Kapitel 13 - Tyler

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Ich raste die Straße entlang, war auf meinem Weg zurück zur Bar. Ich kam von einem kurzen Abstecher ins Industriegebiet, von welchem Rodriguez erzählt hatte. Vor Ort hatte ich den Dodge unter die Lupe genommen, ein echtes Prachtstück. Hunter hatte mir bereits berichtet, wie gut Joshua sich gemacht hatte und dass dem nächstem Coup nichts im Wege stand. Ich hatte also tatsächlich ein gutes Gespür gehabt, als es darum ging, jemanden zu finden, der die Dinger für uns dreht. Ich fragte mich, ob Daxton ihn nach getaner Arbeit wirklich gehen lassen würde? Wenn die nächsten 3 Diebstähle genauso gut laufen würden und sein Kontaktmann im Ausland, an noch mehr Karren interessiert sein sollte, wäre es durchaus möglich, dass der Boss ihn sich warm hält. Keine Ahnung, ob es mir gefallen würde, Joshua's Visage öfter, als nötig zu sehen. Unweigerlich tauchte ein anderes Gesicht vor einem inneren Auge auf. Würde Joshua, nachdem er seinen Soll erfüllt hatte, gehen und nicht wieder kommen, würde das bedeuten, dass ich seine Schwester ebenfalls nicht wieder sehen würde. Mir sollte es recht sein. Ich würde sie so oder so nicht wieder sehen, da es keinen Grund mehr dafür gab. Ihr nächster Geburtstag war erst in einem Jahr und andere Gründe, sie zu treffen, hatte ich keine. Nicht ihre strahlenden Augen, nicht ihr süßes Lächeln, nicht ihre Wangen, die sich rötlich verfärbten, wenn ihr etwas unangenehm war, auch nicht ihr schöner Mund und die unglaublich vollen Lippen. Das alles waren keine Gründe. Das redete ich mir zumindest ein.

Ich fuhr meine Maschine in die Garage hinter der Bar, stieg ab, nahm meinem Helm vom Kopf und strich mir mit der Hand durchs Haar.
„Fickst du sie?"
Perplex drehte ich mich um und sah Hunter in der Tür stehen.
„Was hast du gerade gesagt?", erkundigte ich mich im drohenden Ton.
Er ging auf mich zu. „Ich habe ihre blonden Haare in meinem Wagen gefunden. Und jetzt frage ich dich, fickst du sie?"
Wut keimte in mir auf, genauso, wie in Hunter, denn er kam näher und schubste mich, so dass ich einen Schritt zurück treten musste.
„Hast du sie in meinem Wagen gefickt, Tyler?"
Ich holte aus und donnerte ihm meine Faust ins Gesicht. Jetzt war er es, der zurück taumelte. Blut tropfte aus seiner Nase. Im ersten Moment sah er mich erschrocken an, dann rasend vor Wut. Ich sah es kommen, konnte aber nicht mehr ausweichen und kassierte einen ebenso harten Schlag mitten ins Gesicht.
„Was ist los mit dir, Mann?", brüllte Hunter. „Bist du in die Kleine verschossen oder warum führst du dich auf, wie ein dummes Arschloch?"
Ich schnaubte und schüttelte den Kopf. „Hörst du dir eigentlich selber zu? So einen Bullshit hab ich schon lange nicht mehr gehört."
Wir starrten uns gegenseitig nieder. Hunter war der Erste, der den Blick abwandte. Er stieß lautstark den Atem aus und ging ein paar Schritte.
„Sie war in meinem Wagen."
„Sie hatte Geburtstag, Hunter. Dass ihr Bruder ein kleiner Hosenscheißer ist, der seine Schulden nicht zurückzahlen kann und deswegen Karren für uns stehlen muss, dafür kann sie nichts. Es wäre unfair gewesen, sie gestern allein zu lassen, also bin ich mir ihr Essen gegangen. Mehr nicht."
Hunter lachte verächtlich. „Du bist mit ihr Essen gegangen, natürlich. Und mir unterstellst du, ich würde Bullshit reden."
Knurrend packte ich ihn und stieß ihn gegen die Wand der Garage.
„Ich bin nicht in sie verknallt und ich ficke sie auch nicht. Es geht mir am Arsch vorbei, ob du mir das glaubst oder nicht, aber wenn du mich nur noch ein einziges Mal auf sie ansprichst, dann breche ich dir etwas, das schwöre ich dir."
Ich verpasste ihm noch einen Hieb in den Magen, mit dem er nicht gerechnet hatte.
„Und ich rate dir, mein Freund, lass dich nie wieder bei ihr im Bistro blicken."
Mein abwertender Blick glitt an ihm herunter, dann ließ ich ihn stehen. Ich fand es zum kotzen, mich mit ihm anzulegen, aber er hatte es nicht anders gewollt.

Am nächsten Morgen riss mich mein Wecker aus dem Schlaf. Ich stand direkt auf und schlurfte ins Bad, um zu pinkeln. Als ich danach ans Waschbecken trat und in den Spiegel, der darüber hing, sah, stöhnte ich. Hunter, dieser Wichser, hatte mir ein schönes Veilchen verpasst. Danke, Bruder.
Nach dem Duschen lief ich mit einem Handtuch um den Hüften durchs Loft und kramte gerade nach einer frischen Boxershorts, als mein Telefon klingelte.
„Ja?", meldete ich mich genervt.
„Guten Morgen Mr. Warren, Hanson hier. Ich warte bereits seit einer Viertelstunde auf Sie. Haben Sie unseren Termin vergessen?"
Sollte ich den Typen kennen?
„Sorry, wer ist dran? Geht's um den Cadillac? Ich bin ab Mittag in der Bar, dann können wir die Einzelheiten bequatschen."
„Hier spricht Ihr Bewährungshelfer, Mr. Warren!"
Oh Fuck.
„Scheiße, wir hatten einen Termin?" Ich fluchte.
Wieso wusste ich nichts davon?
„Ich gebe Ihnen 20 Minuten, um hier aufzutauchen. Lassen Sie mich nicht noch länger warten" ermahnte der Kerl mich und legte dann auf.
Eilig zog ich mich an und fuhr los. Für Frühstück blieb keine Zeit, nicht mal für einen Kaffee. Ich hasste diesen Tag jetzt schon.

Ich schaffte es gerade noch rechtzeitig, innerhalb der vorgegeben Zeit bei Hanson aufzutauchen. Ich klopfe an die Bürotür und öffnete sie dann, ohne eine Antwort abzuwarten. „Sorry, dass ich zu spät bin" entschuldigte ich mich und versuchte ein freundliches Gesicht zu machen.
Mr. Hanson starrte mich nur an.
Das Veilchen.
Das durfte nicht wahr sein. Das hatte ich total vergessen.
Er räusperte sich. „Schön, Sie zu sehen, Mr. Warren. Nehmen Sie doch Platz."
Ich ließ mich nieder.
Er sah mich an und deutete auf mein lädiertes Auge. „Gegen eine Tür gelaufen?"
Versuchte der Kerl gerade witzig zu sein? Ich wusste nicht, was ich sagen sollte, mir fehlte eindeutig meine tägliche Portion Koffein.
„Hören Sie, es ist anders, als Sie denken. Das war nur eine kleine Auseinandersetzung zwischen Freunden." Ich redete mich um Kopf und Kragen.
„Ach, ist das so? Worum ging es denn?" fragte er ernsthaft und stützt den Ellenbogen auf den Schreibtisch und die Hand unter sein Kinn.
„Wissen Sie, es ging um ein Mädchen."
Die Aussage klang nicht nur authentisch, sondern war auch noch wahr.
„Haben Sie  sie bekommen?"
Ich dachte über seine Worte nach und in mir tat sich etwas. „Noch nicht."

Nach unendlich langen Gesprächen und einer hitzigen Diskussion, hatte mich Hanson endlich entlassen. Er hatte mich zu einem Kurs zur Aggressionsbewältigung verdonnert. Das, oder er würde dem Gericht melden, was er gesehen hatte. Er war ein kleines Arschloch, aber man musste sagen, er war fair. Ich hatte mich nicht an die Vorschriften gehalten, selbst, wenn es hier nur um Hunter und mich gegangen war. Ich hätte schon wieder auf dem Weg in den Knast sein können, aber er gab mir eine Chance. Diesen beschissenen Kurs saß ich doch auf einer Arschbacke ab.

Nachdem ich noch in einem Diner gefrühstückt hatte, fuhr ich auf direktem Wege ins Hamilton's.
Ich ging mit Asher die neuen Bestellungen durch, als Hunter rein kam. Seine Visage sah nicht besser aus als meine. Asher blickte zwischen uns beiden hin und her.
„Gibt's was, dass ich wissen sollte?"
Hunter brummte darauf hin nur und ging weiter.
Ich winkte ab. „Ist nichts."
Es vergingen einige Stunden, wir prüften die Lagerbestände, arbeiteten neue Getränkekarten aus, besprachen Designs und überlegten, welche neuen Drinks wir mit reinnehmen könnten.
Gegen Nachmittag erschien Gage, der zum Boss wollte. Kurze Zeit später, wurde ich ebenfalls zur Besprechung gerufen. Ich nahm neben Hunter Platz, mit dem ich seit gestern kein einziges Wort gesprochen hatte. Der Boss musterte uns, sagte jedoch nichts.
Gage fing an, uns über den nächsten Eigentümer zu berichten.
„River Johnson, 35 Jahre alt, wohnhaft in Queens. Der Typ hat eine riesige Hütte dort drüben und sein Sicherheitssystem ist nicht von schlechten Eltern. Er geht jeden Tag eine Runde von 45-60 Minuten mit seinem Hund spazieren, immer gegen 15:30 p.m. Wir haben also ein Zeitfenster."
„Dass er täglich eine gute Stunde außer Haus ist, ist schön und gut. Aber wie kommen wir rein?" wollte Daxton wissen.
Gage fing an zu grinsen. „Es kommt mehrmals die Woche eine Reinigungskraft."
Wir sahen uns alle fragend an. Ja und? Gage legte ein Foto von ihr auf den Tisch. Eine junge, ausländische Schönheit. Jetzt grinsten wir alle.
„Hunter, finde sie!", wies ich ihn an.
„Wird erledigt."

Am Abend herrschte Hochbetrieb und wir hatten alle Hände voll zu tun. Erst gegen Mitternacht kehrte Ruhe ein und ich bemerkte, dass Mindy an einem der Tische saß. Sie trank Cocktails mit einer Freundin und schien sich zu amüsieren. Sie musste meine Blicke auf ihr spüren, denn sie drehte ihren Kopf in meine Richtung, stand dann auf und kam zu mir rüber.
„Hey, Hübscher." Sie gab mir einen feuchten Kuss auf dem Mund. „Was ist mit deinem Auge passiert? Muss ich jemanden verhauen?", raunte sie mir zu.
Genau in diesem Augenblick kam Hunter hinter der Theke vor und Mindy erkannte das Problem.
„Jungs, ernsthaft? Was ist los?"
Ich schaute zu Hunter. Er verlor kein Wort über die Sache, was ich ihm hoch anrechnen musste. Ich schwieg ebenfalls.
„Asher, kommst du die letzte Stunde ohne Tyler und Hunter aus?", fragte Mindy meinen Kollegen mit klimpernden Wimpern.
„Klar, nimm' die beiden Streithähne mit."
Sie grinste. Wir setzten uns mit an ihren Tisch und sie stellte uns ihre Freundin, Avery, vor. Dunkle Augen, lockige, braune Haare, volle Lippen und ein Vorbau, der einen, alleine vom Hinsehen, hart werden ließ. Die Mädels orderten die letzte Runde, luden Hunter und mich auf einen Whiskey ein. Als die Getränke kamen, kicherten die Beiden und Mindy säuselte:
„Also Jungs, es passiert jetzt folgendes: Ihr schweigt euch weiter an, trinkt euren Drink aus und geht allein nach Hause oder ihr stoßt an, vertragt euch wieder und dürft uns die ganze Nacht lang ficken."
Hunter und ich tauschten Blicke aus. Dann stießen wir an

LONGING FOR CHANGEWo Geschichten leben. Entdecke jetzt