Epilog

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Ich lag in einem Auto. In einem fahrenden Auto.

Das wusste ich, noch bevor ich richtig wach war. Und es beruhigte mich. Denn es bedeutete, dass nun alles entschieden war. Ob diese Entscheidung gut oder schlecht für mich ausgehen würde, war erst einmal egal. Fakt war, dass jemand mir diese Entscheidung abgenommen hatte. Ich war nicht allein.

"Sie wacht auf."

"Soll ich anhalten?"

"Ich denke nicht, dass sie das beruhigt. Fahr weiter."

"Wird sie wieder gesund?"

"Ja. Die Wunde war nur oberflächlich."

"Max? Max kannst du mich hören?"

So viele Stimmen. Schmerz schoss durch meinen Kopf.

"Lasst ihr Zeit. Sie hat viel Blut verloren."

Ganz langsam versuchte ich, die Augen zu öffnen. Trübes Sonnenlicht und vorbeiziehende Bäume waren das erste, das ich wahrnahm. Vorsichtig versuchte ich, mich aufzusetzen. Die Kopfschmerzen wurden schlimmer.

"Langsam."

Stützende Hände halfen mir sanft dabei, mich hinzusetzen.

Noah. Herr Pfaff. Luca.

Verwirrt versuchte ich, mich zu orientieren. Ich hatte auf der hinteren Sitzbank in einem großen Wohnmobil gelegen. Die drei Männer saßen auf den anderen beiden Bänken, die zusammen mit meiner eine U-förmige Sitznische rund um einen Tisch bildeten. Neben Herr Pfaff auf der Bank standen drei Maxi Cosis, provisorisch mit Gurten befestigt. Adam. Svenja. Lily.

Papa saß vorne am Steuer.

Bis auf die Babys waren alle verletzt.

Noahs Gesicht war geschwollen von vielen blauen Flecken. Er hatte einen Verband um den Kopf und trug einen Arm in einer Schlinge.

Herr Pfaff hatte einen dicken, blutgetränkten Verband um die Hand. Es sah aus, als fehlten ihm zwei Finger.

Lucas Knöchel war behelfsmäßig mit zwei Pfannenwendern bandagiert und seine Hände steckten in leichten Mullbinden.

Von Papa konnte ich nicht viel erkennen, doch der Stoff seines Hemdes war an der Schulter blutgetränkt.

Doch dann sah ich Floh.

Er lag mitten im Gang des Wohnmobils auf dem Boden. Eine isolierende Wärmedecke war um ihn gewickelt. Er war nicht wach; warf sich allerdings wild hin und her.

"Floh", murmelte ich und stand auf. Sofort wummerte heftiger Schmerz in meinem Kopf. Er hatte mich nicht verraten. Er hatte mich gerettet. Und alle anderen auch. Doch zu welchem Preis?

"Stopp, du setzt sich sofort wieder hin!", befahl Herr Pfaff und drückte mich mit der unversehrten Hand zurück auf die Bank. "Du hast gerade mit knapper Not einen Streifschuss überlebt!"

Ich runzelte die Stirn. Dabei zwickte etwas. Ich tastete an meinen Kopf. Dicker Verband. Als ich die Hand zurückzog, befand sich frisches Blut an meinen Fingern. Daher die Kopfschmerzen.

"Wenn du dich zu viel bewegst, geht die Wunde nicht zu. Ein Wunder, dass du noch nicht verblutet bist."

"Aber wie...?"

Noah sah mich mit seltsamem Blick an. "Floh war kaum noch bei Bewusstsein, als wir euch fanden. Er trug dich in seinen Armen. Ihr beide wart blutüberströmt. Lily lag in deinem Schoß. Er sagte, du hättest versucht, sie zu erschießen."

"Ich dachte...", setzte ich an, sprach dann aber nicht weiter. Sie hielten mich für verrückt. "Was ist mit ihm?"

"Anscheinend haben die Männer aus dem Schloss ihm doch nicht ganz getraut, denn sie haben ihm aufgelauert. Er konnte kaum noch reden. Jedenfalls wart ihr beide halb tot."

Die Schmerzen verschlimmerten sich. Ich musste mich zusammenreißen, um mich nicht zu übergeben.

"Was ist mit Lissbett? Dieser alten Frau aus dem Forsthaus?"

"Keine Ahnung", meinte Noah langsam. "Wir sind sofort geflohen. Dein Vater hatte schon länger versucht, dieses Wohnmobil zu reparieren. Es fehlten nur noch ein paar wenige Einzelteile."

"Das Krankenhaus?", fragte ich. Alles drehte sich.

"Verwüstet. Das wenige, was noch da war, haben wir mitgenommen."

"Wir fahren nach Süden", erklärte Herr Pfaff. "Um dort den Winter zu verbringen."

"Aber-"

"Es war ein einstimmiger Beschluss", unterbrach Noah mich. "Letzten Winter sind wir hier fast verhungert."

Langsam nickte ich.

Wir hatten unser Zuhause verloren. Gute Freunde waren für uns gestorben. Wir alle hatten unser Leben riskiert. Und jetzt riskierten wir es wieder, beim Versuch, einen kompletten Neuanfang zu wagen.

Doch wo würde uns dieses Abenteuer hinführen?


Never Feel SafeWhere stories live. Discover now