Kapitel 3, Wie immer (Teil 2)

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Nach der Schule ging White sofort zu Frau Maris. "Hallo Clara!", die Frau freute sich wirklich, sie wiederzusehen, "Mann oh Mann wie ich dich vermisst habe! Wie war's in der Schule?" Clara nahm die Kapuze ab und trat ins Haus ein. "Gut.", log sie. "Bist du dir sicher?", fragte die künftige Mutter. "Natürlich!", das Mädchen sah hoch und lächelte leicht. Sie konnte nicht zulassen, dass Frau Maris sich Sorgen machen musste. "Na dann! Lust auf Möhrenkuchen?", lachte die Frau und rieb Clara an der Schulter.  "Ja...", Whites Stimme wurde leiser am Ende des Wortes und verschwand dann ganz. Sie verbrachte noch etwas Zeit mit der Schwangeren, und ging dann nach Hause um ihre Hausaufgaben zu erledigen. Als sie sich verabschiedeten, wurde sie plötzlich fest von Frau Maris umarmt. "Ich weiß, dass die Welt nicht einfach ist, Clara.", sagte sie, "du bist immer so still traurig, und siehst aus als würdest du nicht von dir erzählen wollen, deshalb frage ich nicht nach. Aber bitte lass den Kopf nicht hängen. Und verstecke deine Gefühle nie. Niemals." die Frau lies los. Lächelte breit. Clara lächelte schwach zurück.

Zu Hause angekommen tat sie nichts besonderes: essen, lesen, Hausaufgaben, Violine. Später telefonierte sie noch etwas mit Frau Hermann. Nein, Clara konnte einfach nicht verstehen, wie man eine alte Frau so vernachlässigen kann. Das kann man doch nicht tun! Sie hat so viel durchgemacht, sie weiß dreimal so viel wie ihre Kinder und neunmal so viel wie ihre Enkel, und keiner von ihnen interessierte sich für Frau Hermann. Alles was sie taten war ihr ab und zu etwas Geld zuzuschicken. Die Alte war so ein Wunderbarer, verständnisvoller Mensch. So wie alte Leute nun mal sind, hatte sie auch viel zu erzählen. Erlebnisse, Märchen, Geschichten... Und Clara liebte Erzählungen. Immer wenn Frau Hermann erzählte, wurde alles Drumherum so still und leise, und Clara wurde ganz warm. Sie schloss ihre Augen und hörte der samtweichen Stimme der älteren Frau zu. Heute waren beide sehr traurig, da sie einander nicht in Wirklichkeit sehen konnten, Frau Hermann war nämlich auf Kur am schwarzen Meer. "Weißt du, als ich heute am Meer war, da habe ich die ganze Zeit an dich denken Müssen. Ich weiß ja, du magst Geschichten so sehr. Also habe ich dir mal eine für heute mitgebracht. Nun mein Schatz, hör zu...

Es gab da einmal, vor langer, langer Zeit einen Mann. Er war nicht besonders Reich. Dafür hatte er ein riesengroßes Herz. Aber die Leute in der Stadt, die verstanden das nicht. Die lachten ihn aus, wenn er seinen Besitz an die gab, die es nötig hatten, und wenn er Anderen half. Eines Tages, da hatte er nichts mehr übrig. Er hatte kein Haus mehr, kein Geld, kein Essen, und nicht mal mehr  Kleidung. Und da trieben ihn die Leute aus der Stadt. Der arme Mann lief in den Wald, weil es ihm peinlich war, dass er nackt gesehen werden musste. Im Walde, da traf er einen bösen, bösen Troll. Dieser Troll war ein Lügner, ein Verräter und Menschenfresser. Er sah sich den Mann an und machte ein ganz krankes Gesicht. 'Ach!', stöhnte er, 'wenn du nur wüsstest, lieber Mann, wie hungrig ich bin!' Der Mann antwortete: 'Sieh mich doch an, nichts habe ich, das ich dir geben könnte. Ich selbst habe seit einer Woche nichts im Munde gehabt.' darauf sagte der Troll: 'Na dann gib mir doch deine Beine! Wenn ich die esse, dann geht es mir bestimmt sofort besser!' -'aber wie soll ich dann noch gehen?'  fragte der arme Mann. 'Ach, das kannst du doch auch mit den Armen!' lachte der Troll. Und der Mann erlaubte ihm, seine Beine zu fressen. 'Mhhh wie lecker du schmeckst! Aber sieh mich nur an, wie groß ich bin! Das reicht mir doch nicht aus!' beschwerte sich der Troll. 'Gib mir doch noch deine Arme!' - 'Ach, das geht doch nicht! Wie soll ich dann Früchte pflücken und Wasser trinken?' fragte der Arme. 'Wusstest du denn nicht, das im Wald alle ohne Arme auskommen? Arme sind mittlerweile unnötig geworden!' log ihn der Troll an. Und der Mann gab ihn auch seine Arme. Danach seine Augen, seine Nase und seine Ohren. Der Mann stöhnte vor Schmerz. 'Nun weißt du... ich werde dich von deinen Schmerzen erlösen.' lachte der Troll. 'Ich werde dich einfach ganz auffressen!' - 'Aber nein! Nein!' schrie der Mann 'Ich darf nicht sterben! Noch nie in meinem Leben habe ich ein Geschenk bekommen, so darf ich nicht sterben!' -'gut,' sagte der Troll, 'ich werde deinen Körper fressen, und gebe dir dann ein Geschenk.' übrig blieben vom Mann nur das Herz, der Mund und der Kopf. Der Troll lachte und warf dem armen Mann einen Zettel zu auf dem Stand: Narr. Der Mann weinte und Lachte vor Glück. Das war das erste Geschenk, das er je erhalten hatte. Dann starb er. Doch es erschien ein Licht, so hell , dass es den Troll blendete. Er verbrannte im Licht der Wahrheit, des Glaubens, und der Liebe zu der ganzen Welt.

...so Kätzchen, das war mal ein trauriges Märchen heute, aber weißt du, jeder, der für Andere lebt und allen Leuten nur gutes wünscht, jeder dem seine Hilfe nicht zu Schade ist, der wird immer glücklich sein. Und die bösen, die werden von der Welt selbst bestraft. Immer."- "Danke, Frau Hermann.", es von Clara. Die Alte Frau konnte spüren, wie sie lächelte. "Ach, Schätzchen! Das tu ich doch immer gern. Du bist so eine gute Zuhörerin!", Frau Hermann lachte. "Wenn sie zurück sind, werde ich sie sofort besuchen, ich verspreche es. Sie wollten mir beibringen, wie man schwedischen Apfelkuchen backt. ", erklang Whites sanfte, leise Engelsstimme. "Natürlich!", sagte die Alte, "Und ich habe dir eine Postkarte abgeschickt, die müsste bald ankommen, und für ein Souvenir werde ich auch sorgen!"- "Das ist aber doch nicht nötig, Frau Hermann, sie müssen sich doch nicht die Mühe machen..."- "Also wirklich! Das tu ich doch gern, Kätzchen!"- "Danke, Frau Hermann, vielen Dank.", Clara schmunzelte ein wenig, während die Frau herzlich lachte. Sie beendeten das Gespräch und legten auf. Danach wiederholte das Mädchen den Lernstoff für den nächsten Tag und legte sich schlafen. Von ihrem Bett aus konnte man durchs Fenster schauen und die Sterne sehen. An dem Tag gab es einen kleinen Krater im Himmel, der nicht von Wolken bedeckt war, und darin leuchteten strahlende Sterne.

Ja, wenn Clara White irgendwo lebte, dann war es im Himmel.

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