Zu viele Tränen

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Ricky ist bei Manu drüben und Mirco ist noch nicht zurück. Ich entscheide mich schlafen zu legen, also ziehe ich das Kleid, was eigentlich an all dem Schuld ist, aus und tausche es gegen ein knielanges Collageshirt, welches ich als Pyjama missbrauche. Barfus und auf Zehenspitzen gehe ich in das Badezimmer. Ich fühle mich schwer und so schlecht, als hätte ich ein schlechtes Gewissen. Während ich meine Zahnbürste aus dem Waschbeutel suche, denke ich über den Fremden im Bus nach. Warum war ich nicht klüger, warum habe ich ihn nicht nach seiner Nummer gefragt. Mit zitternden Händen streiche ich Zahnpasta auf die Zahnbürste und schaue mich, während ich mir die Zähne putze, im Spiegel an. 

Das Plaster, welches meine frisch geklebte Wunde schützt, tut weh. Nicht körperlich, denn auser ein Pochen fühle ich an meiner Wunde rein gar nichts. Aber es erinnert mich wieder an die Hand welche meine gehalten hat. Ich möchte das alles so gerne noch einmal erleben und ich wünschte ich könnte diesen geheimnissvollen Jungen mit den dunkeln, flackernden Augen kennelernen. Ich spucke die Zahnpasta ins Waschbecken und spüle meinen Mund sowie meine Zahnbürste mit eiskaltem Wasser aus. Dann wasche ich mir mit dem selben kalten Wasser das Gesicht ab. Als ich mich nochmal im Spiegel betrachte, sehe ich wie die Tropfen von einigen Haarstränen tropfen, wie bei seinen Haaren. Wie damals im Bus. 

Schnell binde ich mir die Haare zu einem Knoten und trockne mir vorsichtig das Gesicht ab. Dann schleiche ich ins Bett, ich will jetzt einfach alleine sein und weinen. Die schwere Bettdecke liegt auf meinem sich zerbrechlich anfühlenden Körper und mein Kopf versinkt in dem überdimensionalen Kissen, während ich versuche die Gedanken von dem fremden abzulenken und an etwas anderes zu denken. Dann kommen mir die Tränen, all diese aufgestauten Tränen, welche ich zurückgehalten habe. Traurig drehe ich mich auf die Seite und ziehe meine Beine an den Körper heran, ich fühle mich ungeschützt und alleine. Ich will doch nur diese eine Musik, diesen einen Song von dem Jungen noch ein Mal hören. Seine Hand noch einmal halten und seine fürsorglichen Berührungen noch einmal spüren. 

Plötzlich stelle ich mir vor, wie er hinter mir liegt und mir über den Rücken streicht. Diese Vorstellung ist so real, so schön, dass meine Tränen versiegen. "Ich werde ihn nie wieder sehen", sagt eine kleine Stimme in mir und sofort beginne ich wieder lautlos und versteckt zu weinen, niemand sollte sehen wie sehr ich diesen Fremden vermisse, was eigentlich null Sinn macht...

The highlight of my lowlifeWhere stories live. Discover now