch, bei dem Eindruck, den sie immer wieder aufs Neue hinterließ?
„Ich muss jetzt los." Sie deutete auf die Bushaltestelle, die nicht weit von uns entfernt lag.
Ich wurde wütend bei dem Gedanken, dass sie jedes Mal die weite Stecke alleine mit dem Bus fuhr.
„Ich fahr dich."
Kurze Zeit später standen wir wieder vorm Fort Hamilton's.
Obwohl es kühl war und Jessica nur einen dünnen Pullover trug, wies ich sie an, vor der Tür auf mich zu warten. Ich hatte keine Lust, dass sich die Anderen das Maul über etwas zerrissen, das sie sowieso nicht verstanden. Ich holte mir von drinnen schnell meine Sachen, Jacke, Schlüssel und was ich sonst noch brauchte. Bevor ich wieder nach draußen ging, suchte ich Hunter auf.
„Hunt, ich muss los. Kannst du für mich übernehmen?"
„Ich übernehme schon seit den letzten 20 Minuten für dich. Hast du das kleine, blonde Biest draußen gezähmt und willst jetzt noch ne' Nummer mit ihr schieben, oder was ist los?" amüsierte er sich.
„Die Kleine ist schon weg" log ich. „Ich erklär's dir ein anderes Mal. Wir sehen uns."

Als ich sie dort vorfand, wo ich sie zurückgelassen hatte, war ich erleichtert. Hier lungerten eine Menge dummer Arschlöcher rum, die sich hätten an sie ranmachen können, während ich sie alleine gelassen hatte.
Ich machte einen Schritt auf sie zu und hielt ihr meine Lederjacke hin. „Hier."
Sie nahm sie entgegen, sah mich jedoch fragend an.
„Wir haben keinen Sommer mehr, Blondie." Ich deutete auf ihr Outfit. „Außerdem wird es kalt werden auf meiner Maschine."
„Maschine?", piepste sie und ihre Augen weiteten sich, sodass ich mir ein Lachen verkneifen musste.
Da ich nicht wollte, dass Daxton sie zu Gesicht bekam, konnten wir unmöglich durch die Bar und dessen Hinterräume zur Garage gelangen, also gingen wir außen rum. Vor meiner Hübschen machten wir Halt.
„Oh nein, das kannst du vergessen. Mit so einem Höllenteil fahre ich nicht."
Ich fragte mich, ob das Wort "Höllenteil" eine Beleidigung gegen mein Baby gewesen sein sollte?
„Jetzt stell dich nicht so an." Schief grinsend reichte ich ihr meinen schwarzen Helm. „Aufsetzten."
Widerwillig griff sie danach und nuschelte etwas, das ich nicht verstand. Sie stülpte ihn sich über und fummelte am Verschluss herum.
„Lass mich das machen." Ich half ihr und verstellte die Größe, sodass der große Helm verhältnismäßig fest auf ihrem kleinen Kopf saß, danach klappte das Visier hoch.
Ihre blauen Augen strahlten mich so intensiv an, dass ich mir selbst befahl, weg zu sehen.
Nachdem wir saßen, startete ich den Motor, der daraufhin laut aufheulte. Ich gab ihr Anweisung, sich an mir festzuhalten. Zögerlich legte sie ihre Arme um meine Taille, was sich
erstaunlicherweise ziemlich gut anfühlte. Ich ignoriere das Gefühl und fuhr los.

Als die kleine Spritztour ein Ende fand, parke ich meine Ducati am Straßenrand vor ihrer Wohnung. Sie hatte mich zu einem Wohnblock navigiert, der nicht weit entfernt von dem, ihres Bruders lag. Sie stieg ab, nahm den Helm vom Kopf und zog meine Jacke wieder aus.
„Vielen Dank fürs Bringen." Zaghaft lächelte sie. „Gute Nacht."
Ich nickte ihr lediglich zu, dann drehte sich um und lief zur Treppe ihres Wohneingangs rüber. Doch sie hielt inne und blicke noch einmal in meine Richtung. Letztes Mal hatte sie mich an dieser Stelle beleidigt. Diesmal kam es anders.
„Tut mir leid, dass ich dich geschlagen habe, aber du hattest es nun mal verdient."
Hatte ich. Ich lachte trocken. „Gute Nacht, Jessica."
Ich wartete, bis sie im Gebäude verschwunden war, dann brauste ich davon.

Ich hatte keine Ahnung, was ich von diesem Abend halten sollte. Auch, wenn ich wusste, dass es falsch gewesen war, diese Gespräche mit Jessica zu führen, so hatte es sich nicht falsch angefühlt. Ich weiß nicht, was mich geritten hatte, als ich ihr zusagte, mit Daxton über ihren Bruder zu reden. Was ich jedoch ziemlich sicher wusste war, dass er erstens, nicht nachgeben und zweitens, nicht begeistern sein würde, dass ich ihn, um so etwas bat. Es stellte mich in ein Licht, dass mich wenig vertrauenswürdig und noch weniger loyal wirkten ließ.
Die gut 20 minütige Fahrt zu meinem Loft half nicht, das Chaos in meinem Kopf zu ordnen. Ich überlegte, den alten McCane auf einen Bourbon zu besuchen, sah aber bereits von der Straße aus, dass kein Licht mehr in der Wohnung neben meiner brannte.
Nachdem ich kalt geduscht, mir eine graue Jogginghose übergestreift und einen Flasche Bier aus dem Kühlschrank geholt hatte, setze ich mich auf einen der Hochstühle an meinen Küchentresen und klappte meinen Laptop auf. Ich begann mit der Recherche über Joshua Malone und dessen Leben, so wie es der Boss mir aufgetragen hatte. Immer wieder stolperte ich dabei über Jessica. Die Gedanken an sie waren penetrante Arschgeigen, ließen mich nicht in Ruhe, also tat ich das Einzige, das mir einfiel, um mich abzulenken.

Kurze Zeit später klingelte es an meiner Wohnungstür.
Ich öffnete sie und 2 Möpse starrten mir entgegen. Und ein Paar dunkle Augen.
„Hallo, mein Hübscher. Hast du mich vermisst?" Lasziv warf Mindy ihr Haar über ihre Schuler und kam rein.
Wir machten es uns auf dem Sofa bequem, sie nippte an ihrem Bier, ich war bereits bei der zweiten Flasche angekommen. Irgendwann setzte sie sich rittlings auf meinen Schoss und sah mir tief in die Augen.
„Hat die Blondine dich enttäuscht?" fragte sie und fuhr mit ihren Fingern durch mein braunes Haar.
Mindy war heute Abend nicht einmal in der Nähe der Bar gewesen. Irgendein Arschloch hatte es ihr also gesteckt.
„Hast du deshalb angerufen, hm? Willst du eine richtige Frau heute Nacht?"
Ich wollte nicht einen Gedanken mehr an die Vorkommnisse des Abends verschwenden, daher legte ich knurrend meine Hand um ihren dünnen Hals.
„Ich will dich einfach nur ficken."
Ein dreckiges Grinsen entwich ihren Lippen.
„Dann tu es", flüstere sie.

LONGING FOR CHANGEWo Geschichten leben. Entdecke jetzt