Kapitel 1

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Nichts. Einfach nur nichts. Soweit das Auge reichte nur weite Ebenen, mit schmutzigen, roten Staub. Vor ihm die dreckige Straße mit den zahlreichen Schlaglöchern.
Der Fahrer hatte ihn hier einfach mit seiner Reisetasche, seinem Rucksack und den beiden Koffern stehen lassen.
,,Amerika. Das ist doch toll, haben sie gesagt, das ist die Chance deines Lebens. Ja, definitiv. Bis hier jemand kommt bin ich zu Tode geschwitzt. Oder verhungert. Oder beides."
Die Stimme des Jungen klang mürrisch.
Genervt sah er auf sein Handy. Er stand sich hier schon seit einer halben Stunde die Beine in den Bauch.

Der große Truck, oder war es ein Pick-up?, kam schnaufend und röchelnd vor Manu zum stehen. Staub wirbelte auf und bedeckte das Gepäck des Jungen. Ein großer, braungebrannter Mann sprang aus dem Truck und kam vor ihm zu stehen.
,,Manuel?" Die Stimme des Mannes klang unsicher.
,,Frank?" Die Stimme des Jungen zitterte leicht. Es war mittlerweile kühl geworden und der Wind wehte in rauen Böhen. Der Junge fröstelte. Wortlos schnappte der Mann, Frank, sich Manuels Koffer und wuchtete sie auf die Ladefläche. Seine Reisetasche folgte.
Frank sprang wieder in das Führerhaus. Keuchend krabbelte Manuel auf den Beifahrersitz und noch bevor er angeschnallt war ging die Fahrt auch schon los.

,,Was hat sie dir über mich erzählt?" Franks Stimme war leise.
,,Nicht viel. Nur das du abgehauen bist, als sie dir erzählt hat, dass sie schwanger ist, du Frank heißt und in Amerika wohnst" Mürrisch verschränkte Manuel seine Arme vor der Brust. Der Himmel war bewölkt und es sah nach Gewitter aus.
,,Das heißt, du kennst die Wahrheit gar nicht?" Entsetzt. Das beschrieb Frank grade wohl am besten.
,,Doch. Sie hat es mir aufgeschrieben. Schon traurig, oder?" Manuel wurde bei dem Gedanken an seine Mutter sofort wieder traurig.
,,Mmh"
Der Truck fuhr durch ein Schlagloch und Manuel hatte das dringende Bedürfnis, sich zu übergeben. Ihm war übel. Und er war mies drauf. Dennoch probierte er mit dem fremden ein Gespräch an zu fangen.
,,Sieht nach Gewitter aus."
,,Das zieht vorbei."
,,Ist es noch weit?"
,,Ja."
Windböen peitschten gegen den alten Truck. Manuel verschränkte beleidigt die Arme und drehte sich zum Fenster. Rechts von ihm ragten hohe Felsen aus dem Boden.

Schwungvoll sprang Frank aus dem Auto. Erschöpft und mit wackeligen Beinen  kroch Manuel ebenfalls aus dem Auto. Überrascht sah er in den Himmel. Er war wolkenlos und klar. Vor ihm ragte das riesige Haupthaus der Ranch auf. Beeindruckt drehte Manuel sich im Kreis.
,,Manuel?" Unsicherheit lag in Franks Stimme.
,,Ich habe Patrick und Johnny gebeten, ein bisschen nach dir zu gucken. Also, wenn du fragen hast, wende dich ruhig an die beiden. Ach ja, bevor ich es vergesse, kannst du mir einen kleinen Gefallen tun?"
Argwöhnisch zog Manuel seine Augenbrauen hoch.
,,Was denn?"
,,Kannst du dich vielleicht ein bisschen um Patrick kümmern?"
,,Wer ist dieser Patrick?"
,,Der Sohn meiner Exfrau."
,,Wieso ex?"
,,Sie ist gestorben. Sie wurde von einem Fels erschlagen." Franks Stimme war rau und er schluckte schwer.
,,Oh"
,,Also, würdest du es machen?"
,,Inwiefern kümmern?" In Manuels Kopf reifte ein Bild von einem gelähmten, 8 Jährigen Jungen heran.
,,Nur ein bisschen Zeit mit ihm verbringen. Und vielleicht ein bisschen auf passen, dass er keine Scheisse macht. Die Cowboys sind mit ihm ein bisschen überfordert, aber vielleicht verstehst du ihn ja." Frank klang hoffnungsvoll.
,,Ich gucke ihn mir mal an." Manuel war nicht sonderlich begeistert. Patrick schien das typische Problemkind zu sein.
,,Bitte lass dich erst ein bisschen auf ihn ein. Er ist fremden gegenüber meist ein bisschen abgeneigt."

,,Johnny, wo bist du?" Frank klang genervt.
,,Hier"
Ein Junger Mann, vielleicht Mitte 20 stand am oberen Ende der Treppe, schwang sich auf das Geländer und rutschte hinab. Keinen halben Meter von Manuel entfernt kam er auf und streckte ihm die Hand entgegen.
,,Hallo, du musst Manuel sein. Ich bin Johnny." Das breite lächeln des Cowboys war ansteckend. Lächelnd schüttelte Manuel ihm die Hand.
,,Manu."
Johnny nickte und wand sich Manus Vater zu. Mit einer Hand fuhr er sich durch die wilden, Kastanienbraunen Haare.
,,Ich bring ihn in sein Zimmer."
,,Wo ist Patrick?" Frank klang leicht sauer.
,,Keine Ahnung. Er wollte mit den Cowboys raus."
Frank zog die Augenbrauen zusammen.
,,Wohin?" Seine Stimme war gefährlich leise.
,,In die Berge. Hank hat da gestern Puma Spuren gefunden. Sie sind heute nach dem Frühstück weg." Johnny duckte sich weg.
,,UND DA HABT IHR IHN MIT GEHEN LASSEN?! NACH ALLEM, WAS PASSIERT IST?"
Instinktiv duckte Manuel sich ebenfalls weg.
,,Gut. Zeig Manuel das Haus und bring ihn auf sein Zimmer. Und sag Patrick, er soll, wenn er wieder kommt sich auf was gefasst machen!" Frank gab sich große Mühe, nicht aus zu rasten.

,,Du kannst dich noch ein bisschen ausruhen, oder deinen Kram auspacken. Ach so, ich rate dir, erst mal, bis zum Essen hier zu bleiben. Wenn der Boss sauer ist, solltest du dich erstmal von ihm ferngehalten. Wenn die Glocke klingelt gibt's essen, ich hol dich dann."
Mit diesen Worten verschwand Johnny und lies Manu alleine zurück.

Hallo. Die Komische ist wieder am Start.
Was haltet ihr von Patrick?

Das Leben ist kein Ponyhof ~ KürbistumorWhere stories live. Discover now