Hübsch sein ist nicht alles

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Hübsch sein ist nicht alles



Schlaflos war ein gutes Wort um zu beschreiben, wie meine erste Nacht auf der schmalen Pritsche in der kalten Zelle verlaufen war. Ich hatte kaum ein Auge zu gemacht, da war ich auch schon wieder hellwach. Ständig klapperte es irgendwo, Gittertüren ratterten, Gekreische ertönte. Mehrmals war ich aufgeschreckt aus einem zusammenhangslosen Traum und dem letzten Schrei von Bethany. Mein Körper war mit Gänsehaut überzogen, sodass ich mich noch enger an die raue Wand hinter mir drängte. Der orangene Overall und die raue Decke waren alles andere als Wärme spendend. Mit einem lauten Pfiff und dem ersten Geklapper der Zellentüren ertönte der morgendliche Appell, der von nun an meinen Tag beginnen würde. Schwerfällig rappelte ich mich von der quietschenden Pritsche auf. Meine Haare hingen in einem losen Zopf und auch der Rest von mir war alles andere als repräsentativ. Meine Zellentür öffnete sich schwungvoll. Die stämmige Wärterin musterte mich abfällig, doch ich hielt ihrem Blick stand. Egal was hier drin passieren würde, ich würde dem Druck standhalten und mich nicht kleinkriegen lassen, wenigstens das hatte die letzte Nacht gebracht. Entschieden trat ich aus meiner Zelle heraus und stellte mich auf dem schmalen Gang auf.

Erste Pfiffe und Rufe heulten auf, als die Blicke der Alteingesessenen auf mich fielen. Ich fühlte mich auf der Stelle unwohl, so als könnten sie mich mit ihren Augen röntgen. Mein Blick fiel auf die Zelle rechts neben mir, aus der so eben die vertraute Silhoutte von Alison trat. Selbst im Schlaf hätte ich sie erkannt, auch wenn sie sichtlich abgenommen hatte und das nicht nur an Gewicht, sondern auch an Haltung. Es war nicht mehr viel übrig von dem selbstsicheren Mädchen, dass einst die heiligen Hallen der Rosewood High unsicher gemacht hatte. Doch ich machte ihr keinen Vorwurf. Hier drin machte man sich offensichtlich lieber unsichtbar, als sich Feinde in den Reihen der Anderen zu machen. Es wäre gelogen, wenn ich gesagt hätte, dass ich keine Angst hatte oder auch nur kleinsten Ansatz von Hoffnung verspürte. Ich hatte Todesangst, schließlich wusste ich oder konnte mir ausrechnen, was auf mich zukommen würde, sollte ich verurteilt werden.


Meine Beine zitterten kraftlos, während ich Schritt für Schritt durch den Gefängnisgang lief. Die Blicke der anderen Häftlinge verfolgten mich bei jeder noch so kleinen Bewegung. Ich war in ihren Augen schon eine verurteilte Mörderin, Frischfleisch was sich bewähren musste oder aussortiert würde. Langsam näherte ich mich meinem Ziel, dem Telefonraum. Dem einzigen Ort hier, neben dem Besucherräumen, an dem ich Kontakt zur Außenwelt aufnehmen konnte. Mein Mund wurde trocken, während ich Ziffer für Ziffer auf dem Nummernfeld eintippte und den Hörer an mein Ohr presste. Meine schwitzenden Händen klammerten sich um den Griff. Ich versuchte verzweifelt ruhig zu bleiben und die bösartigen Blicke zu ignorieren. Dann endlich erklang eine monotone Frauen stimme, die meinen Anruf am anderen Ende der Leitung ankündigte. ,,Das ist ein Anruf aus der Justizvollzugsanstalt Chester County. Sie haben einen Anruf von ..." ,,Annabelle Winston" erwiderte ich mit dem Versuch meiner kratzigen Stimme etwas festes zu verleihen. ,,Wenn sie den Anruf annehmen möchten, drücken sie bitte die eins."

Erwartungsvoll schaute ich auf, ehe ein dumpfes Piepen erklang und vier wild durcheinander redende Stimmen in mein Ohr rauschten. ,,Belle." ,,Oh, Gott sei dank!" ,,Geht es dir gut?" ,,Leute, ganz ruhig" unterbrach sie Spencer lautstark. Ein leichtes Lächeln stahl sich auf mein Gesicht, als ich die vertrauten Stimmen meiner Freundinnen vernahm. ,,Okay, Leute, hört zu. Ich habe nicht viel Zeit um zureden" erklärte ich schnell, während meine Augen auf der Wanduhr über dem Eingang ruhten. ,,Wir haben uns Sorgen gemacht" setzte Emily matt an. ,,Wir haben heute morgen mit deinen Eltern gesprochen, aber die konnten uns nichts sagen, außer das sie dich nach Chester County gebracht haben." Ich atmete hörbar aus, ehe ich antwortete. ,,Ja, sie haben mich gestern Abend hierher gebracht, nachdem Tanner mich gut eine Stunde verhört hat und mich über meine Rechte aufgeklärt hat. Seitdem habe ich mit niemanden mehr gesprochen außer einer Wärterin." ,,Wie ist es da drin so" fragte Aria vorsichtig. Mein Griff um den Hörer verfestigte sich nochmal, sodass meine Knöchel sich weißlich färbten. ,,Es geht schon" meinte ich schwer schluckend. ,,Es ist nicht das Plaza, aber ich ... Ich komm klar." Beim letzten Teil meines Satzes zwang ich mich zu einem erschwertem Lächeln. ,,Wir wollten dich morgen besuchen kommen, wenn das mit deinen Eltern einverstanden ist. Dann können wir dich sehen und reden" sagte Spencer, wobei sie das Wort reden besonders betonte. ,,Das ist eine gute Idee" entgegnete ich verständlich, ehe mir ein Gong signalisierte das meine Zeit abgelaufen war. ,,Ich muss jetzt auflegen, meine Zeit ist um." ,,Wir haben dich lieb, Belle" verabschiedete sich Hanna in trauriger Tonlage von mir. ,,Ich euch auch" murmelte ich bedrückt. ,,Bleib stark. Wir holen dich da raus, versprochen." Dann war nur noch ein Rauschen zu hören. Die Leitung war tot.

Never trust a pretty girl with an ugly secret → 2Where stories live. Discover now