Schach

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Jenny PoV

Den Teller mit dem Essen stelle ich auf einen klobigen aus edlem Holz gefertigten Schreibtisch, weil so langsam wird es richtig schwer mit der großen silbernen Warmhalteglocke. Manuel starrt immer noch fast regungslos auf die kleinen Figürchen vor sich und ohne sich zu mir umzusehen, sagt er "Nimm das Essen wieder mit. Ich habe keinen Hunger." Seine Stimme klingt kalt und abweisend. Unschlüssig stehe ich da und schaue ihn an. Seine sowieso schon sehr helle Haut ist noch blasser und unter seinen Augen meine ich, dunkle Schatten zu erkennen. Er sieht richtig müde und geschafft aus. Leise sage ich jetzt "Du solltest aber wirklich etwas essen." Bei dem Klang meiner Stimme fährt er herum und starrt mich überrascht an. Als er sich anscheinend vergewissert hat, dass ich es tatsächlich bin, springt er auf und fällt mir überschwänglich um den Hals, so dass ich richtig Probleme habe mein Gleichgeweicht zu halten. Leise murmelt er dicht an meinem Ohr "Du bist da. Was machst du hier?" Sofort reagiert mein Körper auf seine Stimme und seine Nähe mit einer heftigen Hitzewelle. Und ich antworte ihm immer noch überrumpelt "Ich bringe dir Essen?" Er löst sich von mir und sein wundervolles Lächeln ist wieder da. Mir fällt auf, dass er auch ziemlich abgenommen hat, seit ich ihn das letzte Mal gesehen habe und füge hinzu "Du siehst aus, als könntest du dringend was zu Essen gebrauchen." Er senkt seinen Blick und nickt verlegen "Du hast wahrscheinlich Recht." Ich gehe zum Schreibtisch, auf dem ich das Essen abgestellt habe und hebe die Warmhalteglocke an. Es sieht fantastisch aus. Gebratene Hühnchen, Möhren und Kartoffeln verbreiten sofort einen verführerischen Duft im Raum. Manuel hat einen weiteren Stuhl geholt und stellt ihn neben den anderen. Fragend sieht er mich an "Magst du mitessen? Das ist viel zu viel. Davon werden bestimmt drei Personen satt." Ich setze mich zu ihm und grinse ihn an "Naja, oder ein Patrick." Er lacht und endlich ist es fast wieder so zwischen uns, wie an dem Tag bei Pats Eltern in der Küche. Ich bin wirklich erleichtert, dass er sich anscheinend wirklich freut mich zu sehen. Trotzdem habe ich das Gefühl, dass irgendetwas nicht stimmt. Aber ich bin mir unsicher, ob ich ihn darauf ansprechen soll oder nicht. Ich entscheide mich abzuwarten. Vielleicht erzählt er mir nach dem Essen ja von selbst, warum er sich nicht blicken lassen hat. 

Schweigend machen wir uns über die leckeren Sachen her und schon bald haben wir den meisten Teil dieser mächtigen Portion aufgegessen. Voll gegessen lehne ich mich etwas auf dem Stuhl zurück und seufze zufrieden "Und was machen wir jetzt." Mein Blick fällt dabei auf diese schwarzen und weißen Figuren "Was hast du denn eigentlich da gemacht?" Manuel zieht erstaunt eine Augenbraue hoch und fragt etwas belustigt "Du kennst kein Schachspiel?" Ich schüttele meinen Kopf, woraufhin er meine Hand nimmt und mich mit zu diesem eigenartigen Tablett zieht. Dann holt er noch die Stühle und platziert sie so, dass sie sich gegenüber stehen. Eifrig sagt er "Ich bring es dir bei. Es wird dir bestimmt gefallen." Von seiner Begeisterung lasse ich mich anstecken und verfolge gespannt seinen Erklärungen der einzelnen Figuren und was sie für einen Zweck haben. Meine ersten Versuche scheitern kläglich, aber Manuel lacht mich nicht aus, sondern zeigt mir geduldig immer neue und trickreiche Züge. Er hat Recht. Das Spiel fasziniert mich und so merken wir erst wie die Zeit vergeht, als es bereits draußen anfängt zu dämmern. "Oh. Ich muss gehen. Magret macht sich sonst Sorgen um mich." sage ich betrübt. Am liebsten wäre ich noch viel länger hier geblieben. Vor allem, weil ich durch das Spiel total verdrängt habe, Manuel zu fragen, warum er sich nicht bei mir gemeldet hatte. Aber er kommt jetzt mit mir zur Tür und sagt "Ich bringe dich noch ein Stück. Nicht, dass die Wachen dich nachher noch einsperren, weil du hier eingebrochen bist." Ich sehe ihn erschrocken an, aber bemerke sein breites Grinsen. "Toll, wäre es dann jetzt nicht ein wenig zu spät? Ich hätte dich schon lange entführen können. Die machen auch keinen besonders guten Job." "Heeyy!" höre ich jetzt hinter mir eine, mir sehr bekannte Stimme. Ich drehe mich um und sehe Pat vor mir "Du kannst doch nicht sagen, dass ich nicht auf meinen Prinzen aufpasse." Auch er grinst mich treuherzig an. Zusammen gehen wir durch verschiedene Gänge und kleinere Räume. Wenn die beiden Männer mich jetzt hier allein lassen würden, käme ich vermutlich nie wieder hier heraus.

Eine kleine unscheinbare Tür führt uns ins Freie und ich erkenne, dass wir direkt an der inneren Stadtmauer heraus gekommen sind. Manuel hält mich fest und gibt Pat ein Zeichen, dass er schon vorgehen soll. Als er ein paar Schritte weg ist, sagt der Prinz leise zu mir "Danke, dass du da warst. Und es tut mir wirklich leid, dass ich mein Versprechen nicht gehalten habe. Morgen komme ich bei dir vorbei und diesmal schwöre ich, dass ich mich daran halte." Er gibt mir einen flüchtigen Kuss auf meine Stirn und verschwindet schneller, als ich ihn nach den Gründen fragen kann. Verwirrt von dem erneuten Kuss, auch wenn er nicht so intensiv wie der Letzte war, laufe ich hinter Pat her und schließe zu ihm auf. Wenn jemand etwas über Manuel weiß, dann er. Aber ich denke nicht, dass ich etwas aus ihm heraus bekomme. Trotzdem versuche ich mein Glück "Pat? Was ist mit Manuel los? Er scheint tagelang nichts gegessen zu haben und sieht erschöpft aus." Pat sieht mich von der Seite an. Er lässt seinen Kopf hängen und seine Augen scheinen traurig, so fern ich das im fahlen Licht des aufgehendes Mondes erkennen kann. Das macht mir ehrlich gesagt Angst und ich dränge ihn jetzt weiter "Jetzt sag doch was. Ist er krank? Oder was fehlt ihm?" Pat bleibt stehen und sieht mich sehr ernst an, was ich bei ihm so noch nie gesehen habe. "Ich kann es dir nicht sagen Jenny. So gerne ich würde. Das verstehst du sicher. Aber..." Er macht eine Pause und holt tief Luft. Erwartungsvoll sehe ich ihn an und als es mir zu lange dauert, wiederhole ich "Aber...?" Er beißt sich auf die Lippe und murmelt "Aber ich weiß, dass das Einzige, was ihm fehlt...Du bist. Gut, dass du bei ihm warst. Ich habe mir wirklich schreckliche Sorgen um ihn gemacht.... Aber wehe du sagst, dass du das von mir weißt." Bittend sieht er mich jetzt an und ich nicke, noch verwirrter als gerade noch. Zwar machen mich die Worte von Pat glücklich, dass ich Manuel gefehlt habe. Aber ganz zufrieden bin ich nicht, dass er mir nichts weiter sagen kann. Vielleicht erzählt mir der Prinz ja morgen selbst, was los war. Wenn er dieses Mal wirklich sein Versprechen hält...

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Soooorrryyy :* Es hat länger gedauert, als ich gedacht habe. Aber dieses Kapitel habe ich jetzt vier Mal neu geschrieben, weil ich nicht zufrieden war. Dieses große Geheimnis kostet mich echt nerven ^^ Ich hoffe, dass es jetzt etwas schneller vorwärts geht :)

Der Prinz und das Bauernmädchen | GLP | FreedomsquadWhere stories live. Discover now