22. Kapitel

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Als ich mich endlich wieder von ihm löste, sah er mich ernst an. "Dir ist klar, dass das keine russischen Soldaten waren? Wir arbeiten hier schon lange nicht mehr mit Bomben. Das war jemand, der etwas gegen euch hatte." Ich nickte, denn ich wusste auch wer. Die UK hatte Stufe drei eingeleitet: Eliminierung.

Eine Weile saß ich schweigend neben Ryan und lehnte meinen Kopf gegen seine Schulter. Er hatte seinen Arm um mich gelegt und es fühlte sich einfach richtig an. Ich konnte gar nicht glauben, dass vor wenigen Minuten mein Haus in die Luft geflogen war. Es kam mir so unrealistisch vor, wie ein schlechter Traum.

Rosa hatte sich, nachdem sie sicher war, dass es Allen gut ging, wieder in Merediths Haus verzogen und Timo hatte die schlafende Rica auf dem Arm, während Nico mit Mr. Peachy in der Hand in meinem Schoß eingeschlafen war. "Lia?", hörte ich Ryan sagen. "Mhm?", murmelte ich leise und hob langsam den Kopf, um ihm in die Augen zu schauen. "Was macht ihr jetzt? Ich meine, wo werdet ihr wohnen?" Ich schluckte, denn ich wusste es schon. Ich würde ihnen von der UK erzählen und in den Untergrund gehen, denn ich wollte nicht riskieren, dass das nächste Haus explodierte, während wir drinnen waren. "Wir gehen wahrscheinlich zu einer Freundin, aber ich weiß nicht", schwindelte ich und bekam sofort ein schlechtes Gewissen. Er war für meinen kleinen Bruder in ein explodierendes Haus gelaufen und ich konnte ihm nicht einmal die Wahrheit sagen.

"Das klingt gut", meinte Ryan und ich nickte zaghaft. Für mich klang es zwar nicht wirklich gut dem nachzukommen, was Emanuel verlangte, aber ich hatte keine Alternative, wenn ich auch noch Jack finden wollte. Und wenn ich die benötigten Informationen hatte, würde ich mich rächen. Dafür, was sie mir und allen anderen angetan hatten.

"Ich muss gehen", stellte auf einmal Ryan fest und erhob sich. Traurig sah ich zu ihm hoch. "Schon?" Er nickte. "Nachtschicht, du weißt doch", murmelte er und schenkte mir ein trauriges Lächeln. Vorsichtig schob ich Nico von meinem Schoß auf den kalten Boden. "Danke nochmal", flüsterte ich ihm zu und umarmte ihn zum Abschied. "Du weißt, wo du mich findest, oder?", erkundigte er sich plötzlich und ich schüttelte den Kopf. "Wo?" Er grinste. "Dienstag, Mittwoch und Freitag nachts auf dem Römerplatz. Ansonsten auf der Suche nach dir." Ich begann zu lachen und winkte ihm hinterher, während er davonging. "Ciao", brüllte auch Timo und Rica begann wieder zu schreien, doch Nico wachte nicht auf.

Als Ryan weg war, begann Timo erneut mit Rica auf dem Arm herumzuwandern, damit sie sich beruhigte und ich setzte mich zu Nico und starrte in den Himmel, der sich langsam schwarz färbte. Keine Wolke bedeckte ihn, es war eine sternenklare Nacht. Ich seufzte. Wenn wir in den Untergrund gingen, würde ich all das nicht mehr sehen können, aber wenn ich hier oben blieb und starb, würde ich es auch nicht mehr sehen.

"Timo?", hörte ich plötzlich jemanden rufen und sah, wie meine Mutter die Straße hinunter lief. "Lia!" Ich stand auf und winkte sie zu mir hinüber. Zum Glück war sie schon da, ich musste mit ihr reden. "Wo ist unser Haus?", fragte meine Mutter entsetzt und starrte auf den Trümmerhaufen, dort, wo früher unser Haus gestanden hatte. Damit waren viele Erinnerungen verbunden, all die schönen Erlebnisse. Hier hatte ich Dad zum letzten Mal gesehen, hier war ich aufgewachsen. "Eine Bombe, es ist explodiert", erzählte Timo mit großen Augen.

Erschrocken schlug sich meine Mutter die Hand vor den Mund. "Aber es geht euch gut, oder?" Sofort nickte ich. Meine Mutter seufzte auf und ließ sich auf einen Stein sinken. "Die Russen sind Monster. So rücksichtslos und hinterhältig. Wir haben ihnen doch nie etwas getan", klagte sie. Ich kniff die Lippen zusammen. Die Russen waren nicht die einzigen Hinterhältigen und Rücksichtslosen. "Wo sollen wir denn jetzt nur hin?" Eine Träne kullerte über ihre Wange und ich schloss sie in meine Arme. Vor dem Krieg hatte ich meine Mutter nie weinen gesehen, aber solche Zeiten brachen selbst den stärksten Menschen.

DefeatedWhere stories live. Discover now