Wie betäubt

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Ich sitze auf einer kalten, unbequemen Metallbank. Ich fühle meine Zehen kaum noch und meine Lippen sind so spröde, dass ich sie wohl abpeelen könnte. Meine Augen sind auf die angkommenden Busse gerichtet, starr und unermüdlich. Die Menschen beobachten ist meine einzige Beschäftigung, welche ich seit etwa zwei Stunden habe. Während sich mein Kopf tausende Wiedersehensszenen ausmalt, sitze ich da und warte. Und hoffe. Wie betäubt. Einfach da. 

Eine kleine ältere Frau setzt sich neben mich und während ich mir die roten, kalten Finger knete, fragt sie mich: "Du bist schon lange hier, was machst du, hat er dich versetzt?" Ich lache lieb auf und schaue ihr in die hellblauen Augen, sie ist mir sofort sympatisch. "Naja", ich beisse mir auf die Lippe und wiege mit dem Kopf hin und her. "Ich kenne ihn nicht mal", gebe ich leise zu und jetzt lächelt die Dame und sie ist klug, denn sie versteht sofort: "Und du hoffst, dass du ihn heute treffen wirst?" Ich nicke langsam und lächle verlegen, eigentlich ist es wirklich ziemlich dumm. "Ich wünsche dir alles gute und kämpfe dafür, denn vergessen ist nicht einfach, das sage ich dir." Die Frau steht auf und winkt mir zärtlich zu. "Vielen Dank, glauben Sie mir, ich werde es versuchen." Sie lächelt und ihre Augen strahlen mich an. Dann ist sie in einem der Busse verschwunden und sofort taucht wieder das Bild von diesem Jungen in meinem Kopf auf. 

Leute steigen ein und aus. Jede Person wird abgescannt, dabei hätte ich keinen Plan was ich tun würde, wenn er wirklich aussteigen würde. Eine Stimme in mir sagt mir, dass dies eh nie der Fall sein würde, doch diese Stimme verdränge ich erfolgreich. Mein Handy vibriert und ich versuche mit meinen durchgefrohrenen Finger den Anruf von Ricky anzunehmen. Dann stecke ich mir noch den zweiten Kopfhörer ins Ohr um sie bei diesem Lärm besser hören zu können.. Mit einem fröhlichen: "Hei, lebst du noch", begrüsst sie mich und ich nicke stumm. "In fünf Minuten bin ich bei dir, hällst du das noch aus?" Wieder nicke ich und verdrehe ab meiner eigenen Unfähigkeit Telefonate zu führen die Augen. "Klar, danke dass du kommst." "Gerne", antwortet sie nur und nur eine Sekunde dannach ist das Telefonat unterbrochen. 

The highlight of my lowlifeWhere stories live. Discover now