2. Kapitel

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"Aber ich komme wieder", korrigierte ich meine Aussage sofort. Mit diesen Worten drehte ich mich um und verließ das Haus.

Nervös schlich ich durch die menschenleeren Straßen, immer nah an den Trümmerhaufen. Ich rechnete damit, dass jede Minute eine Gruppe russischer Soldaten um die nächste Ecke bog und ihre Waffen auf mich abfeuerten, doch es blieb ruhig. Das einzige Geräusch war der Boden unter meinen Füßen, der bei jedem Schritt knirschte. Die frühere Straße bestand nur noch aus rissigem Teer, Geröll und hin und wieder tiefen Löchern. Die Ruinen und Trümmerhaufen am Straßenrand ergänzten dieses Bild perfekt. Kein Haus war verschont geblieben, bei manchen konnte man nicht einmal mehr erahnen, dass dort früher Menschen gelebt hatten.

Als ich Blicke auf mir spürte, hob ich den Kopf. Zwischen den Ruinen saßen zwei abgemagerte Menschen und sahen mich an. In ihren Gesichtern war nur Angst und Verzweiflung zu sehen, alle Hoffnung auf ein besseres Leben war verschwunden. Der alte Mann wand den Blick an undlegte seinen dürren Arm um die Frau, die mich immer noch unverhohlen anstarrte. Vorsichtig rüttelte er an ihr, bis sie ihren Blick löste und begann die Steine wieder beiseite zu räumen. Ich kniff die Lippen zusammen. Wie hatte es nur soweit kommen können?

Außer dem alten Ehepaar sah ich keine Menschenseele. Vermutlich versteckten sie sich oder waren noch gar nicht aus den Bergen zurückgekehrt. Ich war ja selbst erst vor wenigen Tagen aus der Zuflucht wieder hierher gekommen, da es jetzt, als der Bombenhagel aufgehört hatte und der Krieg verloren war, im Gebirge kein Stück sicherer war als hier. Etliche Suchtruppen der Russen waren bereits aufgebrochen, um alle Menschen wieder in die Städte zu treiben und es war besser selbst zu gehen, als von ihnen gefunden zu werden.

Das Brummen eines Motors riss mich aus den Gedanken. Ohne lange nachzudenken begann ich zu rennen ohne zu wissen wohin. Bloß weg von diesem Auto, was ohne Zweifel den Russen gehörte. Ich verließ die Straße, doch auch hier gab es kein gutes Versteck. Nur kleine Trümmerhaufen. Panisch ließ ich meinen Blick über die kahle Landschaft schweifen. Steine und kleine Haufen, soweit das Auge reichte, doch nichts war hoch genug, um mir Schutz zu bieten. Das Brummen wurde lauter, ich konnte sogar schon die Reifen auf den Trümmern knirschen hören, da erblickte ich sie. Eine vereinzelte Hauswand, die noch stand. Nur eine Ruine, doch als Versteck alle mal gut genug. Sofort begann ich zu loszulaufen. Die Steine begannen unter meinen Füßen zu rutschen und oftmals schwankte ich und konnte erst in letzter Sekunde mein Gleichgewicht wiederfinden. Rufe erhalten in der Ferne und ein roter Jeep bog auf den Weg ab. In letzter Sekunde rutschte ich hinter die steinerne Mauer und drückte mich dagegen. Mein rasselnder Atem war das einzige Geräusch, was ich von mir gab. Angespannt blieb ich sitzen und wartete ab.

Der Jeep fuhr ungehindert an meinem Versteck vorbei, niemand schien mich gesehen zu haben. Meine Hände zitterten wie Espenlaub und erst, nachdem das Auto schon lange nicht mehr zu sehen war, wagte ich mich wieder heraus. Mir war bewusst, wie knapp das gewesen war. Ich musste vorsichtiger werden.

Geduckt begann ich wieder zu laufen. Ich mied die Straße und klettertet stattdessen über die Steine. Es war mühsamer, doch auch sicherer und die Stadt war nicht mehr weit entfernt. Früher war ich hier oft entlang gelaufen, um mich im Stadtpark mit Freunden zu treffen, doch früher hatten hier auch prächtige Häuser mit blühenden Kirschbäumen im Vorgarten gestanden. Jetzt war es grau, eintönig und gefährlich.

In dem Moment musste ich an Timo denken. Ob er daran dachte die Überreste von Bob raus zu bringen? Ich hatte es selbst vergessen, doch wenn er es nicht tun sollte, würden sie das Haus durchsuchen. Keine Technik für euch, hatten die Russen gesagt und sie hielten sich daran. Was sie mit ihm anstellen würden, wenn er etwas falsches sagte? Unsicher blieb ich stehen. Wenn ich umdrehte, könnte ich ihn beschützen. Ich wäre rechtzeitig da, die Russen würden frühestens in einer Stunde aufkreuzen. Doch dann gäbe es keine Medikamente für Meredith. Ich war hin und her gerissen. Die Stadt war nicht mehr weit weg, wenn ich mich beeilte, konnte ich Medikamente holen und rechtzeitig zurück sein. Wenn alles gut lief. Ich warf noch einen letzten Blick zurück in die Richtung aus der ich gekommen war, dann rannte ich los.

DefeatedWhere stories live. Discover now