Passage 39

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Ich kann gar nicht wirklich begreifen, was hier eben passiert ist

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Ich kann gar nicht wirklich begreifen, was hier eben passiert ist. Alles, was ich gerade gehört habe, schwebt hier im leeren Raum um mich herum. Dean ein Vergewaltiger?
Kann er so abscheulich sein, zu so etwas im Stande sein?
Und wie konnte ich mich in Alex so täuschen?
Er war so lieb, nett und verständnisvoll. Er war irgendwie immer da, wenn ich ihn gebraucht habe. Selbst als ich Streit mit Jessica hatte, hat er zu mir gestanden. Ich dachte er wäre ein Freund, habe ihm vertraut, und dann geht er soweit, mir Drogen in mein Glas zu werfen. Das ist krank.
Aber im Moment schmerzt mich fast noch mehr, wie abgrundtief verletzend Jessica sein kann. Ich fühle mich belogen und verraten. Diese Enttäuschung ist grenzenlos. Sie war immer wie eine Schwester, ich habe ihr alles erzählt und sie dreht sich skrupellos um und macht mich lächerlich.

Je länger ich darüber nachdenke, desto mehr wandelt sich meine Enttäuschung in Abscheu. Niemals hätte ich gedacht, dass irgendetwas unsere Freundschaft erschüttern könnte und nun ist sie zerstört. Wahrscheinlich ist sie das schon lange und hatte nur noch in meinem Kopf wirklich Bestand. Jessica scheint sie schließlich schon länger nicht mehr wichtig gewesen zu sein. Sie hat sich verändert.
Ich will am liebsten alles verdrängen, alles von mir wegschieben, aber das geht nicht. Alex und Dean dürfen nicht einfach so davonkommen.

Ich bin froh, als Hardin nach einer halben Stunde wieder bei mir ist. Wir sitzen auf der Couch, er hält mich in Arm, und obwohl wir beide seit er zurück ist nur sehr wenig gesprochen haben, fühle ich mich gleich etwas besser.
Wieder möchte er mich zur Vernunft bringen:

  „Tess, Schatz, ich weiß, dass das jetzt alles sehr viel für dich war und ich will dich jetzt nicht drängen, aber...“

  „Ja, ich weiß“, unterbreche ich Hardin mit gefasster Stimme, „Morgen früh gehen wir zur Polizei. Ich werde Alex und Dean anzeigen und dem Ganzen ein Ende bereiten.“

Ohne ein weiteres Wort, küsst mich Hardin mitfühlend auf die Schläfe und ich kann spüren, wie stolz er auf mich ist.
Es wird mit Sicherheit nicht leicht für mich eine Aussage zu machen aber es ist das einzig Richtige. Für mich selbst und das Mädchen aus dem Unique.

Ich zucke zusammen, als es an der Tür klingelt und bekomme es etwas mit der Angst zu tun.
Mein Herz klopft heftig, weil mein erster Gedanke Alex gilt. Was, wenn er hier auftaucht?
Ich bitte Hardin an die Tür zu gehen und bleibe nervös und verunsichert im Wohnzimmer zurück.

  „Es ist Jessica“, ruft er.

  „Ich will sie nicht sehen“, antworte ich kalt.

Als ich aufsehe, steht allerdings nicht, wie erwartet Hardin im Türrahmen, sondern Jessica.
Ich ringe um Luft bei ihrem Anblick. Ihre Haare sind zerzaust. Ihr linkes Auge komplett blau und zugeschwollen und ihr Wangenknochen färbt sich tief lila.

  „Oh mein Gott, was ist passiert?“, keuche ich erschrocken.

Sie antwortet nicht, selbst dann nicht, als ich zu ihr stürme und sie zur Couch führe.
Hardin bringt schon ein Paket Eiswürfel, das sie sich vorsichtig an die Wange hält.
Als ich in ihre verweinten, braunen Augen sehe, sehe ich plötzlich das Mädchen von damals vor mir sitzen.

  „Wer hat dich so zugerichtet?“, frage ich sie leise.

Bevor sie mir antwortet, starrt sie eine ganze Weile auf ihre aufgeschürften Hände. An einigen Stellen sind ihre Handflächen blutig.

  „Jessica, bitte rede mit mir. Wir können dir nur helfen, wenn du uns sagst, was passiert ist“, ich flehe schon fast.

Da redet sie.

  „Ich bin direkt zu Marlon, um ihn zur Rede zu stellen. Ich habe es nicht glauben wollen und wollte es von ihm selbst hören. Er wurde sofort aggressiv und als ich versuchte ihm klarzumachen, dass wir zur Polizei müssen, ist er komplett ausgerastet, hat mich an den Haaren gerissen und mich geschlagen.“

Sie zittert am ganzen Körper als sie mir erzählt was passiert ist.

  „So ein scheiß Arschloch!“, höre ich Hardin hinter mir fluchen.

  „Du brauchst einen Arzt“, sage ich aber Jessica schüttelt nur den Kopf.

Sie wirkt eingeschüchtert.

  „Ich dachte er liebt mich. Das tut er“, flüstert sie benommen.

  „Wir fahren dich jetzt ins Krankenhaus und danach gehen wir zur Polizei“, verkünde ich, diesmal bestimmter.

  „Weißt du, es ist schwer zu glauben, dass man jemanden liebt, der dich verletzt hat“, murmelt Jess, „Und vielleicht ist es noch schwerer zu verstehen, dass dich jemand, der dich so verletzt, trotzdem liebt.“

Dieser Albtraum soll endlich ein Ende nehmen. Ich will es hinter mich bringen, damit abschließen und versuchen es irgendwann zu vergessen.

Als wir in Hardins Wagen zum Krankenhaus fahren, werfe ich Jessica, die die ganze Zeit über wortlos aus dem Fenster schaut, durch den Rückspiegel einen Blick zu. Sie tut mir unwahrscheinlich leid aber ich spüre, dass es nie wieder wie früher sein wird. Ich sehe sie mit ganz anderen Augen und das wird sich nicht mehr ändern.

Kurz bevor wir das Krankenhaus erreichen, wird Jessica unruhig.
Dann höre ich sie sagen:

  „Ich werde gegen Marlon keine Anzeige erstatten…und ich werde auch nichts wegen Dean und Alex sagen.“

Die Atmosphäre im Auto ist schlagartig geladen. Ich sehe, wie Hardin das Lenkrad fester umklammert und auch mir fehlen einen Moment lang die Worte:

  „Du musst keine Angst haben, wenn…“

Jessica lässt mich diesen Satz erst gar nicht zu Ende bringen:

  „Nein. Ich kann das nicht. Bitte lasst mich einfach am Krankenhaus raus und dann tut was ihr nicht lassen könnt aber zieht mich da nicht noch mehr mit rein.“

Sprachlos schaue ich zur Windschutzscheibe hinaus auf die dunkle Straße, bis wir angekommen sind.
Jessica steigt aus dem Wagen ohne sich noch zu verabschieden und Hardin fährt schließlich weiter zur Polizeiwache.

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Shards of Desire Where stories live. Discover now