Kapitel 6

43 2 0
                                    

Wir hörten erst nach einer ganzen Weile wieder auf. Und das Freibad verließen wir erst, als es schon dämmerte. Auf dem Weg nach Hause hatte er den Arm um mich gelegt und wir schwiegen glücklich.

Am nächsten Morgen fiel mir auf, wie dämlich wir waren. Was hatten wir uns nur dabei gedacht? Wenn ich jetzt wirklich schwanger war, hätten wir ein Problem. Ein Gewaltiges. Und ich hatte keine Ahnung von kleinen Kindern.

"Wir sind so dumm", murmelte ich vor mich hin.

"Hm?", machte Floh. Ich hatte gedacht, er würde noch schlafen.

Ich blickte ihn an. "Wir sind dumm. Wie konnten wir nur?"

"Ich bereue nichts", meinte er grinsend. "Denn das war es allemal wert."

"Du hast ja jetzt auch nicht vielleicht ein kleines Lebewesen im Bauch!"

"Wenn du es so ausdrückst, klingt es, als hätten sich irgendwelche Parasiten in dich eingefressen", meinte er.

"Floh!"

"Ist ja gut. Du bist schon nicht schwanger."

"Hoffentlich", murmelte ich. "Lass uns frühstücken."

Wieder lebten wir einfach nur vor uns hin. Es wurde kälter, und wir gingen nicht noch einmal ins Freibad. Dafür entdeckten wir ein Kino, in dem wir alle mögliche Scheiße machten. Doch ohne Strom konnte man keine Filme sehen, was ich schade fand. Wir entdeckten in einer Kneipe eine Kegelbahn und verbrachten dort einen ganzen Nachmittag. Wir konnten zwar nicht Kegeln, weil die Kegel elektrisch auf die Bahn gesetzt wurden, doch wir hatten großes Vergnügen daran, einen Kugelweitwurf zu veranstalten. Dass dabei einiges zu Bruch ging, störte uns nicht. Doch das Schlimmste waren die Leichen. Auch im Ortskern lagen an einigen Ecken Tote, die so aussahen, als wären ihre letzten Sekunden beim Einkaufen über sie gekommen. Ein paar der Toten fehlten Finger oder sogar ganze Arme. Erst wusste ich nicht, wieso das so war, doch als wir um eine Ecke bogen, sah ich einen Hund, der gerade versuchte, einer weiteren Leiche den Arm auszureißen. Und ein Vogel war gerade dabei, einer jungen, toten Frau ein Auge auszuhacken. Verhungerte Tiere. Mir wurde schlecht. Ich versuchte, wegzusehen, doch einfach war es nicht. Wir entdeckten auch eine Schule, doch es war komisch, dort durch die Gänge zu wandern. Das einzige, was uns Freude bereitete, waren die Chemikalien im Chemieraum. Floh konnte es nicht lassen, ein paar Experimente aus einem herumliegenden Buch nachzumachen. Da die Bunsenbrenner mit Gas funktionierten, ging das sogar. Wir beschlossen, eine große Gasflasche und einen Brenner mitzunehmen, um zur Not damit kochen zu können. Und Floh schlug vor, in einigen der Häuser aus unserer Straße nach einem Gas-Grill Ausschau zu halten. Wir fanden tatsächlich einen, was das Anbraten von Gemüse oder Fleisch zwar nicht einfacher, aber interessanter werden ließ.

Schließlich konnte ich Floh eines Morgens überzeugen, auch in die Einkaufsläden einen Blick zu werfen. Im Schuhladen konnte ich es nicht sein lassen, die höchsten Highheels, die ich finden konnte, anzuprobieren.

"Oh Mist, die sind hoch!", meinte ich, als ich versuchte, zu laufen.

Floh guckte skeptisch. "Das kann doch gar nicht so schwer sein."

"Lauf du erst mal da drauf!"

"Okay", meinte er und suchte sich selbst ein Paar. "Die haben meine Größe nicht."

"Sind ja auch Frauenschuhe. Keine Frau hat Schuhgröße 48!"

Floh suchte weiter, bis er schließlich ein Paar gefunden hatte, das wohl seine Größe war. Sie waren niedriger als meine, doch als Floh aufstand, kippte er fast direkt wieder um.

"Sind die kaputt?", fragte er.

"Nein, das muss so", lachte ich.

Verbissen versuchte Floh, zu laufen, doch er eierte noch mehr herum als ich, was mich nicht wunderte. Ein bisschen Übung hatte ich schließlich schon.

"Okay, ich nehme alles zurück. Diese Stöckelschuhe sind Kacke", gab er schließlich zu.

Ich lachte nur und wir verließen den Laden. Wir kamen an H&M vorbei, und ich schnappte mir kurzerhand ein paar Teile und auch Floh deckte sich mit der neuen Herbstkollektion ein. Als ich einen Blick durch das Schaufenster des Juweliers warf und all den kostbaren Schmuck sah, musste ich einfach stehenbleiben.

Floh machte sich ohne Worte an der Tür zu schaffen und drinnen probierte ich alles Mögliche an. Floh stöberte auch durch den Laden und hielt sich lange bei den Männerarmbanduhren auf, bis er sich für eine entschieden hatte und sie einfach aus der Auslage nahm. Auch ich konnte nicht wiederstehen und nahm ein Paar Ohrringe mit echten Diamanten mit. Ich würde sie vermutlich nie tragen, doch sie waren auch zu schade, um hier zu verstauben. Wir gingen weiter die kleine Einkaufsstraße entlang und stießen auf einen Outdoorladen. Floh trat dort ein, als wäre es sein Reich. Es gab eine Menge praktische Tarnkleidung für Jäger, aber auch eine kleine Auslage an Klappmessern. Während ich ohne echtes Interesse durch den kleinen Laden streifte, suchte Floh sich eines der Messer aus und steckte es sich einfach in die Hosentasche.

"Hey, möchtest du auch eins?", fragte er.

"Was soll ich mit einem Messer?"

Er schwieg kurz. "Stimmt. Wenn du keins möchtest, können wir gehen."

Ich nickte und wir verließen den Laden. Irgendwann schlenderten wir zurück nach Hause, nicht ohne dass Floh bei der Tankstelle eine Schachtel Zigaretten mitgehen ließ. Ich nahm auch ein paar Züge, doch es schmeckte mir nicht wirklich. Auf Partys war ich vermutlich immer zu voll gewesen, um zu bemerken, wie scheiße das eigentlich schmeckte. Jetzt würde ich wohl nie wieder richtig abfeiern.


Never Feel SafeWhere stories live. Discover now