Kleine Morde unter Freunden

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Kleine Morde unter Freunden



,,Arg. Da passt nichts drüber" beschwerte sich Hanna, als sie den gefühlt zwanzigsten Rock anprobierte. Spencer und ich waren vor etwa einer halben Stunde hier eingetroffen, nachdem sie uns ein SOS geschickt hatte. Doch anders als erwartet, steckte sie in keiner lebensbedrohlichen Situation, sondern hatte nur ein kleines modisches Problem. ,,Ach, Hanna. Wieso warteten wir nicht einfach bis deine Mutter zur Arbeit geht? Dann müssen wir hier auch nicht raus schleichen" warf ich genervt ein. ,,Ich gehe nicht mit einer offenen Wunde in die Schule" fiel mir Hanna ins Wort. Spencers Augen weiteten sich. ,,Ich dachte Wren hätte sie genäht und versorgt." ,,Hat er ja auch" erwiderte Hanna kleinlaut. ,,Aber ich muss sie atmen lassen, sonst entzündet sie sich vielleicht." Hanna stand ratlos vor ihrem prallgefüllten Kleiderschrank, bis sie schließlich einen Maxirock hervorzog, der in einem Khakigrün gehalten und mit roten Spitzenteils versehen war. Alles in allem wirkte er furchtbar hässlich. ,,Wow" hauchte ich und legte den Kopf schief. ,,Wann hast du dir das denn zugelegt?" Spencer neben mir kicherte. ,,In der achten Klasse" antwortete Hanna gereizt. ,,Und wo sind deine Kastagnetten" fragte Spencer spielerisch. ,,Der ist nicht spanisch, sondern griechisch. Ich war die Bauersfrau in Mamma Mia" erklärte Hanna, während sie verärgert an dem Rock herumzupfte. ,,Kann ich ein paar Sicherheitsnadeln haben" fuhr sie fort und deutete auf den Schreibtisch. ,,Ich erinnere mich gar nicht, dass du mitgespielt hast" meinte ich, als ich begann den Rock hinten abzustecken. ,,Gut, denn ich sah fett und hässlich aus. Und ich musste neben einer Pappziege stehen."

Hannas Handy unterbrach uns mit seinem Klingeln. ,,Ähm. Wren ruft dich an" räusperte sich Spencer und reichte Hanna ihr Handy. Wir warfen uns einen wissenden Blick zu. Hanna sah auf den Display, legte auf und warf ihr Handy zurück auf das Bett. ,,Du willst nicht mit ihm sprechen" fragte Spencer. ,,Was läuft da zwischen dir und Wren" machte ich neugierig weiter. ,,Nichts" antwortete Han schlicht, sah dabei aber keine von uns an. ,,Hanna" fragte ich nachdrücklich. ,,Hanna, hey. Sie mich an, okay. Ich weiß, dass -A es Caleb und dir schwer gemacht hat." ,,Schwer" wiederholte Hanna mich fassungslos. ,,Wohl eher unmöglich." ,,Ist Wren also so was wie eine Zwischenlösung?" Hanna stöhnte entnervt auf und wandte sich wieder ihrem Spiegelbild zu. ,,Hanna, er kann sehr überzeugend sein. Seine Grübchen, seine ganze Art" setzte Spencer von Neuem an. ,,Können wir bitte das Thema wechseln" fragte Hanna, der das Ganze deutlich unangenehm wurde. ,,Du bist nicht das erste Mädchen, dass diesem Lord von Downton Abbey verfällt. Hallo zwei stehen vor dir." Diesmal war ich diejenige die Spencer einen zornigen Blick zuwarf, schließlich waren Wren und ich nur ein paar Mal aus. ,,Mir passiert das nicht" meinte Hanna abschätzig. Wir wurden erneut unterbrochen, jetzt jedoch von der Haustürklingel. ,,Was denn jetzt" murmelte Hanna und ging zum Fenster. ,,Wann verlässt sie endlich das Haus" fragte sie und sah uns verzweifelt an.

Leise liefen wir die Treppe nach unten, um uns auf den Weg zur Schule zu machen. Auf ungefähr halber Höhe der Treppe hielten wir jedoch schlagartig inne, denn wir konnten deutlich das Wort USB Stick vernehmen, dass ließ uns hellhörig werden. ,,Ich habe ihn mal angeschlossen, um herauszufinden wem er gehört" fuhr Pfarrer Ted fort. ,,Ist sicher nicht meiner" antwortete Mrs Marin. ,,Deshalb bin ich auch nicht hier. Auf dem Stick sind ein paar Videodateien und gleich im ersten Video war Hanna zu sehen." Bei den Worten von Pfarrer Ted fuhr mir ein Schauer über den Rücken und ich sah das es den Anderen ebenfalls so zu gehen schien. ,,Es sieht aus, als würde sie in irgendeinem Schlafzimmer sitzen und mit ein paar Freundinnen reden, aber ich glaube die Mädchen wurden heimlich gefilmt." Blankes Entsetzen war in unsere Gesichter eingemeißelt. ,,Den habe ich weggeworfen, um vor Ian zu fliehen" sagte Spencer ganz bleich im Gesicht. ,,Ich dachte, er hat ihn eingesteckt" flüsterte ich panisch. ,,Dachte ich doch auch" erwiderte Spencer. Hanna schlug sich die Hand gegen die Stirn. ,,Das ist furchtbar." ,,Nein, Hanna. Alles wird gut" beruhigte sie Spence, doch es war zwecklos, denn Hanna wurde nur noch hysterischer. ,,Nein. Ali hat mit diesen Videos Jenna erpresst. Wir haben Jenna versprochen auf sie aufzupassen." ,,Wir konnten den Stick nicht finden" warf ich ruhiger ein. ,,Das ist unwichtig" erklärte Hanna unwirsch. ,,Wenn meine Mutter ihn zur Polizei bringt, wird Jenna denken sie hätte ihn von mir." ,,Hanna, dreh jetzt nicht durch" versuchte ich es nochmal. ,,Mich und Caleb wird sie deswegen verfolgen, nicht dich, sondern mich. Das ist so übel." Ich gab es auf, Hanna beruhigen zu wollen, denn sie wollte sich ja förmlich in diese blinde Mädchensache hereinsteigern. Mrs Marin und Pfarrer Ted kamen zurück in den Flur, sodass wir gezwungen waren wieder nach oben zu flüchten, um nicht entdeckt zu werden. Die Beiden verabschiedeten sich an der Tür voneinander und Hannas Mum legte den Stick, nachdem sie die Tür geschlossen hatte, auf eine Kommode im Flur. Dann verschwand sie erneut in der Küche. Eilig liefen wir nach unten, damit wir uns unbemerkt aus dem Haus schleichen und den USB Stick mitnehmen konnten. Doch gerade als Hanna den Stick gegriffen hatte und wir uns zur Haustür aufmachten, stoppte uns die Stimme von Mrs Marin in unseren Rücken. ,,Hanna, was soll das werden?" Wir fuhren erschrocken und ertappt zugleich herum. Mrs Marin sah uns ernst an und wir wussten in diesem Moment, dass sie uns nicht so einfach mitdem Stick in der Hand aus dem Haus gehen lassen würde. Schließlich mussten Spencer und ich ohne Hanna zur Schule fahren, während diese versuchte den Stick wieder in die Finger zu bekommen.

Never trust a pretty girl with an ugly secret → 2Where stories live. Discover now