33. Kapitel

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Aus verheulten Augen starrte ich zu ihnen. Den Untergrundkämpfer aus meiner Gruppe, die mir vertraut hatten. Die Männer und Frauen, die mit bebenden und zitternden Körpern vor mir auf dem Boden lagen, während Stromschläge durch ihren Körper gejagt wurden. Ich beobachtete, wie ihre Körper langsam aufhörten sich zu bewegen. Wie sie ihren letzen Schrei ausstießen, bevor sie für immer verstummten. Wie sie ein letztes Mal Luft holten und dann für immer aufhörten zu atmen. Und es tat mir so leid, es tat mir im Inneren so weh. Denn ich war daran schuld. Ich ganz alleine.

Die nächsten Tage vergingen quälend langsam. Ich konnte nicht schlafen und mein schlechtes Gewissen und die Schmerzen über Ryans Verrat ließen mir keine Ruhe. Meine Augen waren angeschwollen vom vielen Weinen und es gab nichts, was mich aufheitern könnte. Nicht, dass es jemand versucht hätte.

Zu tun hatte ich nichts. Ich war ganz alleine mit mir selbst und es machte das ganze nicht besser. Ich fühlte mich schmutzig und die Bilder der sterbenden Untergrundkämpfer verschwanden nicht aus meinem Kopf. Man hatte sie leiden lassen. Das war unmenschlich. Und alle hatten sie zugeschaut. Begeistert.

Mein Magen knurrte. Ich hatte keinen Appetit, am liebsten wäre ich einfach nur eingeschlafen und nie wieder aufgewacht, doch mein Überlebenswille war zu stark. Immer noch, obwohl es nichts mehr gab für das es sich zu überleben lohnte. Dieser Wille war auch der Grund, warum ich das ekelhafte Essen, was sie mir reingeworfen hatte, vom dreckigen Boden gekratzt hatte und das Wasser, dass sie auf den Boden geschüttet hatten, aufgeleckt hatte. Wie ein Tier. Ein leidendes Tier.

Inzwischen wusste ich auch, dass ich nicht alleine in diesem Block war. Früh morgens führten die Wächter nämlich alle Gefangenen nach draußen, jeden Tag und erst viele Stunden später wurden sie wieder zurückgebracht. Das war meine Uhr, an der ich mich orientierte, denn nach der Hinrichtung hatte ich kein Tageslicht mehr zu Gesicht bekommen. Ich hatte mich an die Dunkelheit gewöhnt. Gezwungenermaßen, ich sah schließlich nichts anderes.

Meine Gedanken schweiften schon wieder zu Ryan ab. Ich wollte nicht an ihn denken. Es tat mir so weh. Es war, als hätte er mein Herz herausgerissenen und wäre darauf herumgetrampelt und es gab nichts, was mich von diesem Schmerz ablenkte.

Und wie er gelacht hatte. Verachtend und verspottend. Weil ich ihm geglaubt hatte, weil ich so naiv gewesen war. Wieso war ich nur so dumm? Ich könnte mich dafür selbst schlagen. Doch ich war nicht nur wütend auf mich, sondern auch auf Ryan und Arne. Es gab keine Beleidigung, die diesen Unmenschen gerecht werden würde. Monster, herzlose Monster. Ich hatte zwar nie jemanden umbringen wollen, doch hätte ich eine Waffe mit zwei Schuss gehabt, ich hätte gewusst welche Verräter es treffen würde.

In dem Moment hörte ich, wie eine Tür aufgerissen würde. "Schneller, schneller", brüllte ein Soldat. Verwirrt richtete ich mich auf und schwankte auf meinen geschwächten Beinen zu den Gitterstäben. Ich presste mein Gesicht dagegen und starrte neugierig auf den Gang.

Lärm ertönte, Schreie und Befehle. "Alle in die Zellen, sofort!", brüllte die Stimme, die ich dem Glatzkopf, den sie Aik nannten, zuordnete. Die anderen Gefangenen liefen an mir vorbei. Irritiert beobachtete ich das Ganze. Normalerweise schleiften sie sich langsam, gequält von der schweren Arbeit zurück in ihre Zellen, doch heute war es anders. Es war nicht nur viel früher, auch die Gesichter wirkten anders. Hoffnungsvoll.

"Sie kommen", hörte ich jemanden raunen. "Ein Hubschrauber." Aus großen Augen starrte ich nach draußen. Wer kam? Sofort dachte ich an die UK. Ryan hatte gesagt, sie würden mich suchen, doch er hatte gesagt, erst wenn ich verlegt worden war. Außerdem hatte die UK keine Hubschrauber.

DefeatedWhere stories live. Discover now