Kapitel 22 (Teil 1), Erinnerung

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"Aber bitte...", sie schaute ins Kerzenlicht, "unterbrich mich nicht, Alton." Er nickte.

Ich erinnere mich nicht an viel aus meiner Kindheit. Es fängt an irgendwo im Heim. An meine Eltern erinnere ich mich nicht. Allgemein habe ich viele Erinnerungslücken wenn ich so auf mein Leben zurückblicke. Ich war körperlich und mental die schwächste, deshalb sagten die meisten Erzieher ich würde nur schwer adoptiert werden können. Und eines Tages kam ein Mann ins Heim. Er warf einen einzigen Blick auf mich und wollte sich gar keine anderen Kinder mehr ansehen. Er kam auf mich zu, umarmte mich, und fragte mich wie lange ich da war. Ich schwieg weil ich es nicht wusste, ich wollte etwas sagen weil ich angst hatte dass er mich genau wie all die Anderen Menschen die herkamen einfach allein lassen und vergessen würde. Aber er sagte ich soll keine Angst haben. Und am nächsten Tag holte er mich ab nach Hause. Ich dachte alles würde gut werden. Ich liebte Papa, wirklich wirklich sehr, und er mich auch. Meiner neuen Mutter gefiel das nicht. Ich verstand es damals nicht, aber sie konnte keine Kinder haben und hasste den Gedanken mich als Ersatz dafür zu haben. Aber ich wollte kein Ersatz sein, ich wollte nur Familie. Mein Papa kümmerte sich immer um mich. Ich war oft krank, und der ständige Stress mit meiner Mutter machte es nicht besser. 

Jahr für Jahr lernte ich meinen Schmerz auszublenden, aber damit schloss ich auch andere Gefühle aus. Wenn Papa nicht da war bekam ich oft Schläge zu spüren. Und als der Mann der mein Leben aufrecht erhielt mit Leukämie diagnostiziert wurde brach meine innere Welt zum ersten mal schlagartig zusammen. Über zwei Jahre sah ich ihn Tag für Tag langsam sterben. Es war schrecklich. Bei seiner Beerdigung war meine Mutter nicht einmal anwesend. An dem Tag habe ich mir selbst versprochen Stark zu sein was auch immer passieren sollte. Ich befiel mir selbst mich um meine Mutter zu kümmern. Sie ist meine Familie gewesen, wenn auch nicht die beste. Kurze zeit später zogen wir um in diese kleine Stadt. Meine Mutter bekam eine Stelle in der Waschmaschinenherstellung, und begann zu trinken. Zu dem Moment war ich vierzehn. Viel Geld hatten wir nicht, deshalb limitierte ich meinen Kleiderschrank auf übergroße Männerkleidung aus dem Second-Hand-Laden, die ist am billigsten. Für die Schule hatte ich kaum bis gar keine Kraft, und gleich zu Anfang des Schuljahres wurde bei mir eine Herzschwäche festgestellt, weshalb ich nie beim Sport mitmachen konnte. Schnell haben Leute angefangen falsche Schlüsse daraus zu ziehen, aber ich wusste einfach nicht wie ich mich dagegen wehren sollte. Also habe ich mich einfach komplett davon zurückgezogen. Es fühlte sich an als würde ich nur sinken und sinken. Immer tiefer ins nichts. Manchmal war es lustig zu hören was sie für Theorien über mich aufstellten. Aber zum größten Teil war ich einfach so schrecklich enttäuscht davon wie Menschen sind, wie grausam das ist was sie tun. Ich wollte nicht dass sie mich sehen oder hören. Mein Herz ist an dieser Kälte in der sie alle leben völlig gebrochen... 

Ich fand Rettung in Beschäftigungen. Ich lernte viel, spielte Geige, malte, schrieb ein Tagebuch und beobachtete die Sterne. Im Wald fand ich eine zurückgelassene Hütte und baute sie so gut wie ich konnte auf. da fühlte ich mich sicher. In Gedenken an meinen Papa half ich Menschen. Eine schwangere Frau in unserer Nachbarschaft, eine ältere Dame... sie waren einsam und ich konnte sie nicht allein lassen weil ich wusste wie sich das anfühlt. Es gibt Dinge die man nicht ganz erklären kann und eines davon ist meine Beziehung zum Himmel. Ich fühlte mich schon immer da hingezogen, die Sterne... Ich fühlte mich frei. Ich dachte, so könnte ich tatsächlich leben. So war es okay, auch wenn mich viele hassten, so war es gut.

Dach dann kam der nächste Tsunami...

Im HimmelWhere stories live. Discover now